Stragü 06/2017, Dr. Schärmer – Sicherheitsvorkehrungen treffen!

Die Anzahl der Zugriffe von Flüchtlingen auf Lkw und die damit verbundenen Schadensfälle nehmen dramatisch zu. Wir berichten von einem Urteil des Oberlandesgerichtes Köln.

Der Transportunternehmer ist von seiner Haftung gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR befreit, wenn die Beschädigung des Frachtguts durch Umstände verursacht worden ist, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen nicht abwenden konnte. Der Transportunternehmer muss beweisen, dass derartige haftungsausschließende Umstände vorliegen. Welche Maßnahmen der Transportunternehmer im Einzelfall ergreifen muss, um die zumutbare Sorgfalt zur Verhinderung des Eindringens von Flüchtlingen in den Frachtraum sicherzustellen, hängt immer vom Einzelfall ab. Dabei ist immer auf die Art des Frachtgutes und die Transportstrecke abzustellen. So kann es z. B. notwendig sein, dass der Lkw neben einer Sicherung der Hecktüren, mit einer Alarmanlage ausgerüstet ist oder ausschließlich bewachte Parkplätze angefahren werden (sofern solche überhaupt in ausreichender Zahl vorhanden sind).

AUFLIEGER PLOMBIERT

Das Landgericht Aachen als erstinstanzliches Gericht ist in seinem Urteil vom 26. 1.2016 zunächst davon ausgegangen, dass der Frachtführer von seiner Haftung befreit ist, da die Beschädigung des Transportgutes infolge des Eindringens von Flüchtlingen in den Laderaum des Lkw für den Transportunternehmer unvermeidbar war. Das Landgericht Aachen hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Transportunternehmer, der nach der Beladung den Auflieger professionell mit einer Trailersicherung verschlossen und den Auflieger plombiert hat, keine Verletzung seiner Obhutspflichten als Frachtführer begangen hat. Schließlich hat der Fahrer des Frachtführers auch vor und nach der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepause von 9 Stunden geprüft, ob die Sicherung und Verplombung in Ordnung gewesen sind. Dies war auch der Fall. Während des Transportes hat es auch keine Veränderungen an den Sicherungen des Lkw gegeben. Erst im Entladehafen konnte festgestellt werden, dass an der Verplombung manipuliert worden ist. Der Auflieger ist geöffnet worden und ist festgestellt worden, dass sich dort fremde Personen aufgehalten haben. Diese sind dann durch die Polizei vor Ort entfernt worden.

KEIN SCHWERES VERSCHULDEN

Der klagende Transportversicherer hat Berufung gegen dieses Urteil eingelegt. Das Oberlandesgericht Köln als Berufungsgericht hat festgestellt, dass kein unabwendbares Ereignis und somit eine Haftung des Frachtführers vorliegt. Gleichzeitig hat das Berufungsgericht aber festgehalten, dass dem Frachtführer allerdings kein schweres Verschulden im Sinne des Art. 29 CMR angelastet werden kann und deshalb die Haftung gemäß den Bestimmungen der CMR beschränkt ist. Das Oberlandesgericht Köln hat dies damit begründet, dass es in Frachtführerkreisen allgemein bekannt sein muss, dass vor allem im Lkw-Verkehr nach England Flüchtlinge versuchen, in Auflieger zu gelangen und dabei die beförderten Güter beschädigen. Aus diesen Gründen muss ein Frachtführer auf derartigen Strecken besondere Sicherheitsvorkehrungen ergreifen, um sich auf den Haftungsausschluss des Art. 17 Abs. 2 CMR berufen zu können. Derartige Sicherungsmaßnahmen können in der Gestellung eines verschlossenen und alarmgesicherten Kastenaufliegers in der Verwendung von ausschließlich bewachten Parkplätzen oder der Verwendung eines zweiten Fahrers (oder ähnlichen Sicherungsmaßnahmen) bestehen.

UNBEWACHTER PARKPLATZ

Das Gericht hat im vorliegenden Fall bemängelt, dass es nicht der geschuldeten Sicherungsmaßnahme entsprach, dass der Fahrer die Nacht vor der Überfahrt nach England in Belgien in der Nähe der Fährverladung auf einem unbewachten Parkplatz verbrachte. Es wäre im konkreten Fall, nach Ansicht des Gerichtes, unabhängig davon, ob bewachte Parkplätze zur Verfügung gestanden wären, ohne weiteres möglich gewesen, einen weiter entfernten Ort für die Übernachtung auszuwählen, der weniger risikobehaftet gewesen wäre. Das Gericht hat aber abschließend betont, dass dem Frachtführer kein schweres Verschulden angelastet werden kann, weil er sich über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners nicht in krasser Weise hinweggesetzt hat, d.h. dass den Frachtführer hier nur eine leichte Fahrlässigkeit trifft. In derartigen Fällen ist die Haftung daher mit der Haftungshöchstgrenze der Bestimmungen der CMR begrenzt (siehe ausführlicher OLG Köln, Urteil vom 25.8.2016-3U28/16).

KEINE LEITENTSCHEIDUNG

Abschließend muss festgehalten werden, dass es aus meiner Sicht dennoch viele Fälle gibt, bei denen die Beschädigung des Frachtgutes aufgrund des Zugriffes durch Flüchtlinge für den Frachtführer unvermeidbar ist. Uns liegen Videos vor, aus denen sich ergibt, dass die Fahrer oft Situationen ausgesetzt sind, die nahezu unbeherrschbar sind. Eine Haftungsbeurteilung kann immer nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles vorgenommen werden. Die zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Köln kann daher nicht als generelle Leitentscheidung herangezogen werden.

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Stragü 06/2017 – PDF