Stragü 08/2018, Dr. Schärmer – Verschärfte Behördenpraxis

Behördenpraxis im LSD-BG

Die Gangart in Österreich wird härter und ist die ursprünglich von den Behörden kundgemachte Schonfrist offenbar endgültig vorbei. Mandanten unserer Kanzlei werden in letzter Zeit immer häufiger mit Strafverfahren wegen Verletzung des LSD-BG im Transportbereich konfrontiert. Die Behörden verbinden meist eine Aufforderung zur Rechtfertigung im Verwaltungsstrafverfahren mit einer Fristsetzung zur Nachzahlung des zu wenig bezahlten Lohnes. In einem konkreten Fall hat die Wiener Gebietskrankenkasse als Kompetenzzentrum LSDB Strafanzeige gegen einen Transportunternehmer mit Sitz in Tschechien erstattet, weil nach ihrer Berechnung der Tatbestand der Unterentlohnungen während der Durchführung von Transporttätigkeiten in Österreich vorgelegen sei (§ 29 Abs. 1 LSD – BG). Im konkreten Fall hat die Behörde dem Transportunternehmer eine Frist gesetzt, um die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem nach dem Gesetz zustehenden Lohn, auszubezahlen. Bemerkenswert ist weiters, dass die Gebietskrankenkasse parallel  direkt an den Fahrer ein Informationsschreiben gesendet hat und diesen über die erstattete Anzeige gegen den Arbeitgeber wegen des Verdachtes einer Unterentlohnung (noch vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens) informiert. In dieser Information ist auch der Hinweis enthalten, dass der Fahrer seine zivilrechtlichen Entgeltansprüche im Sitzstaat des Arbeitsgebers oder in Österreich bei dem zuständigen Arbeits- und Sozialgericht gegen den Dienstgeber geltend machen könne.

Unterentlohnung, Strafbarkeit

  • 29 Abs. 1 LSD-BG bestimmt folgendes: Wer als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen. Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume umfassen, liegt eine einzige Verwaltungsübertretung vor. Entgeltzahlungen, die das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt übersteigen, sind auf allfällige Unterentlohnungen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum anzurechnen. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer betroffen, beträgt die Geldstrafe für jeden Arbeitnehmer 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer betroffen, für jeden Arbeitnehmer 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro. § 29 Abs. 2 LSD-BG bestimmt dazu weiters, dass die Strafbarkeit nach Abs. 1 nicht gegeben ist, wenn der Arbeitgeber die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem Arbeitnehmer nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Entgelt nachweislich geleistet hat. Dies ist auch dann der Fall, wenn vor einer Erhebung durch die Behörde die Differenz geleistet wurde.

Berechnungskontrolle erforderlich

In vielen Fällen kann es sinnvoll sein, Strafen wegen des Vorwurfs der Verletzung des LSD-BG zu bekämpfen. In einigen Fällen kann sich nämlich herausstellen, dass die Berechnung der Behörde nicht richtig ist, zumal falsche Zeiträume zu Grunde gelegt werden oder freiwillige Überzahlungen des Arbeitgebers nicht angerechnet wurden. Freiwillige Überzahlungen, die auf den Mindestlohn anzurechnen sein könnten, sind nämlich die gängige Praxis. Es ist daher möglich, dass die Behörden freiwillige Überzahlungen unrichtigerweise unberücksichtigt lassen. Es muss daher jeder Einzelfall genau geprüft und nachgerechnet werden. Vorsicht: Es gibt noch keine klarstellende Entscheidung in Österreich, die eine verbindliche Auskunft darüber gibt, ob und welche freiwilligen Überzahlungen auf den Mindestlohn tatsächlich anzurechnen sind.

Feststellungen zur Art der Transporttätigkeit erforderlich

In den betreffenden Strafverfahren muss konkret geprüft werden, auf welcher Basis die gesetzlichen Übertretungen vorgeworfen werden. Dazu gehört, dass die Behörde konkret ermittelt hat, ob der betreffende Fahrer im Rahmen eines Transitverkehrs, Kabotageverkehrs oder einer internationalen Beförderung mit Be- oder Entladung in Österreich unterwegs war. Fehlen derartige Feststellungen, liegt ein Ermittlungsfehler vor. Gerade vor dem Hintergrund der europarechtlichen Bedenken müssen derartige Fakten von der Behörde ermittelt werden.

Mögliche Verletzung des EU-Rechts

Die Europäische Kommission hat gegen Österreich bereits im April 2017 ein Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit der Anwendung des österreichischen Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes im Hinblick auf den Kraftfahrsektor eingeleitet.

Die Kommission ist der Ansicht, dass durch die österreichische Praxis der EU-Binnenmarkt unverhältnismäßig stark eingeschränkt wird. Derzeit liegt noch  keine Entscheidung zu dieser Thematik vor, weshalb vor allem bei kurzzeitigen Aufenthalten eines LKW-Fahrers in Österreich eine eingehende Überprüfung stattfinden sollte. Durch die bloß kurzzeitige Verwendung eines entsandten Mitarbeiters im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates ergibt sich offenkundig auch nach Ansicht der Kommission kein Eingriff in innerstaatlich schutzwürdige Interessen, welche eine Einschränkung der Dienstleistungs- oder Warenverkehrsfreiheit rechtfertigen würde.

Praxistipps:

-Lassen Sie die Anzeige wegen der Behauptung der Verletzung des  LSD-BG von Ihrem Anwalt überprüfen!

-Die Behörde muss konkrete Feststellungen zur Art des Transportes sowie zum Zeitraum des Aufenthaltes in Österreich während der Transporttätigkeit ermitteln, andernfalls ein Ermittlungsfehler vorliegt.

-Lassen Sie den von der Gebietskrankenkasse errechneten Differenzbetrag genau überprüfen. Hierfür sollten Sie im Steuerberater/Lohnverrechner unbedingt weiterziehen.

-Es muss überprüft werden, ob freiwillige Überzahlungen auf den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn anzurechnen sind.

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