Stragü 04/2017, Dr. Schärmer – Geschäft mit vielen Fallen

Kühltransporteure arbeiten mit schadensanfälligen Gütern. Das Haftungsrisiko ist meist sehr hoch, maßgeschneiderte Versicherungslösungen fehlen oftmals.

Es gibt wenig Bereiche in der Logistik, die so schadensanfällig sind, wie die Frachttätigkeit und die Lagerhaltung im sogenannten temperaturgeführten Sektor. Vor allem im Lebensmittel- und Pharmabereich können bereits leichte Temperaturschwankungen dazu führen, dass die Ware nicht mehr verkehrsfähig oder nur mehr sehr eingeschränkt verwertbar ist. Lieferfristüberschreitungen führen häufig dazu, dass die Ware vom Empfänger nicht mehr angenommen wird und nur mehr zu einem geringen Restwert verkauft werden kann. Können lückenlose Aufzeichnungen der vorgeschriebenen Lager- und Transporttemperatur dem Empfänger nicht vorgelegt werden, führt dies bei sensiblen Gütern im Pharmabereich häufig zu Annahmeverweigerungen bzw. zur Einstufung als Totalschaden. Bereits der Verdacht einer Substanzbeeinträchtigung kann im Einzelfall dazu führen, dass die Ware als Totalschaden eingestuft wird.

KOMPLIZIERTE VERTRÄGE

Logistikverträge enthalten zunehmend strengere Vorgaben an den Frachtführer und Lagerhalter. Es ist keine Seltenheit mehr, dass komplizierte Logistikverträge samt ihren Anlagen bis zu 100 Seiten umfassen können. Bestimmte Auftraggeber verlangen die Einrichtung von Alarmsystemen für den Fall der Abweichung von den vereinbarten Temperaturvorgaben und strenge Überwachungs- und Dokumentationspflichten. Die Fahrzeuge und Lagerhäuser müssen dem aktuellsten Stand, der in der jeweiligen Branche maßgeblich ist, entsprechen. Neben den Vorgaben in Logistikverträgen sind einschlägige gesetzliche Bestimmungen und Normen zu beachten. So wird beispielsweise für den Bereich der internationalen Beförderung leicht verderblicher Lebensmittel auf das hierfür maßgebliche internationale Übereinkommen ATP verwiesen. Im Pharma-Logistiksektor sind weitere Bestimmungen wie z.B. die Arzneimittelbetriebsordnung (AMBO) zu berücksichtigen.

HAFTUNGSFÄLLE

Die Nichteinhaltung der vereinbarten Lagertemperatur wird von den Gerichten in vielen Fällen als schweres Verschulden des Lagerhalters eingestuft. Im Bereich der AÖSp trifft den Lagerhalter die Beweislast dafür, dass ihn an der Abweichung von der vereinbarten Lagertemperatur kein schweres Verschulden trifft. So hat der Oberste Gerichtshof die Lagerung von Lebensmitteln bei einer Temperatur von 10° als grob fahrlässig eingestuft, wenn vom Auftraggeber eine Lagertemperatur bis maximal 4° vorgegeben war. Der Lagerhalter hat die Lebensmittel in einer Lager- und Umschlagshalle neben dem Eingang gelagert, weshalb es zu einer Unterbrechung der Kühlkette gekommen ist und die Ware nicht mehr verwertbar war (OGH: 2 Ob 267/01f). Grobe Fahrlässigkeit bedeutet, dass der Lagerhalter unbeschränkt zur Haftung herangezogen wird. Eine Berufung auf haftungsbeschränkende Regelungen ist in diesen Fällen nicht zulässig. Gerade bei derartigen Konstellationen ist es wichtig, dass ein maßgeschneidertes Versicherungsprodukt und ein starker Versicherer hinter dem Logistikanbieter stehen.

GEEIGNETE MESSGERÄTE

Wenn ein Transportschaden auf eine Unterbrechung der Kühlkette beruht, so ist der Anspruchsberechtigte zunächst beweispflichtig dafür, dass die Ware ausreichend vorgekühlt und nicht schon mit einer zu hohen Temperatur an den Transportunternehmer übergeben wurde (OLG Köln, Urteil vom 15.12.2009-3 U 175/08). Gerade bei der Verladung der Ware aus Kühlhäusern in den Lkw kommt es oft vor, dass die Ware zu lange im Freien auf der Laderampe steht und die Vorkühlung nicht mehr gewährleistet ist. Der Fahrer muss die Temperatur bei der Übernahme unbedingt kontrollieren. Das Mitführen von geeigneten Messgeräten gehört daher bei derartigen Transporten zur Grundausstattung. Eine mangelhafte Vorkühlung schließt nämlich die Haftung des Transportunternehmers aus. Der Fahrer des Lkw ist hingegen dafür zuständig, dass die technische Funktionsfähigkeit des Kühlsystems während des gesamten Transports aufrechterhalten bleibt (OLG Köln, Urteil vom 15.12.2009 -3 U 175/08). Dazu gehört auch, dass die Luftzirkulation innerhalb des Laderaums gewährleistet ist. Wenn allerdings der Absender dem Frachtgut Kühlelemente beigibt und es durch diese Kühlakkus zu einer Abweichung der vereinbarten Temperatur kommt, liegt ein Verpackungsmangel im Sinne des Art. 17 Abs. 4 CMR vor, für die der Frachtführer nicht haftet (OLG München, Urteil vom 7.5.2008 – 7 U 5338/06; Unterkühlung des Gutes durch Kühlakkus), auch wenn die Temperaturabweichung während des Transportes eintritt.

KÜHLKLAUSEL

Wenn der Transporteur zum Abschluss einer Transportversicherung im Zusammenhang mit dem Transport von Kühlwaren verpflichtet wird, so muss drauf geachtet werden, dass Kühltransporte tatsächlich versichert sind. Bei einer herkömmlichen Warentransportversicherung könnten Kühlschäden ausgeschlossen sein (Stichwort: Kühlklausel). Im Bereich der Lagerhaltung wird eine gewöhnliche Speditionsversicherung nach den Bestimmungen des SVS nicht ausreichend sein. Gemäß § 5 SVS sind Schäden bei Lagerverträgen ausgeschlossen, wenn die Schäden durch unterlassene oder fehlerhafte Bearbeitung des Gutes nach dem 15. Tag der Lagerung entstanden sind. Bei längeren Lagerungen muss daher unbedingt eine Zusatzvereinbarung mit dem Versicherer getroffen werden, da die klassische SVS Versicherung nach dem 15. Tag der Lagerung nicht mehr zieht. Transportbedingte Zwischenlagerungen im Rahmen von Speditions- oder Frachtverträgen sind von diesem Deckungsausschluss allerdings nicht betroffen.

Lesen Sie hier weiter…

Stragü 04/2017 – PDF

Neue Rechtslage: Haftungsgefahr für den Spediteur bei Container- und WAB-Transporten! Verschärfung für den Transportunternehmer: Ein schwerster Verstoß = Konzessionsentzugsverfahren! Risikoeinstufungssystem: Auswirkungen und Folgen für den Verkehrsunternehmer!

Neue Rechtslage: Haftungsgefahr für den Spediteur bei Container- und WAB-Transporten ab 7.5.2017!

Vorsicht: Ab 7.5.2017 gelten neue Pflichten für den Spediteur bei CONTAINER- UND WAB-TRANSPORTEN! Bei fehlenden oder unrichtigen Angaben haftet der Spediteur für Strafen bei Überladungen!

Die neue Bestimmung im KFG (§ 101a Abs 1 bis 3) lautet wie folgt:

Gewichtsangaben bei Containertransport

101a. (1) Bei der Beförderung von Containern und Wechselaufbauten mit Kraftfahrzeugen auf der Straße hat der Spediteur dem Transportunternehmen, dem er die Beförderung eines Containers oder eines Wechselaufbaus anvertraut, eine Erklärung auszuhändigen, in der das Gewicht des transportierten Containers oder Wechselaufbaus angegeben ist. Als Spediteur gilt die rechtliche Einheit oder natürliche oder juristische Person, die auf dem Frachtbrief oder einem gleichwertigen Beförderungspapier als Spediteur angegeben ist und/oder in deren Namen oder auf deren Rechnung ein Beförderungsvertrag geschlossen wurde.

(2) Das Transportunternehmen gewährt Zugang zu allen vom Spediteur bereitgestellten einschlägigen Dokumenten. Der Lenker hat diese auf Fahrten mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen.

(3) Fehlen die in Abs. 1 genannten Informationen oder sind sie falsch und ist das Fahrzeug oder die Fahrzeugkombination überladen, so ist das als Verwaltungsübertretung sowohl dem Spediteur als auch dem Transportunternehmen zuzurechnen.

Diese Bestimmungen treten mit 7.5.2017 in Kraft.

Der Spediteur muss daher dem Transportunternehmer eine Erklärung aushändigen, in der das Gewicht des transportierten Containers oder Wechselaufbaus angegeben ist. Die Übergabe eines CMR Frachtbriefes mit dem Vermerk der Gewichtsangaben reicht ebenso aus, wie eine Ladeliste. Wichtig ist, dass Gesamtgewicht des übergebenen (laut Gesetz: anvertrauten) WAB bzw. Containers auch tatsächlich stimmen. Die geladenen Packstücke müssen daher mit dem Leergewicht des Containers bzw. WAB richtig addiert werden.

Wenn der Spediteur die Aushändigung einer derartigen „Gewichtserklärung“ unterlässt, oder seine Angaben falsch sind und dadurch das Fahrzeug oder die Fahrzeugkombination überladen wird, so ist diese Verwaltungsübertretung dem Spediteur und dem Transportunternehmer zuzurechnen.

Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung ist diese Verpflichtung nicht auf die Übergabe von Anhängern oder Sattelanhänger auszuweiten. Meiner Meinung nach kann diese Bestimmung auch dann nicht greifen, wenn ein Transportunternehmen mit seinem Motorwagen und einem bereits darauf befindlichen WAB oder Container an der Laderampe andockt und der Spediteur Frachtgut auf dieses Fahrzeug verlädt. In derartigen Fällen kommt es nicht dazu, dass der Spediteur dem Transportunternehmer die Beförderung eines Containers oder Wechselaufbaus im Sinne des Wortlautes des § 101a Abs 1 bis 3 KFG anvertraut.

 

Verschärfung für den Transportunternehmer: Ein schwerster Verstoß = Konzessionsentzugsverfahren!

Ein schwerster Verstoß = Konzessionsentzugsverfahren 

Die neue EU Verordnung gilt ab 1. Jänner diesen Jahres (VO EU 2016/403)

  • ursprüngliche „Todsündenliste“ wird dadurch erweitert
  • aus ursprünglich 7 gelisteten Verstößen werden nun 130 gelistete Verstöße
  • Bewertungssystem für alle schwerwiegenden Verstöße gegen Unionsvorschriften im gewerblichen Straßenverkehr

Unterteilung der häufigsten Verstöße in 3 Kategorien (Anlage I VO EU 2016/403)

  • SI (serious infringement) = schwerwiegender Verstoß
  • VSI (very serious infrigement) = sehr schwerwiegender Verstoß
  • MSI (most serious infrigement) = schwerster Verstoß

Faustregel nach der neuesten Rechtslage: Ein schwerster Verstoß (MSI)= Einleitung eines Entziehungsverfahrens!

Was führt in der Praxis zwingend beim ersten Mal zum Entziehungsverfahren?

  • Überschreitung der Höchstlenkzeiten in der Woche oder Doppelwoche um 25 %
  • Überschreitung der zulässigen Tageslenkzeit um mindestens 50 %, also 4,5 bzw. 5 Stunden Überlänge
  • Fahrten mit manipulierten Fahrtenschreiber, Fälschung der Schaublätter oder der Fahrerdaten
  • Einsatz einer gefälschten oder erschlichenen Fahrerkarte
  • Einsatzkarte eines anderen Fahrers
  • Fahrten ohne gültige EU Lizenz
  • Überschreitung des höchstzulässigen Gewichtes um 20 % (N2) (Baustellen, Holztransporte!!)
  • Überschreitung des höchstzulässigen Gewichts um 25 % (N3) (Baustellen, Holztransporte!!)

Besteht ein Risiko auf Entzugsverfahren wirklich nur bei schwersten Verstößen?

  • Nein!
  • Wiederholte Verstöße desselben Schweregrades sind in einen Verstoß der nächsthöheren Stufe umzurechnen
    • 3 Verstöße der 1. Stufe pro Fahrer pro Jahr ergeben einen Verstoß der nächsthöheren, mittleren Stufe
  • das bedeutet weiters für die Praxis:
    • 3 mittlere Verstöße pro Fahrer pro Jahr (3 Verstöße der Klasse VSI) = 1 schwerster Verstoß (MSI)
      • Einleitung Entziehungsverfahren
    • Faustregel: Ein schwerster Verstoß (MSI)= Einleitung eines Entziehungsverfahren

Wichtig: Ein Entzug der Gewerbeberechtigung kann nur dann eingeleitet werden, wenn die maßgeblichen Verstöße vom Unternehmer/Verkehrsleiter begangen wurden und die Strafen rechtskräftig sind. Ein Verfahren gegen den Fahrer führt aber in der Praxis regelmäßig auch zu einem Verfahren für den Unternehmer.

Risikoeinstufungssystem: Auswirkungen und Folgen für den Verkehrsunternehmer

Auswirkungen der Risikoeinstufung für den Verkehrsunternehmer

Woher kommt das Risikoeinstufungssystem?

  • EU-Gemeinschaftsrecht: Richtlinie 2006/22 (Art. 9)
  • Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Errichtung eines Systems für die Risikoeinstufung von Unternehmen
  • Umsetzung der EU-Vorgaben im KFG

Wen trifft die Risikoeinstufung?

  • alle inländischen Unternehmen,
  • leer oder beladen auf öffentlichen Straßen für Beförderungen
    • mit Fahrzeugen der Güterbeförderung über 3,5 t Höchstmasse
    • mit Fahrzeugen der Personenbeförderung mit mehr als 8 Fahrgastplätzen
  • auch Werksverkehr (!)

Risikoeinstufungssystem im Überblick

  • Umsetzung im KFG (§ 103c KFG)
  • Kriterien der Einstufung der Unternehmen:
    • relative Anzahl der Verstöße
    • Schwere der Verstöße
  • Unternehmen mit hoher Risikoeinstufung werden strenger und häufiger geprüft (!)

„Datenfutter“ für die  Kontrolldatenbank

  • rechtskräftige Bestrafungen der Lenker und Unternehmer wegen Delikten (gemäß § 103c Abs. 5 KFG)
    • welche Delikte das sind, wird später noch mit Beispielen erörtert
  • Strafbehörde nimmt Eintragung bei den Daten des Unternehmers vor
    • Name und Geburtsdatum des Fahrers
    • Art und Schwere des Delikts
  • Unternehmen, die nicht im VUR eingetragen sind, werden neu angelegt
  • Rechtsmittel gegen die Eintragung nicht möglich
  • die Eintragung ist die Folge der Bestrafung
  • Einspruch im Strafverfahren daher immer wichtiger
    • Bekämpfung der Qualifikation des vorgeworfenen Delikts
    • der Schweregrad des vorgeworfenen Delikts kann die Konzession kosten!
    • Fahrer müssen Unternehmer sofort informieren!!
  • Unzuverlässigkeit“ eines Verkehrsleiters wird eingetragen
  • Konsequenz: Berufsverbot als Verkehrsleiter in ganz Europa
    • Mitgliedstaaten können dies abrufen
  • Auch alle Positivkontrollen sind einzutragen (kein Verstoß festgestellt)
    • egal wie viele Gegebenheiten, Schaublätter kontrolliert wurden: 1 Kontrolle
  • nur Straßenkontrollen
    • Betriebskontrollen werden nicht erfasst (weder positive noch negative)

Berechnungsfaktoren

Art und Schwere des Verstoßes

  • sehr schwere Verstöße: Faktor 40
  • schwere Verstöße: Faktor 10
  • leichte Verstöße: Faktor 1

zeitlicher Faktor

  • Verstöße im letzten Jahr: Faktor 3
  • Verstöße im vorletzten Jahr: Faktor 2
  • Verstöße im vor vorletzten Jahr: Faktor 1

Berechnungsbeispiel

Im letzten Jahr

5 sehr schwere, 6 schwere, 4 leichte, 6 Kontrollen

5 x 40, 6 x 10, 4 x 1 = 264x 3 (Zeitfaktor) = 792

 Im vorletzten Jahr

1 sehr schwere, 2 schwere, 1 leichte,  4 Kontrollen

1 x 40, 2 x 10, 1 x 1 = 61×2 (Zeitfaktor) = 122

 Im vorvorletzten Jahr

2 sehr schwere, 8 schwere, 15 leichte,  4 Kontrollen

2 x 40, 8 x 10, 15 x 1 = 175 x1 (Zeitfaktor) = 175

792 + 122 + 175 = 1089:14 (Kontrollen)= 77

Alles im grünen Bereich?

  • grüner Bereich = geringe Risikoeinstufung
    • Wert liegt im Bereich der unteren 30 % aller erfassten Unternehmen
  • mittlere Risikoeinstufung
  • roter Bereich = hohe Risikoeinstufung
    • Wert liegt im Bereich der oberen 20 % aller erfassten Unternehmen
  • Gesamtvergleich zwischen allen in der KDB erfassten Unternehmen

Ausführlichere Informationen finden Sie auf dieser Präsentation -> hier klicken!