Stragü 05/2016, Dr. Schärmer – LKW im Stau: Besitzstörung

Ein Transportunternehmer wurde kürzlich verurteilt, weil sein Lkw aufgrund eines verkehrsbedingten Rückstaus vor einer Ausfahrt einer Parkfläche 5 bis 10 Minuten stehen bleiben musste.

Am 7. September 2015 kam es am Vormittag aufgrund des Umstandes, dass Lkw am Grenzübergang Tisis/Liechtenstein an der Grenze nicht rechtzeitig abgefertigt werden konnten, zu einer Staubildung. Es bildete sich ein Rückstau von mehr als ca. 400 Meter. Dabei wurden die staubedingt angehaltenen Lkw derart angehalten, dass diese zur Hälfte auf dem Radfahrstreifen und zur Hälfte im Bereich der rechten Fahrbahnhälfte angehalten wurden, um dem ebenfalls Richtung Liechtenstein vorbei fahrenden Pkw-Verkehr die Weiterfahrt Richtung Grenze zu ermöglichen. Der Lenker des beklagten Sattelzuges hat am 7. September 2015 gegen 9:05 Uhr auf der Höhe einer Parkplatzausfahrt staubedingt angehalten.

BESITZSTÖRUNGSKLAGE

Auch das vor ihm befindliche und das hinter ihm stehende Fahrzeug wurden angehalten. Als der Lenker des Beklagtenfahrzeugs mit seinem Fahrzeug angefahren ist, konnte er noch nicht erkennen, dass er das Fahrzeug genau vor der in Rede stehenden Parkplatzausfahrt, aufgrund des bestehenden Staus, anhalten muss. Zur gleichen Zeit hat die Klägerin, die Mieterin eines Parkplatzes war, ihr Fahrzeug in Betrieb genommen. Die Klägerin beabsichtigte, die Parkfläche Richtung Liechtensteinstraße zu verlassen, was ihr jedoch im Hinblick auf das Anhaltemanöver des Lkw nicht möglich war. Der Lkw des beklagten Transportunternehmers verblieb in der Halteposition vor der Parkplatzausfahrt für die Dauer von ca. 5 bis 10 Minuten stehen. Der Abstand des Lkw zudem vor ihm angehaltenen Lkw bzw. hinter ihm angehaltenen Lkw war sehr gering. Die Klägerin hat gegen den Transportunternehmer eine Besitzstörungsklage eingebracht. Das Bezirksgericht hat zunächst die Auffassung vertreten, dass hier keine Besitzstörung vorliegt und hat die Klage abgewiesen. Leider hat das Landesgericht als Rechtsmittelgericht und als letzte Instanz eine andere rechtliche Auffassung vertreten und den Transportunternehmer, trotz des fehlenden Verschuldens des Lkw-Lenkers, verurteilt.

ANSICHT DES LANDESGERICHTS

Unter Besitzstörung versteht man jede tatsächliche Beeinträchtigung. Eine Besitzentziehung liegt nicht nur beim Abstellen eines Fahrzeugs auf dem Grundstück oder Parkplatz des Besitzers vor, sondern auch dann, wenn ein Fahrzeug vor der Einfahrt auf öffentlichem Grund abgestellt wurde. Eine weitere Voraussetzung für die Besitzstörung ist die Erkennbarkeit. Die Erkennbarkeit liegt immer dann vor, wenn der äußere Anschein einer Einfahrt besteht. Die Besitzstörung setzt aber weder Störungsabsicht, noch Störungsbewusstsein voraus und kann sogar dann vorliegen, wenn der Lkw-Fahrer überhaupt kein Verschulden trifft, das heißt, dass er überhaupt nicht erkennen konnte, dass er mit seiner Handlung einen fremden Besitz stört. Das Gericht hat weiters die Ansicht vertreten, dass eine bestimmte Dauer des Abstellens nicht erforderlich ist. Selbst eine kurze Ladetätigkeit ist in der Regel nicht gestattet. Ausnahmsweise wäre nur das Halten vor Haus- und Grundstückseinfahrten gestattet. In diesem Fall hat der Lenker im Fahrzeug zu verbleiben und bei Herannahen eines Fahrzeuges die Ausfahrt unverzüglich freizumachen. Im vorliegenden Fall hat der Lkw-Lenker die Klägerin für 5 bis 10 Minuten an der Ausfahrt von ihrem Parkplatz gehindert. Das Gericht hat dies nicht als zulässiges „Anhalten“ qualifiziert. Nach Ansicht des Gerichtes war es für den Lkw-Fahrer erkennbar, dass er durch sein Anfahren bzw. Stehenbleiben im Bereich der Parkplatzausfahrt Berechtigte am Ein- bzw. Ausfahren behindern wird.

5 – 10 MINUTEN: ZU VIEL

Der vorliegende Fall zeigt, dass sich die Rechtslage auch in diesen Bereichen für den Transportunternehmer enorm verschärft hat. Der Transportunternehmer muss sich offenbar auch mit derartigen Problemen auseinandersetzen, die vor einigen Jahren noch undenkbar waren. Der Lkw-Fahrer hat im Wesentlichen nicht viel falsch gemacht. Das Stehenbleiben für wenige Minuten vor der Parkplatzausfahrt ist jedoch nach Ansicht der Rechtsprechung zu viel, auch wenn ein verkehrsbedingter Stau dafür ursächlich war. Die Fahrer sollten jedenfalls über diese Problematik informiert werden, um unnötige Besitzstörungsklagen zu vermeiden.

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