Stragü 02/2017, Dr. Schärmer – David gegen Goliath? Prozess gegen die Asfinag

Aufgrund einer Beschädigung seines Spoilers in einem Tunnel verklagte ein steirischer Transporteur die Asfinag. Der Prozess zog sich über drei Jahre …

Der von der Kanzlei Schärmer vertretene Frachtführer ist Eigentümer eines Sattelzugfahrzeugs der Marke Volvo. Am 25. Februar 2013 gegen 7:30 Uhr war der Lkw-Fahrer mit seinem Sattelzug auf der Pyhrnautobahn in Richtung Wels unterwegs und befuhr den Bosrucktunnel. Die Pyhrnautobahn ist Teil des mautpflichtigen Straßennetzes – der von uns vertretene Frachtführer bezahlte auch ordnungsgemäß die vorgesehene Maut mit der GO-Box. Der Bosrucktunnel war zum damaligen Zeitpunkt einröhrig mit je einem Fahrstreifen in jede Fahrtrichtung.

KABELTASSE

An der Tunnelwand bzw. an der Tunneldecke ist eine Kabeltasse montiert, in der mehrere Kabel wie u.a. Videokabel sowie das Stromkabel für die Durchfahrtsbeleuchtung geführt werden. Das Stromkabel versorgt die im Tunnel in einem Abstand von 42 Metern angebrachten Beleuchtungskörper. Im Tunnel gibt es eine Videoüberwachung. Es wird dabei jedoch keine permanente Videoaufzeichnung durchgeführt, sondern werden lediglich im Abstand von mehreren Sekunden Einzelbilder aufgenommen. Zwei Mitarbeiter der beklagten Partei sind rund um die Uhr damit beschäftigt, die Videomonitore zu überwachen.

4.400 EURO REPARATUR

Der Lkw-Fahrer fuhr mit dem Klagsfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von circa 70 km/h. Vor ihm fuhr kein Fahrzeug, hinter ihm fuhr eine Kolonne von Fahrzeugen. Als er auf einem geraden Straßenabschnitt im Tunnel die Kilometerstelle 59,2 erreichte, bemerkte er unmittelbar vor dem Fahrzeug plötzlich Rauch und Staub und ein Kabel von der Decke hängen. Da es ihm weder möglich war, auszuweichen, noch abzubremsen, fuhr das Sattelzugfahrzeug gegen das Kabel. Dadurch wurde das Klagsfahrzeug an der linken Fahrerhausseite und an der linken Seitenwand beschädigt, insbesondere wurde der linke SpoilerWindabweiser, die Sonnenblende, das Hochdach seitlich, der Kühlergrill und die Frontmaske sowie die linke Standleuchte am Fahrerhausdach und der Anfahrtsspiegel beschädigt. Die Reparaturkosten betrugen insgesamt EUR 4.441,93.

ASFINAG: „KEIN VERSCHULDEN“

Die Asfinag wurde zum Schadenersatz aufgefordert, teilte aber mit, dass sie für den Schaden nicht hafte. Die Kanzlei Schärmer hat daraufhin am 28.11.2013 die Klage eingebracht. Die Asfinag stellte sich im Verfahren auf den Standpunkt, dass sie kein Verschulden treffe. Es sei grundsätzlich zutreffend, dass von der Decke des Bosrucktunnels auf Höhe Straßenkilometer 59,2 Fahrtrichtung Wels zwei Videokabel heruntergehangen seien. Diese hätten sich aus ihrer Halterung gelöst und seien von der Mitte der Decke gehangen. Der Unfalllenker habe erst um 7:46 Uhr den Vorfall gemeldet, woraufhin der Tunnel umgehend für den gesamten Verkehr gesperrt worden sei. Im Zuge der Tunnelsperre sei der Schaden von der Elektrotechnikabteilung Ardning besichtigt und die Kabel wieder an der Decke befestigt worden. Die Totalsperre sei für den Zeitraum 7:46 bis 8:16 Uhr verhängt worden. Warum die Kabel heruntergerissen wurden, habe nicht festgestellt werden können. Die Asfinag hat im Verfahren als Theorie für die wahrscheinlichste Ursache behauptet, dass das mit einer speziellen Schellenbefestigung versehene Übergangsstück durch lockere Lkw-Planen oder schlecht gesicherte Lkw-Ladungen beschädigt und gelockert worden sei. Die Kabel hätten nach dieser Beschädigung in den Verkehrsraum geragt und seien dann offenbar unmittelbar vor dem Lenker des Klagsfahrzeugs von einem Lkw erfasst und aus den Befestigungsschellen gerissen worden. Die Asfinag könne niemals ausschließen, dass andere Verkehrsteilnehmer aufgrund schlecht befestigter Planen oder schlecht gesicherter Ladungen oder einem Fahrzeugteil Tunneleinrichtungen wie das gegenständliche Kabel beschädigen, sodass dieses in den Verkehrsraum ragt. Die Kabel seien österreichweit fachgerecht nach den einschlägigen Bauvorschriften und ÖNormen an den Tunnelwänden angebracht.

HOHE MAUTEINNAHMEN

Wir haben hingegen die Auffassung vertreten, dass, wenn ein Tunnel derart baulich ausgestattet sei, dass bereits durch eine schlecht befestigte Plane eines Lkw ein Kabel herabgerissen werden könne und Verkehrsteilnehmer massiv gefährden könne, die bauliche Ausführung untauglich sei und nahezu eine Gemeingefährdung darstelle. Die Asfinag wäre durch eine ordnungsgemäße Tunnelüberwachung verpflichtet gewesen, auf Missstände, wie etwa schlecht gesicherte Ladungen oder Fahrzeugteile sofort zu reagieren und den Tunnel zu sperren. Es könne von der Asfinag, die auf Grund des Straßenbenützungsvertrages auch hohe Mauteinnahmen lukriert, wohl verlangt werden, dass sie sensible Strecken- und Straßenbereiche wie Tunnels permanent überwache. Die Kabel seien für den Lkw-Lenker praktisch nicht erkennbar gewesen und hätten ein plötzliches und unvorhergesehenes Hindernis dargestellt. Der Lenker habe auch nicht damit rechnen müssen, dass im Tunnel plötzlich von der Decke Hindernisse auftauchen. Selbst wenn er die Kabel rechtzeitig bemerkt hätte, hätte er eine Kollision nicht verhindern können und auch nicht dürfen, weil ein plötzliches Abbremsen oder abruptes Stehenbleiben eines Lkw im Tunnel höchstgefährlich sei und zu einer Massenkarambolage führen könne.

VERFAHRENSVERLAUF

Das Verfahren wurde im November 2013 eingeleitet und dauerte bis Dezember 2016. Insgesamt wurden rund 18.000,- Euro an Verfahrenskosten aufgewendet. Es wurden mehrere Gutachten und Ergänzungsgutachten eingeholt. Das Bezirksgericht für Handelssachen Wien hat im erstinstanzlichen Verfahren bereits zutreffend die Auffassung vertreten, dass zwischen den Streitteilen ein unentgeltlicher Benützungsvertrag hinsichtlich der Befahrung dieses Tunnels vorgelegen ist. Die Asfinag ist aus dem Benützungsvertrag heraus verpflichtet, dem Transportunternehmer eine gefahrenfreie Benützung des entsprechenden Straßenabschnittes zu ermöglichen. Die Asfinag treffen dazu entsprechende Verkehrssicherungs-, Instandsetzungsund Überprüfungspflichten. Die Asfinag ist auch verpflichtet, die entsprechenden Strecken zu überprüfen und allfällige Gefahrenquellen sofort zu beseitigen sowie so instandzuhalten, dass das Entstehen von Gefahren für Straßenbenützer weitgehend ausgeschlossen wird.

HÄNGENDE KABEL

Aus den Feststellungen des Erstgerichts ergab sich, dass es der beklagten Partei bekannt ist, dass mehrmals jährlich Kabel von der Tunneldecke hängen, was u.a. dadurch verursacht wird, dass lockere Lkw-Planen oder von Lkw- Anhängern hochschleudernde Eisplatten gegen die Kabeltasse schlagen und dadurch Kabel aus der Tasse herausschleudern. Der Asfinag wäre es möglich, ein derartiges Herausschleudern zu verhindern, in dem die Kabel nicht nur lose in die Tasse hineingelegt werden, sodass sie in dieser nur durch die Schwerkraft gehalten werden, sondern zusätzlich mit Kabelbindern befestigt werden. Es wäre der beklagten Partei auch zumutbar, eine solche zusätzliche Befestigung der Kabel in den Kabeltassen anzubringen, weil durch ein herabhängendes Kabel nicht nur ein darunter durchfahrendes Fahrzeug selbst beschädigt werden kann, sondern dadurch vor allem im Tunnelbereich ein sehr hohes Gefahrenpotential für eine massive Schädigung der Straßenbenützer gegeben ist. Da zwischen den Streitteilen ein Vertrag bestand, traf die beklagte Partei der Beweis dafür, dass sie an der Nichteinhaltung der vertraglichen Nebenpflicht kein Verschulden trifft. Dieser Beweis ist der beklagten Partei nicht gelungen. Die die Asfinag treffenden Verkehrssicherungspflichten umfassen auch alle zumutbaren Maßnahmen, um der Verwirklichung bekannter Gefahrenquellen entgegenzuwirken.

BERUFUNG

Die Asfinag gab sich mit dem Ergebnis des Urteils des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien nicht zufrieden und ergriff das Rechtsmittel der Berufung. Das Handelsgericht Wien als Berufungsgericht hat mit Urteil vom 16.11.2016, zur Aktenzahl 50 R 49/16m der Berufung der Asfinag keine Folge gegeben und das Ersturteil bestätigt. Letztendlich wurde die Asfinag zur Zahlung in Höhe des vollen Schadenersatzes samt acht Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz sowie zum Ersatz der vollen Prozesskosten verurteilt.

FAZIT

Auch dieser Fall zeigt wieder, dass es sich lohnt zu kämpfen. Ein derartiges Risiko kann man allerdings nur mit einem starken Versicherungspartner im Hintergrund eingehen. Ich empfehle daher, dass Sie mit ihrem Versicherungsmakler regelmäßig überprüfen, ob Sie ausreichend versichert sind, insbesondere im Rechtsschutzbereich.

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Stragü 02/2017 – PDF

Newsletter 02/2017 !!Top News für die Transportwirtschaft zum Sozialdumping!!

1. Auflockerung des Melderegimes, praxisgerechtere Gestaltung für die Transportwirtschaft

Seitens des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (Mag. Walter Neubauer) wurde unserer Kanzlei gegenüber heute nochmals telefonisch bestätigt, dass die technischen und rechtlichen Probleme bei der Umsetzung in der Transportwirtschaft aufgegriffen wurden.

Die zuständige Stelle des Ministeriums hat sich auch erfreulicherweise bereit erklärt, ein für die Transportwirtschaft praxisgerechteres Melderegime einzuführen. Dieses künftige Melderegime wird an die Meldeprocedere in Deutschland und Frankreich angelehnt. Die Ausgestaltung ist allerdings zum heutigen Zeitpunkt noch nicht konkret fixiert.

Höchstwahrscheinlich wird man (ähnlich wie in Deutschland) einmal im Halbjahr verpflichtet, eine „Sammelmeldung“ darüber abzugeben, welche Fahrer voraussichtlich mit welchem Kennzeichen zum Einsatz kommen. Dies bedeutet, dass individuelle Einzelmeldungen wegfallen.

Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass nicht nur das ZKO 3 Formular, sondern auch das Melderegime im Sinne einer praxisgerechten Gestaltung für die Transportwirtschaft „abgespeckt werden“.

Vielen Dank an dieser Stelle an Herrn Mag. Walter Neubauer vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, der mit seinem Team federführend bemüht ist, eine für die Transportwirtschaft praktikable Lösung zu finden.

2. Vorsicht – kein Freibrief für die Übergangszeit!!

Es ist unzutreffend, dass man sich erwarten kann, dass keine Kontrollen bis zur Einführung eines neuen Melderegimes stattfinden. Ganz im Gegenteil: Die zuständigen Behörden sind verpflichtet, die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu kontrollieren.

Seitens des Bundesministeriums wurde allerdings bekannt gegeben, dass die Kontrollen unter Berücksichtigung der derzeit bestehenden rechtlichen und technischen Probleme vorgenommen werden.

Im Klartext bedeutet dies, dass bis zur Einführung eines neuen Melderegimes zwar die bestehenden Meldepflichten und die Pflichten zur Mitführung der Dokumente „nach bestem Wissen und Gewissen“ eingehalten werden müssen. Werden bei den Kontrollen allerdings Fehler festgestellt, die speziell mit den in der Transportwirtschaft verbundenen rechtlichen und technischen Probleme zusammenhängen, wird keine Bestrafung stattfinden.

Wir werden Sie weiter auf dem Laufenden halten!

Transportanwalt Schärmer