Stragü 10/2017, Dr. Schärmer – „Kundenschutz vereinbart“

In nahezu sämtlichen Lade- bzw. Transportaufträgen befinden sich Kundenschutzklauseln. Doch was sind diese in der gerichtlichen Praxis tatsächlich wert?

Klauseln zum Schutz des Wettbewerbs bzw. des eigenen Kundenstocks sind im Frachtgeschäft tägliche Praxis. Aber nur wenige Prozesse, gestützt auf derartige Kundenschutzklauseln, sind in der gerichtlichen Praxis von Erfolg gekrönt. Dies hängt mit sehr vielen Faktoren, nicht zuletzt mit der oft schwierigen Beweissituation, zusammen. Die Kundenschutzklauseln zielen darauf ab, dass der auftraggebende Spediteur oder Hauptfrachtführer verhindern will, dass der beauftragte Unterfrachtführer durch die Ausführung der Transportleistung in den Kundenstock des Auftraggebers eindringt und in weiterer Folge seine Frachtleistungen (meist günstiger) direkt gegenüber dem Versender oder Empfänger anbietet.

HÄUFIG VERWENDETE KLAUSELN

In Österreich werden in Ladeaufträgen Kundenschutzklauseln mit folgender Formulierung häufig verwendet: „Kundenschutz gilt als vereinbart; bei Entgegennahme oder Vermittlung von Aufträgen oder sonstiger Kontaktaufnahme mit Kunden des Auftraggebers und sämtlichen Unternehmen, die in irgendeiner Weise am Transportauftrag beteiligt sind, verfallen sämtliche Forderungen des Auftragnehmers gegen Auftraggeber. Darüber hinaus wird für die Verletzung dieser Wettbewerbs- bzw. Kundenschutzklausel eine verschuldensunabhängige, vom richterlichen Mäßigungsrecht ausgenommene, Konventionalstrafe in Höhe von 35.000,- Euro, unabhängig von der tatsächlichen Schadenshöhe, vereinbart. Ein darüber hinausgehender Schadenersatzanspruch wird davon nicht berührt.“ Diese Klausel ist extrem weit formuliert und enthält eine sehr hohe Konventionalstrafe. Sie erfasst sogar Auftraggeber des Kunden des Hauptfrachtführers/ Spediteurs. Mit diesen umfangreichen Klauseln beabsichtigt der Spediteur aber einen möglichst weitreichenden Kundenschutz zu erreichen und den Unterfrachtführer vor Wettbewerbshandlungen abzuschrecken. Im Streitfall müsste die tatsächliche Reichweite dieser (mittlerweile fast branchenüblichen) Formulierung ausgelotet werden. Eine konkrete österreichische Höchstgerichtsentscheidung dazu gibt es allerdings noch nicht.

MEINUNG DES OGH

Der oberste Gerichtshof hat sich in einer älteren Entscheidung aus 2002 (siehe OGH vom 28. Jänner 2002, 2 Ob 336/01b) bereits mit der Frage der Auslegung nachstehender Kundenschutzklausel näher befasst: „Kundenschutz gilt als vereinbart; bei Entgegennahme oder Vermittlung von Aufträgen oder sonstiger Kontaktaufnahme mit unseren Kunden verfallen sämtliche Forderungen gegen uns.“ In diesem Verfahren begehrte der Kläger die Zahlung von offenen Frachtrechnungen. Die beklagte Partei wendete ein, dass im Ladeauftrag eine Kundenschutzvereinbarung getroffen wurde und der Kläger diese verletzt habe, sodass die eingeklagten Frachtforderungen verfallen seien.

KONTAKTAUFNAHME

Der Kläger hat dazu die Auffassung vertreten, dass nach der getroffenen Vereinbarung über den Kundenschutz nur Forderungen bei Kontaktaufnahme mit dem Kunden der beklagten Partei verfallen. Vertragspartner und Kunde der beklagten Partei sei aber die S GmbH gewesen, zu der er keinen Kontakt aufgenommen habe. Eine Kontaktaufnahme mit Auftraggebern des Kunden der beklagten Partei, sohin auch mit der N GmbH und auch der L GmbH sei nicht untersagt gewesen. Die Kontaktaufnahme zu diesen Gesellschaften sei nicht aufgrund der durch die Aufträge der beklagten Partei bekannt gewordenen Informationen erfolgt, sondern seien beide Gesellschaften bereits früher Kunden des Klägers gewesen. Für die N GmbH habe er schon früher einen Transportauftrag abgewickelt. Aufgrund dieses damaligen Auftrags habe ein Mitarbeiter des Klägers unabhängig von den Aufträgen der beklagten Partei der N GmbH die Leistungen des Klägers angeboten.

KUNDENKONTAKT ABBRECHEN?

Die oben dargestellte Situation stellt die Hauptproblematik bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus Kundenschutzverletzungen dar. Der oberste Gerichtshof hat zur oben zitierten Klausel die Auffassung vertreten, dass diese zu prüfende Klausel ihrem Wortsinn nach nur die Kontaktaufnahme mit Kunden der beklagten Partei, nicht aber mit deren Auftraggebern verbietet. Da der vorgeschaltete Auftraggeber unter Umständen erst bei Durchführung des Transportauftrags bekannt wird, wäre der Kläger gezwungen gewesen, den Kontakt zu einem seiner Kunden abzubrechen. Dies sei nach OGH aus dieser Klausel nicht ableitbar (siehe dazu ausführlich: OGH 2 Ob 336/01b). Neuere Gerichtsentscheidungen des österreichischen Höchstgerichts zu derartigen Kundenschutzklauseln in Transportaufträgen/ Ladeaufträgen existieren leider nicht. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Streitwerte meist in niedrigen Streitwertbereichen angesiedelt sind, sodass in vielen Fällen die Anrufung des obersten Gerichtshofes nicht zulässig ist.

SCHUTZWÜRDIGKEIT

In allen Fällen ist immer zu prüfen, ob überhaupt die Schutzwürdigkeit des Auftraggebers aufgrund der Kundenschutzklausel gegeben ist. Andernfalls würde man dem ausführenden Transportunternehmer die Ausübung seiner Tätigkeit unverhältnismäßig stark einschränken. Grundvoraussetzung für ein Schutzbedürfnis des Auftraggebers ist immer eine gefestigte Kundenbeziehung. Davon kann man nur dann sprechen, wenn der Auftraggeber regelmäßig und mit einer entsprechend großen Anzahl von Transportaufträgen vom Kunden versorgt wird. Handelt es sich um einen Kunden, der eine Vielzahl von Transportunternehmen mit Transportaufträgen versorgt, wird man nur in wenigen Fällen von einem Schutzbedürfnis des Auftraggebers sprechen können. Nach der deutschen Rechtsprechung muss es sich auch um einen direkten Kunden des Spediteurs handeln (deutscher BGH K ZR 54/08; siehe auch ausführlich „Knorre zur deutschen Rechtslage“, Transportrecht 2013, 146). Auch bei Neukunden des Auftraggebers kann man noch von keiner schutzwürdigen gefestigten Beziehung sprechen.

VERTRAGSSTRAFE

Kundenschutzklauseln sind meist mit einer Vertragsstrafe verbunden. Vertragsstrafen sind nur dann wirksam, wenn sie auch angemessen sind. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung muss immer auf die Verletzung von schutzwürdigen Interessen geachtet werden. Eine Vertragsstrafe, die höher ist als der Monatsgewinn, kann schon als unangemessen eingestuft werden. Es sind allerdings immer die Umstände des Einzelfalls der Vertragsbeziehung zu beachten. So muss immer auch ein Unterschied zwischen einem laufenden Transportrahmenvertrag und einzelnen Ladeaufträgen gezogen werden. In einer ständigen Vertragsbeziehung zwischen Hauptfrachtführer und Unterfrachtführer wird selbstverständlich ein höherer Grad an Loyalität erwartet.

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