Stragü 01/2018, Dr. Schärmer – Notwendigkeit der CMR

Herausfallen der Ladung bei Zufahrt zur Rampe in Belgien: Ein einfacher Transportschaden beschäftigt mehrere Gerichte im In- und Ausland.

Bei einem Streit zwischen einem Hauptfrachtführer und einem Subfrachtführer musste der oberste Gerichtshof die Frage klären, inwieweit der Subfrachtführer zu haften hat, wenn er auf Weisung des Empfängers die Hecktüren öffnet und die Ware bei der abschüssigen Rückwärtsfahrt zur Rampe aus dem Lkw fällt. Neben den österreichischen Gerichten (Landesgericht Salzburg, Oberlandesgericht Linz, Oberster Gerichtshof) musste sich auch das belgische Gericht am Ort der Entladung des Gutes mit dem Fall beschäftigen.

AUSGANGSLAGE

Der von uns vertretene Hauptfrachtführer beauftragte einen Subfrachtführer zum Transport von Österreich nach Belgien. Beim Transportgut handelte es sich um Lautsprecher und Veranstaltungsequipment. Der Subfrachtführer hat das Frachtgut in Österreich verladen. Auch die Sicherungsmaßnahmen zur Ladungssicherung wurden vom Fahrer des Unterfrachtführers übernommen. Bei Ankunft am Empfangsort meldete sich der Lkw-Fahrer bei den Mitarbeitern der Empfängerin. Die Mitarbeiter der Empfängerin wiesen den Lkw-Fahrer aufgrund der Enge der Zufahrt an, die Hecktüren zu öffnen und im Retourgang zur Entladerampe zu fahren. Auf der abschüssigen Strecke rutschten Teile des Ladegutes aus dem Frachtraum und wurden beschädigt.

KLAGE IN BELGIEN

Der von uns vertretene Hauptfrachtführer wurde zunächst vor einem belgischen Gericht vom Empfänger des Frachtgutes auf Schadenersatz geklagt. Im Verfahren in Belgien konnten wir das Gericht dazu bewegen, dass das Verfahren zunächst unterbrochen wird, um in Österreich die Verschuldensfrage zu klären. Das belgische Gericht hat das Verfahren unterbrochen und wartet auf das Ergebnis des österreichischen Prozesses, der im Übrigen offenbar durch alle Instanzen schneller abgehandelt wurde als die ersten Verfahrensschritte im belgischen Prozess. Dies zeigt, dass die österreichischen Gerichte im Vergleich zu anderen CMR-Vertragsstaaten größtenteils sehr effizient und schnell arbeiten.

CMR-PROZESS IN ÖSTERREICH

Der von uns vertretene Hauptfrachtführer hat den Unterfrachtführer, insbesondere zur Absicherung der Regressrechte, vor dem Landesgericht Salzburg auf Schadenersatz geklagt. Schließlich beträgt die Verjährungsfrist ein Jahr und kann der Lauf der Verjährungsfrist durch eine Klage unterbrochen werden. Zur Abgabe einer Verjährungsverzichterklärung war der Unterfrachtführer nicht bereit. Der von uns vertretene Hauptfrachtführer war daher gezwungen, die Klage einzubringen. Dieser Schritt erfolgte nach vorheriger Abstimmung mit dem Versicherer. Beide Transportunternehmer haben ihren Sitz in Österreich. Das Landesgericht Salzburg hat nach einem Beweisverfahren mit Urteil die Auffassung vertreten, dass der Unterfrachtführer zwar zu haften hätte, jedoch seine Haftung gemäß Art. 25 CMR begrenzt wäre. Dies war für uns unzufriedenstellend, da dies bedeuten würde, dass der Hauptfrachtführer auf einem Teil des Schadens sitzen bleiben würde. Aus diesem Grund haben wir das Berufungsgericht angerufen. Dieses hat unsere Auffassung geteilt und den Unterfrachtführer zu einer unbeschränkten Haftung verurteilt. Daraufhin hat der Unterfrachtführer das Höchstgericht angerufen.

RECHTSANSICHT DES OGH

Mit brandaktuellem Urteil des OGH (OGH vom 18. Oktober 2017, 7 Ob 160/17f) hat dieser folgende Auffassung vertreten: Für die Haftung des Frachtführers kommt es darauf an, ob die Beschädigung zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme und ihrer Ablieferung eingetreten ist. Den Unterfrachtführer trifft eine Pflicht zur Unfallverhütung. Das Ladegut war teilweise auf Rollen gelagert. Vom Fahrer wurde zwar nach der 3. Reihe ein Klemmbalken angebracht und Spanngurte oben über die einzelnen Reihen des Ladegutes gespannt. Eine Sicherung der einzelnen Reihen der Fracht mit horizontal von Seitenwand zu Seitenwand geführten Spanngurten – und somit zur Heckklappe hin – erfolgte jedoch nicht. Der oberste Gerichtshof meinte daher, dass in diesen Fällen der Fahrer eine Sicherung zumindest gegen das Herausfallen des Ladegutes vorzunehmen gehabt hätte. Dem Empfänger des Frachtgutes war in dem Fall kein Verschulden vorzuwerfen. Schließlich forderten die Mitarbeiter des Empfängers den Fahrer nur auf, die Heckklappe zu öffnen und rückwärts zur Rampe zu fahren. Es wäre die Aufgabe des Fahrers gewesen, vor Antritt der Rückwärtsfahrt mit geöffneten Hecktüren, zu kontrollieren, ob kein Ladegut aus dem Frachtraum fällt.

ERGEBNIS

Der von uns vertretene Hauptfrachtführer bleibt damit nicht auf einem Teilbetrag sitzen. Der vom Eigentümer des Frachtgutes geltend gemachte Schadenersatzbetrag wird an den Unterfrachtführer, der über eine ausreichende CMR-Versicherungsdeckung verfügt, durchgereicht. Damit werden zwei Prozesse auf einmal erledigt, sodass auch das Verfahren in Belgien in Kürze beendet werden kann.

FAZIT

Dieses Beispiel zeigt, dass man als Transportunternehmer über eine ausreichende CMR-Versicherung verfügen sollte. Diese sorgt im Normalfall auch für den Einsatz eines spezialisierten Anwaltes im Ausland und für die Koordinierung bei derartigen Streitigkeiten mit Auslandsbezug, sodass am Schluss keine Kosten b eim versicherten Transportunternehmer verbleiben und im Idealfall auch keine Belastung der Versicherungspolizze erfolgt. Ein spezialisierter Versicherungsmakler arbeitet meist mit spezialisierten Rechtsanwälten im Transportrecht europaweit zusammen und nimmt Ihnen diese Probleme im Regelfall zur Gänze ab.

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Stragü 01/2018 – PDF

Brandaktuelles EuGH-Urteil: LKW-Fahrer dürfen regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nicht im Fahrzeug verbringen!!

In seinem Urteil vom 20.12.2017 (C-102/16) hat der EuGH die Verordnung 561/2006, welche die Sozialvorschriften im Straßenverkehr harmonisiert, dahingehend ausgelegt, dass LKW-Fahrer ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit von mindestens 45 Stunden nicht im Fahrzeug verbringen dürfen.

Dies wird mit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer sowie der Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit begründet.

Die reduzierte wöchentliche Ruhezeit von weniger als 45 Stunden darf weiterhin im Fahrzeug verbracht werden, sofern dieses über geeignete Schlafmöglichkeiten für jeden Fahrer verfügt und nicht fährt.

Hinsichtlich der Festlegung geeigneter Sanktionen verfügen die Mitgliedsstaaten über einen Ermessensspielraum. Die Sanktionen haben jenen zu ähneln, welche bei gleichartigen Verstößen gegen das nationale Recht gelten.

Den gesamten Text der EuGH-Entscheidung finden Sie hier.