Stragü 07/2017, Dr. Schärmer – Tanks verwechselt…

Wenn der Fahrer versehentlich Kraftstoffe in die unrichtigen Tanks einer Tankstelle einleitet, haftet er unter bestimmten Umständen auch für die Folgeschäden, so ein deutsches Gericht kürzlich.

Ein Transportunternehmer beliefert regelmäßig die Tankstelle des Klägers. Es entsprach dem „Hausgebrauch“, dass die Kraftstoffe durch die Tankwagenfahrer des Transportunternehmers auch zur Nachtzeit angeliefert werden, wenn kein Tankwart mehr vor Ort und der Tankstellenbetrieb geschlossen war. Aufgrund dieses Hausgebrauches haben die Lkw-Fahrer die Kraftstofftanks auch mit dem angelieferten Kraftstoff selbstständig befüllt.

Aufgrund eines Versehens hat der eingesetzte Lkw-Fahrer den Dieseltank mit dem Benzintank verwechselt. Die Tanks waren teilweise noch gefüllt. Durch diesen Fehler kam es zur Vermischung von Diesel- und Benzinkraftstoff. Erst am darauffolgenden Tag wurde die Tankstellenbetreiberin durch Reklamationen von Kunden der Tankstelle auf diesen Schaden aufmerksam. Die Tankstelle musste daher ihren Verkauf einstellen und die Kundschaften darüber informieren.

GEWALTIGER SCHADEN

Bis zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung wurden rund 13.000 Liter Dieselgemisch und 11.000 Liter Benzingemisch an Kunden abgegeben. In der Werkstatt der Klägerin konnte nicht mehr gearbeitet werden, da die falsch betankten Autos repariert werden mussten. Der Schaden ließ sich zum Zeitpunkt der gegenständlichen Klage noch gar nicht beziffern, sodass ein Feststellungsbegehren gestellt wurde. Aufgrund einer Hochrechnung ging die Klägerin zum Zeitpunkt der Klage davon aus, dass insgesamt 600 Kundenautos mit Kraftstoffgemisch bedankt worden seien.

STILLSCHWEIGEND VEREINBART

Die klagende Tankstellenbetreiberin hat Anspruch auf vollen Schadenersatz. Es gilt zwar allgemein, dass der Transportunternehmer zur Entladung nur dann verpflichtet ist, wenn er bei Abschluss des Vertrages ausdrücklich oder stillschweigend dazu verpflichtet wurde. Im vorliegenden Fall wurde zwar schriftlich eine derartige Entladepflicht nicht vereinbart. Es entsprach aber der ständigen Übung, dass der Transportunternehmer die Kraftstoffe selbstständig und ohne Zutun des Empfängers zu entladen hat. Damit wurde eine stillschweigende Übereinkunft getroffen, die auch ohne Schriftlichkeit Bestandteil der frachtvertraglichen Vereinbarung wurde.

KEINE KONTROLLPFLICHT

Bei derartigen Konstellationen darf sich der Tankstellenbetreiber darauf verlassen, dass der eingesetzte Lkw-Fahrer die höchste Sorgfalt bei der Entlademanipulation anwendet und ihm kein Fehler unterläuft. Nach Ansicht des Gerichts muss der Tankstellenbetreiber auch nicht bei jeder Betankung nachkontrollieren, ob der Lkw-Fahrer die Entladung ordnungsgemäß durchgeführt hat. Das Gericht hat daher auch ein Mitverschulden des Tankstellenbetreibers verneint.

SCHLUSSBEMERKUNG

Der Ausgang dieses Urteils kann natürlich nicht auf alle „Zustellvorgänge in Abwesenheit des Empfängers “ ausgeweitet werden. Hier muss immer der Einzelfall genau betrachtet werden. Bei einer längeren Geschäftsbeziehung allerdings, bei der eine derartige Übung zwischen den Vertragsparteien entstanden ist, wird im Regelfall von einer stillschweigenden Übernahme der Entladepflicht und der damit verbundenen Sorgfaltsanforderungen durch den Transportunternehmer auszugehen sein.

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Stragü 07/2017 – PDF