Schritt zum papierlosen Büro: Elektronische Frachtrechnung

Die rechtlichen Voraussetzungen zur Gleichstellung der elektronischen Rechnung mit der klassischen Papierrechnung wurden bereits 2013 wesentlich vereinfacht. Während bis dahin eine elektronische Signatur zwingend erforderlich gewesen ist, genügt inzwischen jede Rechnung  im Sinne des § 11 Umsatzsteuergesetz, die ein einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird, den gesetzlichen Anforderungen. Demnach kann eine Rechnung auch per E-Mail, als E-Mail-Anhang, als Pdf- oder Textdatei, als eingescannte Papierrechnung oder als Fax-Rechnung übermittelt oder auch im Web als Download zur Verfügung gestellt werden.

Zu beachten ist dabei nicht nur, dass trotz Digitalisierung die Echtheit, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet sein muss. Vielmehr muss auch der Leistungsempfänger dieser Art der Rechnungsausstellung zustimmen.

Die Zustimmung selbst knüpft das Gesetz jedoch an keine besonderen Formvorschriften. Neben einer ausdrücklichen Zustimmung des Vertragspartners kommt daher auch eine konkludente bzw. stillschweigende sowie auch eine nachträgliche Zustimmung in Frage. Zudem ist es auch möglich, dass die Zustimmung in Form einer Rahmenvereinbarung erklärt oder über Allgemeine Geschäftsbedingungen eingeholt wird. Erklärt der Vertragspartner hierzu keinen Widerspruch und nimmt die elektronische Rechnungen entgegen, steht der elektronischen Rechnungsübermittlung nichts im Weg.

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RA Dr. Dominik Schärmer
Ing. Mag. Amra Bajraktarevic


Titelbild: Andrej Popov – stock.adobe.com

Weiterer Sieg vor dem Höchstgericht für die Kanzlei Dr. Schärmer! Elektroschrott zerstört Auflieger – Absender haftet!

Bekanntlich sind Gefahrguttransporte besonders risikoreich und unterliegen daher strengen gesetzlichen Vorschriften (ADR, Gefahrgutbeförderungsgesetzes, etc.). Die Beseitigung der Folgen von ausgetretenem Gefahrgut ist in der Praxis oft kostenintensiv. Im besten Fall reicht die Aufbringung von Ölbindemittel oder die Reinigung der Straße. Im „worst case“ kann es aber beispielsweise auch notwendig bzw. vorgeschrieben sein, kontaminiertes Erdreich auszubaggern und fachgerecht zu entsorgen, womit hohe Kosten verbunden sind. Neben den Umweltfolgen besteht auch ein Risiko für das Transportfahrzeug selbst. So wurde auch im gegenständlichen Fall der Kanzlei Dr. Schärmer der Auflieger eines von uns vertretenen Transporteurs durch die Selbstentzündung von im transportierten Elektroschrott enthaltenen Batterien massiv beschädigt. Es stellt sich dann die Frage, wer für den eingetretenen Schaden aufzukommen hat. In diesem Fall konnte die Kanzlei Dr. Schärmer wieder einmal erfolgreich tätig werden und einem Transporteur hohe Kosten ersparen.

Nach der aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 8.7.2020 treffen den Auftraggeber eines Transportes (Absender im Sinne der CMR) umfangreiche Informationspflichten, wenn er einem Transporteur gefährliche Güter im Sinne der ADR bzw. des Gefahrgutbeförderungsgesetzes übergibt. Der Auftraggeber hat den ausführenden Frachtführer gemäß Art. 22 CMR auf die genaue Art der Gefahr aufmerksam zu machen und ihm gegebenenfalls die zu ergreifenden Vorsichtsmaßnahmen anzugeben. Die Haftung bei einer Informationspflichtverletzung gemäß Art. 22 CMR ist verschuldensunabhängig und der Höhe nach unbegrenzt. Auch die angesprochenen Beseitigungskosten sind im Rahmen des Art. 22 CMR ersatzfähig, was eine Besonderheit darstellt, da im Rahmen der CMR mit einigen wenigen Ausnahmen grundsätzlich nur für die Wertminderung des transportierten Gutes gehaftet wird.

Die Kanzlei Dr. Schärmer hat zu den Informationspflichten des Auftraggebers bei Gefahrguttransporten erfolgreich eine klarstellende Entscheidung des Höchstgerichtes erwirkt. Diese zeigt, dass es sich insbesondere bei Schadenfällen im Zusammenhang mit Gefahrguttransporten lohnt, einen Experten mit der Prüfung zu beauftragen, ob die Informationspflichten des Art. 22 CMR eingehalten wurden. Den Entscheidungstext finden Sie hier: OGH vom 08.07.2020 zu 7 Ob 50/20h.

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RA Dr. Dominik Schärmer
Mag. Lukas Blaschon

Anschlussflug verweigert: Wer entschädigt?

Die Kläger planten einen Urlaub in Miami und buchten zu diesem Zweck über eine Internetplattform eine Flugreise von Wien nach Miami mit Zwischenstopp in London. Aufgrund des Codesharing-Abkommens zwischen den zwei Fluggesellschaft, die tätig werden sollten, erhielten die Kläger einen einheitlichen Buchungscode. Nachdem die Kläger ihre geplante Reise angetreten hatten, wurde ihnen, als der erste Flug verspätet in London ankam, bedauerlicherweise von der zweiten Fluggesellschaft der Anschlussflug verweigert. Dadurch waren die Kläger gezwungen, einen Ersatzflug von London nach Miami, mit welchem sie ihren Zielort mit einer mehrstündigen Verspätung erreichten, zu nutzen.

Um einen Ausgleichzahlung gemäß Art 7 EU-FluggastVO zu erlangen, stellte sich die Frage, von wem diese zu leisten ist. Geklagt wurde sodann die Fluggesellschaft, der der einheitliche Buchungscode zugewiesen war und die den ersten Flug von Wien nach London verspätet durchgeführt hat. Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass die beklagte Fluggesellschaft nicht das ausführende Flugunternehmen im Sinne der EU-FluggastVO  gewesen sei und deswegen nicht geklagt werden könne.

Das Berufungsgericht vertrat eine andere rechtliche Ansicht. Art 2 lit b EU-FluggastVO definiert, wer als ausführendes Luftfahrtunternehmen anzusehen ist. Aus mehreren Gründen kam das Berufungsgericht zu dem Schluss, dass die beklagte Fluggesellschaft als ausführendes Flugunternehmen anzusehen war. Ausschlaggebend war, dass diese den Flug betreib, die Verantwortung für die Abwicklung des Flug hatte, die Flugsteuerung übernahm, für den Flug einen ihr zugeteilten Slot nutzte und insbesondere die Flughafeneinrichtungen sowie das Boden- und Abfertigungspersonal am Flughafen beauftragte. Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass die beklagte Fluggesellschaft sowohl das vertragsschließende als auch das ausführende Flugunternehmen des Fluges mit dem zugewiesenen Buchungscode war.

Die Ausgleichszahlung bestand somit gegenüber beklagten Fluggesellschaft, die den ersten Flug tatsächlich durchführte, zu Recht, obwohl der Anschlussflug von einer anderen Fluggesellschaft verweigert wurde. Da die Kläger aufgrund der Verweigerung des Anschlussfluges nicht mehr als 4 Stunden später als geplant in Miami ankamen, wurde der Ausgleichsanspruch um die Hälfte gekürzt.

Lesen Sie alle Details zum Urteil im Entscheidungstext des Landesgericht Korneuburg.

Geschäftszahl: 22R108/20t

Entscheidungsdatum: 15.09.2020

 

Kopf

Das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag Iglseder als Vorsitzenden sowie Mag Straßl und Mag Rak in der Rechtssache der klagenden Parteien [1] S***** A***** [u.a.], alle vertreten durch Dr Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B***** Plc., vertreten durch Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 2.400,– sA, infolge Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts Schwechat vom 12.02.2020, 1 C 385/19g 16, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Der Text der Entscheidung lauter vollständig:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„[1] Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen jeweils EUR 300,– samt 4 % Zinsen seit 07.01.2019 zu zahlen.

[2] Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, den klagenden Parteien jeweils weitere EUR 300,– samt   4 % Zinsen seit 07.01.2019 zu zahlen, wird abgewiesen.

[3] Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen je ein Viertel der mit EUR 102,60 bestimmten Prozesskosten zu Handen des Klagevertreters zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien zu Handen des Klagevertreters binnen 14 Tagen je ein Viertel der mit EUR 171,– bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Entscheidungsgründe:

Die Kläger verfügten über eine bestätigte Buchung für folgende Flugverbindung:

BA 699 von Wien (VIE) nach London (LHR) am 22.12.2018, 07:50 bis 09:30 Uhr;

BA 1528/AA 0039 von London (LHR) nach Miami (MIA) am 22.12.2018, 10:35 bis 15:40 Uhr.

Tatsächlich betrugen die Flugzeiten wie folgt:

BA 699 am 22.12.2018, 08:06 Uhr 09:43 Uhr;

BA 1528/AA 0039 am 22.12.2018, 10:31 Uhr bis 15:22 Uhr.

Den Klägern wurde die Beförderung mit dem Flug BA 1528/AA 0039 verweigert. Sie wurden mit dem Flug BA 0209 mit den geplanten Flugzeiten ab LHR 22.12.2018, 14:15 Uhr und an MIA 22.12.2018, 19:10 Uhr, ersatzbefördert. Tatsächlich startete der Flug BA 0209 ab LHR am 22.12.2018, 14:29 Uhr und landete in MIA am 22.12.2018 um 19:29 Uhr.

Die Flugstrecke von Wien nach Miami beträgt nach der Großkreisberechnung mehr als 3.500 km.

Der Flug BA 699 wurde von der Beklagten durchgeführt, der Flug BA 1528/AA 0039 von American Airlines („Code-Sharing“).

Die Kläger begehrten den Zuspruch einer Ausgleichsleistung gemäß Art 5 Abs 1 lit c iVm Art 7 Abs 1 lit c der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (EU-FluggastVO) von jeweils EUR 600,– samt Zinsen. Dazu brachten sie vor, dass sie über eine Internetplattform beim Reisebüro „Elumbus Reisen“ unter dem einheitlichen Buchungscode „POEQMZ“ für alle vier Personen eine Flugreise von Wien nach Miami über London und zurück gebucht hätten. Die Beklagte habe den Zubringerflug durchgeführt. Der Ersatzflug habe ihren Zielort erst mit einer über vierstündigen Verspätung erreicht. Die Kläger hätten die Flüge in einer einheitlichen Buchung gebucht und sei die Beklagte als Partei des Beförderungsvertrages sowie als ausführendes Luftfahrtunternehmen daher passiv legitimiert.

Die Beklagte begehrte die Klagsabweisung, bestritt und wandte mangelnde Passivlegitimation ein. Dazu brachte sie vor, dass schon aus den Ausführungen der Kläger resultiere, dass die Nichtbeförderung aus einer Überbuchung resultiere. Sie habe den Flug nicht ausgeführt und die Passagiere nicht zurückgewiesen und sei daher nicht passiv legitimiert. Im Übrigen hätten die Kläger das Endziel mit einer Verspätung von unter vier Stunden erreicht, sodass eine Ausgleichszahlung nach Art 7 abs 2 lit c EU-FluggastVO zu kürzen sei.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab und verpflichtete die Kläger zum Kostenersatz. Dazu traf es die auf Seite 5 der Urteilsausfertigung ON 16 ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird. Rechtlich folgerte es, dass die Beklagte, die nicht ausführendes Flugunternehmen gewesen sei, für eine Ausgleichszahlung nach Art 5 Abs 1 lit c EU-FluggastVO nicht passiv legitimiert sei. Zwar sei der Zubringerflug verspätet in London Heathrow eingetroffen, die Kläger seien aber rechtzeitig zum Boarding für den Anschlussflug BA 1528/AA 0039 eingetroffen, weil auch andere Passagiere nach ihnen zum Boarding zugelassen worden seien. Die Verspätung des Zubringerfluges BA 699 sei daher nicht ursächlich für die verspätete Ankunft am Zielort gewesen. Der Flug BA 1528/AA 0039 sei von American Airlines durchgeführt worden. Diese hätten den Klägern das Boarding verweigert. Diese Weigerung sei nicht der Beklagten zurechenbar, sondern sei ein eigener Sachverhalt der Nichtbeförderung verwirklicht worden, weshalb die Klage mangels Passivlegitimation abzuweisen sei.

Gegen dieses Urteils richtet sich die Berufung der Kläger aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Weiters regen die Berufungswerber an, eine (näher formulierte) Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist teilweise berechtigt.

Die Berufungswerber beanstanden die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach die Beklagte nicht für die Leistung einer Ausgleichszahlung passiv legitimiert sei. Die Buchung sei unter einem einheitlichen Buchungscode über eine Internetplattform bei der Beklagten gebucht worden. Dass es sich bei den gebuchten Flügen jeweils um Flüge der Beklagten gehandelt habe, sei ausdrücklich bestätigt worden. Die Code-Sharing-Vereinbarung sei gegenüber den Klägern bei der Buchung nicht offengelegt worden. Aufgrund der einheitlichen Buchung stelle der Flug eine Gesamtheit dar. Die Beklagte habe den Flug im Rahmen eines einheitlichen Beförderungsvertrages durchgeführt und sei daher als ausführendes Unternehmen zu qualifizieren. Die Luftunternehmen könnten wechselseitig argumentieren, dass das Verschulden einer Nichtbeförderung dem jeweils anderen Unternehmen zuzurechnen sei. Im Ergebnis würde keines der Unternehmen haften und entstehe eine Rechtsschutzlücke. Konkret sei ein Grund für die Nichtbeförderung nicht offen gelegt worden. Die Kläger seien nachweislich 30 Minuten – wie von American Airlines gefordert – vor dem Abflug beim Boarding eingetroffen und dieses sei noch im Gange gewesen. Durch die EU-FluggastVO müsse die Identität des Anspruchsberechtigten leicht festzustellen sein. Eine Differenzierung, ob die Zwischenlandung innerhalb der Europäischen Union stattfinde oder nicht, sei nicht beabsichtigt, was dem Urteil des EuGH C-502/18 České aerolinie a.s. zu entnehmen sei. Auch interne Vereinbarungen zwischen den Luftfahrtunternehmen, etwa im Wege des Code-Sharings, seien für einen Ausgleichsanspruch nicht von Bedeutung. Nach dieser Entscheidung komme es auch nicht darauf an, dass das Luftfahrtunternehmen, das den Zubringerflug ausgeführt habe, selbst eine Verspätung bzw die Nichtbeförderung mit dem Anschlussflug zu verantworten habe. Es solle dem Fluggast möglichst einfach gemacht werden, seine Ansprüche durchzusetzen, sodass es sachgerecht sei, jedes ausführende Luftfahrunternehmen haften zu lassen. Den Klägern sei die Ursache, weshalb ihnen das Boarding des Anschlussfluges verweigert worden sei, nicht mitgeteilt worden, sodass ihnen die Möglichkeit genommen worden sei, den tatsächlichen Verursacher mit der notwendigen Sicherheit festzustellen. Ein Ausgleich zwischen den Flugunternehmen solle erst nach Leistung der Entschädigung im Regressweg erfolgen. Somit hätte das Erstgericht unter Anwendung der zitierten Urteile des EuGH die Beklagte nicht nur als Vertragspartner, sondern auch als ausführendes Flugunternehmen ansehen und der Klage stattgeben sollen.

Zudem sei unstrittig, dass der Zubringerflug erst mit einer Verspätung von 13 Minuten gelandet sei. Da der Grund für die Nichtbeförderung nicht in einer Überbuchung gelegen sei, könne nur die Verspätung des Zubringerfluges durch die Beklagte ursächlich für die Nichtbeförderung gewesen sein.

Das Berufungsgericht hat dazu erwogen:

Sofern die Berufungswerber davon ausgehen, dass eine Verspätung des Zubringerfluges ursächlich für die Nichtbeförderung am Anschlussflug gewesen sei, weichen sie vom festgestellten Sachverhalt ab, aus dem sich zweifelsfrei ergibt, dass sie gerade nicht deshalb zurückgewiesen worden waren, weil sie zu spät am Abfluggate erschienen waren.

Es liegt daher zweifellos ein Fall der Nichtbeförderung gemäß Art 4 EU-FluggastVO vor.

Wird Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert, so hat das ausführende Luftfahrunternehmen Ausgleichsleistungen gemäß Art 7 EU-FluggastVO zu erbringen. Art 2 lit b der VO definiert das ausführende Luftfahrtunternehmen als „ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt“. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, mit wem der Fluggast in einem Vertragsverhältnis steht, sondern wer die Beförderungsleistung tatsächlich erbringt, wer also das Betriebsunternehmen des Fluges ist. Entscheidend ist ausschließlich, welches Unternehmen den Flug betreibt, welches die Verantwortung für die Abwicklung des Fluges hat, indem es die Flugsteuerung übernimmt, für den Flug einen der ihm zugeteilten Slots nutzt und insbesondere die Flughafeneinrichtungen sowie das Boden- und Abfertigungspersonal am Flughafen beauftragt und damit am Flughafen unmittelbar die offiziellen Rahmenbedingungen für die Durchführung des Fluges vorhält. Wird ein Flug sowohl mit der Flugnummer eines bestimmten Luftfahrtunternehmens als auch unter Ausnützung der von diesem beantragten und diesem zugewiesenen Slots durchgeführt, kann nur dieses als ausführendes Unternehmen iSd Art 2 lit b der VO angesehen werden (Hopperdietzel in BeckOK Fluggastrechte-VO15 Art 2 Rz 7; AG Hamburg 12 C 23/16; LG Korneuburg 22 R 516/15b, 22 R 40/16m, 22 R 14/20v). Maßgeblich ist allein, wer ausführendes Luftfahrtunternehmen ist (bzw. bei einem annullierten Flug sein sollte) (LG Düsseldorf 22 S 234/12; LG Korneuburg 22 R 14/20v).

Im vorliegenden Fall war die Beklagte das vertragsschließende Luftfahrtunternehmen und ausführendes Flugunternehmen des Fluges BA 699.

Fest steht, dass der Flug BA 1528/AA 0039 von American Airlines durchgeführt wurde und Mitarbeiter der American Airlines den Klägern das Boarding verweigerten.

In seiner Entscheidung EuGH C-502/18 České aerolinie a.s. legte der Europäische Gerichtshof Art 5 Abs 1 lit c iVm Art 7 Abs 1 der EU-FluggastVO dahin aus, dass ein Fluggast, der bei einem aus zwei Teilflügen bestehenden Flug mit Umsteigen mit Abflug von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, Zwischenlandung auf dem Flughafen eines Drittlands und Zielflughafen in einem anderen Drittland, der Gegenstand einer einzigen Buchung war, seinen Zielort mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr erreicht, die auf den zweiten Teilflug zurückgeht, der im Rahmen einer Code-Sharing-Vereinbarung von einem Luftfahrtunternehmen mit Sitz in einem Drittland durchgeführt wurde, seine Klage auf Ausgleichszahlung nach dieser Verordnung gegen das Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft richten kann, das den ersten Flug durchgeführt hat.

Die Beklagte vermeint, dass die Entscheidung EuGH     C-502/18 nicht einschlägig sei, weil nach dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt die Zwischenlandung auf dem Flughafen eines Drittlands erfolgt sei, wohingegen im gegenständlichen Fall die Zwischenlandung im Gebiet eines (damaligen) Mitgliedstaates stattgefunden habe.

Die teils systemfremd anmutenden Ausführungen des EuGH in C-502/18, Rn 29, können systemkonform nur so verstanden werden, dass die (sich auch im Urteilstenor wiederfindende) Code-Sharing-Vereinbarung zwischen den beiden Luftfahrtunternehmen die für die Anwendung der Art 5 ff EU-FluggastVO grundsätzlich erforderliche vertragliche (wenn auch nicht unbedingt unmittelbar zwischen Fluggast und ausführendem Luftfahrtunternehmen bestehende) Grundlage (Art 2 lit b: „… im Rahmen eines Vertrags …“) auf den Anschluss- oder Zubringerflug erstreckt. Das hatte im Fall České aerolinie zur Folge, dass die dort Beklagte für einen Flug einzustehen hatte, der für sich allein betrachtet nicht in den Anwendungsbereich der EU-FluggastVO gefallen wäre. Der Schluss, dass der Umstand, dass der Anschluss- oder Zubringerflug für sich allein betrachtet nicht in den Anwendungsbereich der EU-FluggastVO fiele, eine Voraussetzung für dessen Zurechnung an die Beklagte bildete, lässt sich daraus aber nicht ableiten. Der EuGH lässt damit in der Entscheidung zu C-502/18 ein Luftfahrtunternehmen haften, das selbst keine Leistungsstörung zu verantworten hat, sodass kein Grund ersichtlich ist, die in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze nicht auch auf Fälle der Nichtbeförderung durch das den Code-Sharing-Flug ausführende Unternehmen anzuwenden.

Dass der Flug BA 1528/AA 0039 – wie von den Klägern behauptet – Gegenstand einer Code-Sharing-Vereinbarung mit der Beklagten war, hat diese nicht bestritten.

Daraus folgt im Ergebnis, dass die Kläger ihren Anspruch auf Ausgleichszahlung infolge der Nichtbeförderung mit dem Flug BA 1528/AA 0039 nach Art 4 Abs 3 iVm Art 7 Abs 1 lit c EU-FluggastVO gegen die Beklagte richten können.

Die Beklagte beruft sich auf die Kürzung des Ausgleichsanspruchs um 50 % nach Art 7 Abs 2 lit c EU-FluggastVO. Demnach kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlung um 50 % kürzen, wenn den Fluggästen gemäß Art 8 der VO eine anderweitige Beförderung zu ihrem Endziel mit einem Alternativflugangeboten wurde, dessen Ankunftszeit – wie hier (planmäßige Ankunft des Fluges BA 1528/AA 0039 in Miami am 22.12.2018 um 15:40 Uhr und  tatsächliche Ankunft mittels Ersatzbeförderung am 22.12.2018 um 19:28 Uhr) – nicht später als vier Stunden erfolgte. Der Klagsanspruch war somit um   50 % zu kürzen und jeweils mit EUR 300,– zuzusprechen; Das Mehrbegehren war abzuweisen.

Der Berufung war daher teilweise Folge zu geben.

Der Anregung der Kläger, ein Vorabentscheidungsverfahren an den EuGH einzuleiten, war nicht zu entsprechen, zumal die anzuwendenden Rechtsgrundlagen keiner weiteren Auslegung durch den EuGH bedürfen.

Die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 43 Abs 1 Fall 1 ZPO, wobei die Gerichts- gebühren im Verhältnis des Obsiegens zuzusprechen waren.

Die Kostenentscheidung des Berufungsverfahrens gründet sich auf §§ 43 Abs 1 Fall 1, 50 ZPO. Auch hier waren die Gerichtsgebühren im Verhältnis des Obsiegens zuzusprechen.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf §§ 500 Abs 2 Z 2, 502 Abs 2 ZPO.

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RA Dr. Dominik Schärmer

Verkehrsunfall im EU-Ausland – Klage in Österreich zulässig!

Fahrzeugschäden durch Verkehrsunfälle sind im hektischen täglichen Transportgeschäft nicht vollständig vermeidbar. Liegt der Unfallort im Ausland, scheuen die Geschädigten häufig auch bei eindeutigem Verschulden des bekannten Unfallgegners die Klage, da sie nicht die Mühen und oft erheblichen Kosten eines Prozesses vor einem ausländischen Gericht auf sich nehmen möchten. Die außergerichtliche Geltendmachung des Schadens über die inländische Korrespondenzversicherung ist selten zielführend. Es gibt jedoch in vielen Fällen eine Möglichkeit für den Geschädigten, in Österreich zu seinem Recht zu kommen.

Für Unfallorte in Mitgliedsstaaten der EU und des EWR haben der EuGH und ihm folgend der OGH in ihrer Rechtsprechung zu Art. 11 EuGVVO die Klage des österreichischen Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des ausländischen Unfallgegners vor einem österreichischen Gericht zugelassen. Voraussetzung dafür ist, dass der Haftpflichtversicherer seinen Sitz oder eine Niederlassung im Staat des Unfallortes hat und die Direktklage gegen den Versicherer auch nach dem Recht des Unfallortes zulässig ist. Diese Voraussetzungen sind üblicherweise auch erfüllt.

Freilich wird auch bei einem Prozess vor einem österreichischen Gericht jenes materielle Recht angewendet, welches am Unfallort gilt. Dadurch können sich beim Umfang der Haftung und bei manchen Ansprüchen Abweichungen zur österreichischen Rechtslage ergeben. Vor Einbringung einer Klage ist daher eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls geboten.

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RA Dr. Dominik Schärmer
Mag. Eva Veronika Dick

Überladung: Haftung des Beladers/Anordnungsbefugten

Wird bei einer Unterwegskontrolle die Überladung eines Fahrzeuges bzw. der einzelnen Achsen festgestellt, so erhalten grundsätzlich immer der Lenker und der Zulassungsbesitzer eine Strafe. Was in der Praxis jedoch oft vergessen wird, ist das auch der Belader/Anordnungsbefugte für solch eine Überladung haftet und daher ebenfalls bestraft werden kann.

  • 101 Abs. 1 KFG normiert, dass die Beladung von Kraftfahrzeugen und Anhängern nur dann zulässig ist, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Hierunter fällt unter anderem die Einhaltung des höchstzulässigen Gesamtgewichts, der höchstzulässigen Achslasten sowie die Summe der höchstzulässigen Gesamtgewichte eines Kraftfahrzeugs mit Anhänger, abzüglich der größeren der höchstzulässigen Sattlasten beider Fahrzeuge (§ 101 abs. 1 lit a) KFG).

Die Ladung muss somit den Gewichtsvorgaben des KFG entsprechen und sind mit der Nichteinhaltung zahlreiche Sanktionen (Verwaltungsstrafverfahren, Zwangsmaßnahmen, Nachsorgelogistik) verbunden.

Neben dem Fahrzeuglenker (§ 102 KFG) und dem Zulassungsbesitzer (§ 103 KFG) haftet jedoch auch der Belader/Anordnungsbefugte gemäß § 101 Abs 1a KFG für eine Überladung.

Unter einem „Anordnungsbefugten“ im Sinne des Abs. 1a ist eine Person zu verstehen, die damit befasst ist, die Beladung vorzunehmen und den Ablauf des Beladevorgangs zu gestalten und somit insbesondere auch die Menge des Ladegutes zu bestimmen (VwGH 85/03/0046; 87/03/0280). Als Anordnungsbefugter kommen unter anderem nachstehende Personen infrage:

  • Staplerfahrer
  • Lagerarbeiter
  • Fuhrparkleiter
  • Lagerleiter
  • Disponent etc.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass auch den Belader/Anordnungsbefugten eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für eine Überladung trifft. Somit haben auch Unternehmen, die einen Transport gar nicht selbst durchführen, sondern die Ware lediglich Verladen, ebenfalls darauf zu achten, dass keine Überladung vorliegt.

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RA Dr. Dominik Schärmer
Mag. Alexej Miskovez

Luftfrachtagent haftet als Fixkostenspediteur

Immer wieder bestreiten Luftfrachtagenten die Haftung für Transportschäden im Luftfrachtverkehr. Meist wird eingewendet, dass man nur ein Vermittlungsgeschäft zwischen dem Versender und der Airline abgeschlossen hätte. Wenn man derartige Geschäfte des Luftfrachtagenten aber genauer rechtlich unter die Lupe nimmt, muss man in den meisten Fällen zum Ergebnis kommen, dass der Luftfrachtagent als Fixkostenspediteur einzustufen ist. Gemäß § 413 Abs. 1 UGB haftet ein Spediteur, wenn er sich mit dem Versender über einen bestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt hat, wie ein Frachtführer, d. h. nach Frachtrecht. Im Regelfall organisieren Luftfahrtagenten einen Luftfrachttransport und bieten einen fixen Luftfrachtpreis an. In diesen Fällen spricht man von einer Fixkostenspedition. Im konkreten Fall hat dies dazu geführt, dass in einem Rechtsstreit die Haftung des Luftfrachtagenten nach dem Luftfahrtrecht des Montrealer Übereinkommens bejaht wurde. Die vorliegende Entscheidung des Landesgericht Korneuburg ist zwar noch nicht rechtskräftig. Wir erwarten aber auch, dass wir in der nächsten Instanz erfolgreich unsere Rechtsansicht durchbringen werden. Wir halten Sie auf dem Laufenden!

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RA Dr. Dominik Schärmer

Recht des Versicherungsmaklers: Haftung des Versicherungsmaklers nur bei erkennbaren Interessen des Auftraggebers!

Der Versicherungsmakler wird auf dem Gebiet des Versicherungswesens als Fachmann eingestuft. Er muss mit seinen Kenntnissen und seiner Erfahrung den bestmöglichen, den jeweiligen Bedürfnissen und Notwendigkeiten entsprechenden Versicherungsschutz für seinen Klienten verschaffen. Er muss ein erfolgreiches Risk-Management bei möglichst günstiger Deckung durchführen. Den Versicherungsmakler treffen auch Schutzpflichten, Sorgfaltspflichten und Beratungspflichten. Der Haftungsmaßstab des Versicherungsmaklers ist sehr streng! Die Beurteilung einer Pflichtverletzung durch den Versicherungsmakler ist aber jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der dem Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers vorzunehmen. Wenn der Makler aus den Gesprächen mit dem Klienten, trotz hoher Sorgfalt, nicht erkennen konnte, dass ein zusätzlicher Beratungsaufwand erforderlich ist, trifft ihn keine Haftung. Wenn somit keine erkennbare Nachfrage nach einem Versicherungsvertrag beim Klienten bestand, liegt auch kein Verstoß gegen eine Dokumentationspflicht vor (siehe dazu auch Oberster Gerichtshof: 7 Ob 84/20h).

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RA Dr. Dominik Schärmer

Transporteur 11/20, A. Miskovez – Behörden dürfen schlampig sein, Transportunternehmen aber nicht

Ausgangslage

Im Oktober 2018 wurde einer unserer Mandanten einer Unterwegskontrolle unterzogen. Hierbei sei festgestellt worden, dass mehrere Übertretungen gegen das GGBG begangen worden seien. Als unser Mandant in weiterer Folge die Strafverfügung erhielt, wies diese grobe Formalmängel auf, sodass unser Mandant nicht einmal den vorgeworfenen Verstoß nachvollziehen konnte. Das Verfahren zog sich über 2 Jahre und konnten wir erst letzten Monat die Einstellung des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erreichen.

Formale Voraussetzungen völlig außer Acht gelassen

Wird im Zuge eines Verwaltungsstrafverfahrens ein Straferkenntnis erlassen, so hat der Spruch gemäß §44a Abs 1 Z 1 VStG, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderem die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dieser Anforderung ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass die exakte Zuordnung des Tatverhaltens zur Vorschrift, die durch die Tat verletzt wurde, ermöglicht wird. Der Beschuldigte muss somit aus dem Spruch ableiten können, welche Tat ihm genau vorgeworfen wird.

Im gegenständlichen Fall wurde sowohl in der Strafverfügung als auch im Straferkenntnis ein Kennzeichen angeführt, das in keinem Zusammenhang mit dem Unternehmen des Beschuldigten steht. Darüber hinaus wurde auch als Zulassungsbesitzer eine völlig fremde Person angeführt, die keine Beziehung zum Beschuldigten hat. Aus diesem Grund konnte unser Mandant keineswegs nachvollziehen, wie die vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen begangen worden seien bzw. wurde unser Mandant wesentlich in seinen Verteidigungsrechten beschränkt. Auch die Informationen zum Kennzeichen und Zulassungsbesitzer in der Anzeige des Meldungslegers, wiesen Fehlermeldungen bzw. fremde Personen auf, die unser Mandant nicht kannte. Da sich unser Mandant nach Erhalt der Strafverfügung überhaupt nicht auskannte und sich nicht einmal sicher war, ob die Strafverfügung nun ihn betrifft, da ein fremder Zulassungsbesitzer und ein falsches Kennzeichen angeführt waren, rief er bei der Behörde an um nähere Auskünfte zu erhalten.

Die zuständige Behörde teilte unserem Mandanten mit, dass diese auch nicht wisse, wem das kontrollierte Fahrzeug nun zuzuordnen sei, der Mandant hingegen jedoch nichts machen könne und nach Erhalt des Straferkenntnisses Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht erheben solle.

Schließlich konnte vor dem Landesverwaltungsgericht aufgeklärt werden, dass der Behörde im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens grobe Schlampigkeiten anzulasten sind und wurde das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Aufgrund der formellen Mängel war unser Mandant nämlich daran gehindert, zu dem konkreten Tatvorwurf entsprechend Stellung zu nehmen bzw. Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

Teure Schlamperei durch die Behörden

Obwohl unser Mandant die Behörde auf ihre Fehler hingewiesen hat, wurde nichts unternommen und verwies man unseren Mandanten einfach an die nächste Instanz. Dieses Verhalten ist jedoch inakzeptabel, da unserem Mandanten durch das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht erhebliche Kosten entstanden. Somit war es der Behörde zwar völlig klar, dass im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens erhebliche Fehler und Ungenauigkeiten aufgetreten sind, dennoch übernahm diese keine Verantwortung und verursachte zusätzliche Kosten. Da unser Mandant auch über keine entsprechende Rechtsschutzversicherung verfügte, musste dieser selbst die Rechnung für ein völlig zu Unrecht und schlampig geführtes Verwaltungsstrafverfahren begleichen. Ein solches Verhalten durch die Behörde ist jedoch nicht mehr länger akzeptabel und prüfen wir bereits jetzt die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen gegen die Republik Österreich. Nur hierdurch könnte der Schaden, der unserem Mandanten durch das Vorgehen der Behörden entstanden ist, wieder gut gemacht werden.

Transporteur 11/20, A. Miskovez – Behörden dürfen schlampig sein, Transportunternehmen aber nicht

Transporteur 11/20, Dr. Schärmer – EUGH: Deutsche Maut überhöht!

Ausgangslage

Auslöser des Rechtsstreits war die Ansicht eines polnischen Transportunternehmens, der zufolge die Maut für die Benutzung deutscher Bundesautobahnen zu hoch angesetzt sei. Das polnische Transportunternehmen war unter anderem im deutschen Güterkraftverkehr tätig. Für die Benutzung deutscher Bundesautobahnen zahlte dieses Unternehmen im Zeitraum vom 1. Jänner 2010 bis zum 18. Juli 2011 Mautgebühren in Höhe von insgesamt 12.420,53 Euro an die Bundesrepublik Deutschland. Da das polnische Unternehmen diesen Betrag als überhöht erachtete, erhob dieses beim Verwaltungsgericht Köln (Deutschland) Klage auf Rückzahlung. Der Rechtsstreit schaffte es bis zum europäischen Gerichtshof und wurde dieser ersucht unter anderem zu beurteilen, ob die Kostenkalkulation, auf deren Grundlage die Mautgebühren festgesetzt wurden, unter Verstoß gegen das Unionsrecht zu überhöhten Sätzen geführt habe. Insbesondere wurde geltend gemacht, dass bei der Festsetzung der Mautgebühren, die Kosten der Verkehrspolizei berücksichtigt worden sind.

Wegekostenrichtlinie

Vom europäischen Gesetzgeber wurde am 17. Juni 1999 die Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege, durch schwere Nutzfahrzeuge erlassen. Eine europäische Richtlinie entfaltet im Gegensatz zu einer Verordnung grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung für den Einzelnen, sondern stellt vielmehr eine Vorgabe an die Mitgliedstaaten dar, die getroffenen Regelungen ins nationale Recht umzusetzen. Aus diesem Grund sind die Vorschriften der Richtlinie 1999/62/EG für die Mitgliedstaaten bindend und muss die Berechnung der Mautgebühren gemäß dieser Richtlinie erfolgen. Art. 7 Abs. 9 der Richtlinie 1999/62/EG in der geänderten Fassung sieht vor, dass Mautgebühren auf dem Grundsatz der ausschließlichen Anlastung von Infrastrukturkosten beruhen. Weiters müssen sich die Mautgebühren an den Baukosten und den Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes orientieren. Demnach dürfen die Mitgliedstaaten Mautgebühren nur unter den Bedingungen dieser Richtlinie vorsehen.

Zusammengefasst bestehen somit Vorgaben der europäischen Union, wie Mautgebühren zu berechnen sind und welche Kosten bei dieser Berechnung zu berücksichtigen sind.

Deutsche Maut überhöht

im konkreten Fall wurden bei der Berechnung der deutschen Mautgebühren unter anderem die Kosten der Verkehrspolizei berücksichtigt.

Aus dem Wortlaut der Richtlinie 1999/62/EG in der geänderten Fassung ergibt sich, dass bei der Festsetzung der Mautgebühren ausschließlich die „Infrastrukturkosten“ im Sinne des Art. 7 Abs. 9 zu berücksichtigen sind. Als solche „Infrastrukturkosten“ sind die Baukosten und die Kosten für den Betrieb, die Instandhaltung und den Ausbau des betroffenen Verkehrswegenetzes anzusehen.

Im gegenständlichen Fall ging es somit um die Frage, ob Kosten der Verkehrspolizei unter dem Begriff „Kosten für den Betrieb“ fallen. Unter diesem Begriff sind grundsätzlich die durch den Betrieb der betreffenden Infrastruktur entstehenden Kosten anzusehen.

Im Hinblick auf diese Frage führte der europäische Gerichtshof aus, dass polizeiliche Tätigkeiten in die Verantwortung des Staates fallen, der dabei hoheitliche Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur handelt. Die Kosten der Verkehrspolizei können daher nicht als „Kosten für den Betrieb“ im Sinne von Art. 7 Abs. 9 angesehen werden. Aus diesem Grund wurden von der Bundesrepublik Deutschland bei der Berechnung der Mautgebühren unzulässigerweise die Kosten der Verkehrspolizei miteinberechnet.

Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass die Kosten der Verkehrspolizei nicht in die Berechnung der Mautgebühren einfließen hätten dürfen und die deutsche Maut somit als überhöht anzusehen ist. Dieser Umstand kann verheerende Folgen für die Bundesrepublik Deutschland haben, da nun der Weg zur Rückforderung von zu viel gezahlten Mautgebühren auch anderen betroffenen Transportunternehmen offenstehen könnte. Wie hoch der, durch die überhöhte Mautfestsetzung durch die Bundesrepublik Deutschland, entstandene Schaden tatsächlich ist, wird sich erst herausstellen.

Schließlich ist auch auf die, vor dem Europäischen Gerichtshof ebenfalls aufgeworfene Frage, ob sich ein Transportunternehmer unmittelbar auf die europäische Richtlinie berufen kann, einzugehen. Wie bereits oben ausgeführt, entfaltet eine Richtlinie im Vergleich zu einer Verordnung keine unmittelbare Wirkung für den Einzelnen. Dies bedeutet das sich eine Person nicht unmittelbar auf eine Richtlinie berufen kann, da Adressat solcher Richtlinien nicht der einzelne Bürger, sondern der Mitgliedstaat ist. Somit stellt eine Richtlinie eine Verpflichtung an einen Mitgliedstaat dar, die Regelungen in das nationale Recht umzusetzen. Anders ist es jedoch dann, wenn ein Mitgliedstaat der Verpflichtung zur Umsetzung nicht nachgekommen ist oder sie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. Da die Bundesrepublik Deutschland nicht ausschließlich die Infrastrukturkosten bei der Berechnung der Mautgebühren berücksichtigt hat, ist die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Umsetzung nicht nachgekommen. Dies bedeutet nun, dass Transportunternehmen sich bei Ansprüchen auf Rückzahlung der zu viel entrichteten Maut, unmittelbar auf die Richtlinie stützen können.

Auswirkungen auf Österreich

Die Grundlage der österreichischen Wegekostenrechnung, welche wiederum die Grundlage der Mauttarifrechnungen darstellt, ist eine Studie aus dem Jahr 2003. Aktualisierungen dieser Studie, so wie dies beispielsweise in Deutschland und in der Schweiz in regelmäßigen Abständen erfolgt, fanden seitdem in Österreich nicht statt. Darüber hinaus wurden die vorgeschriebenen Grundlagen der Studie aus dem Jahr 2003, somit die Mauttarifrechnungen für die Festlegung der Mauttarifsätze, in Österreich der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht.

In Österreich könnte somit ein ähnliches Problem wie in Deutschland bestehen und könnten auch die österreichischen Mautgebühren überhöht sein. Es ist jedoch aufgrund der Unzugänglichkeit der Berechnungsgrundlagen für die Mautgebühren, nicht einmal möglich zu überprüfen, ob auch in Österreich Kosten der Verkehrspolizei in die Mautberechnung miteinfließen. Diese Geheimhaltung stellt ein erhebliches Problem für die österreichische Transportwirtschaft dar und wäre es meines Erachtens überaus notwendig, diese Berechnungsgrundlagen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nur durch die Veröffentlichung dieser Berechnungsgrundlagen wäre es möglich nachzuvollziehen, ob in Österreich tätige Transportunternehmen die vergangenen Jahre zu viel gezahlt haben.

Verfahren in Österreich bereits anhängig

Die Rechtsanwaltskanzlei Schärmer hat bereits Anfang dieses Jahres im Auftrag eines Oberösterreichischen Transportunternehmers Klage gegen den österreichischen Autobahnbetreiber eingeleitet. Auch in diesem Verfahren geht es um die mangelnde Transparenz der Berechnungsgrundlagen sowie um die Thematik, ob die Lkw-Maut überhöht ist. Da sich das Verfahren erst in der Anfangsphase befindet, kann derzeit noch keine Verfahrensprognose erstellt werden.

Zusammenfassung, Praxistipps:

–>Vom europäischen Gesetzgeber wurde am 17. Juni 1999 die Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege, durch schwere Nutzfahrzeuge erlassen.

–>Die Berechnung der Mautgebühren muss gemäß dieser Richtlinie erfolgen.

–>Aus dem Wortlaut der Richtlinie 1999/62/EG in der geänderten Fassung ergibt sich, dass bei der Festsetzung der Mautgebühren ausschließlich die „Infrastrukturkosten“ im Sinne des Art. 7 Abs. 9 zu berücksichtigen sind.

–>Als solche „Infrastrukturkosten“ sind die Baukosten und die Kosten für den Betrieb, die Instandhaltung und den Ausbau des betroffenen Verkehrswegenetzes anzusehen.

–>Unter den Begriff „Kosten für den Betrieb“ fallen grundsätzlich, die durch den Betrieb der betreffenden Infrastruktur entstehenden Kosten

–>Polizeiliche Tätigkeiten fallen in die Verantwortung des Staates, der dabei hoheitliche Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur handelt.

–>Die Kosten der Verkehrspolizei können daher nicht als „Kosten für den Betrieb“ im Sinne von Art. 7 Abs. 9 angesehen werden.

–>Da die Bundesrepublik Deutschland nicht ausschließlich die Infrastrukturkosten bei der Berechnung der Mautgebühren berücksichtigt hat, ist die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie nicht nachgekommen.

–>Dies bedeutet nun, dass Transportunternehmen sich bei Ansprüchen auf Rückzahlung der zu viel entrichteten Maut, unmittelbar auf die Richtlinie berufen können.

–>Aufgrund der Unzugänglichkeit der Berechnungsgrundlagen für die Mautgebühren in Österreich, ist es nicht einmal möglich zu überprüfen, ob auch in Österreich Kosten der Verkehrspolizei in die Mautberechnung miteinfließen.

–>Transportanwalt Schärmer hat bereits Anfang des Jahres für einen Oberösterreichischen Transportunternehmer eine Klage gegen den österreichischen Autobahnbetreiber eingebracht. Das aktuelle EuGH Urteil stützt unsere Argumentation weitreichend.

Transporteur 11/20 – PDF