Batteriesäure beschädigt neuen Auflieger: Absender haftet für fehlerhafte Verpackung.

Transportanwalt Schärmer wieder erfolgreich vor dem Obersten Gerichtshof für einen Osttiroler Frächter:

Nach Art 10 CMR haftet der Absender dem Frachtführer für die durch die mangelhafte Verpackung des Guts verursachten Schäden an Personen, am Betriebsmaterial und an anderen Gütern sowie für alle durch die mangelhafte Verpackung verursachten Kosten, es sei denn, dass der Mangel offensichtlich oder dem Frachtführer bei der Übernahme des Guts bekannt war und er diesbezüglich keine Vorbehalte gemacht hat.

Art 10 CMR erfasst alle Personen, die durch die mangelhafte Verpackung des Absenders geschädigt werden. Es ist also nicht nur die Person des Frachtführers gemeint. Geschützt sind auch alle anderen Personen, die mit den transportierten Gütern zusammenkommen.

Der Begriff Betriebsmaterial in Art 10 CMR umfasst das für den Transport notwendige Material. Keine Voraussetzung ist, dass es dem Betrieb des Hauptfrachtführers unmittelbar zugehörig sein muss. Vielmehr gehört auch das vom Unterfrachtführer für den Transport benutzte Material dazu.

Nach herrschender Rechtsansicht bedeutet schon die entstandene Verbindlichkeit einen Nachteil am Vermögen (RS0022568). Der Schaden ist daher schon durch das Entstehen der Verbindlichkeit auf Seite des Geschädigten und nicht erst durch die Erfüllung der Verbindlichkeit gegeben (RS0022568 [insb T15]).

Der Fahrer hat der ihm auferlegten Sichtprüfung entsprochen. Die Mängel an der Verpackung konnten nicht erkannt werden, sodass sie nicht offensichtlich waren. Ein Ausschluss der Haftung des Absenders nach Art 10 CMR kam daher nicht in Betracht.

Der Absender haftet daher für die Beschädigung des Aufliegers. Der Auflieger wurde durch die mangelhaften Verpackungen beschädigt, da aus den Verpackungen Batteriesäure ausgeronnen ist.

Lesen Sie alle Details zum Urteil im Entscheidungstext des Obersten Gerichtshofes.


Geschäftszahl: 7Ob178/19f
Entscheidungsdatum: 22.01.2020

Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Stolitzka & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 26.236,60 EUR sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischen- und Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Juli 2019, GZ 1 R 7/19k-25, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16. November 2018, GZ 41 Cg 82/17t-20, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Der Text der Entscheidung lautet vollständig:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Entscheidungsgründe
Die Beklagte steht aufgrund des Frachtführer- und Dienstleistungsvertrags vom 21. 10. 2013 in ständiger Geschäftsbeziehung zum Transportunternehmen S***** GmbH (in Hinkunft: Hauptfrachtführerin). Am 14. 3. 2017 beauftragte die Beklagte diese mit einem Transport von Autobatterien (Altbatterien) von I***** nach A*****. Die Hauptfrachtführerin beauftragte wiederum die Klägerin mit diesem Transport, den sie am 16./17. 3. 2017 durchführte.
Bei der Beladung in I***** waren die Batterien in dafür grundsätzlich geeigneten Paloxen (mit Deckeln verschlossene Plastikcontainer) verpackt. Drei dieser Paloxen waren jedoch beschädigt. Zwei Paloxen waren von einem Unbekannten in einer Vertiefung an der Seitenwand in der Nähe des Paloxenbodens angebohrt worden, die dritte wies einen Haarriss am Boden auf. Im Zuge der Beladung nahm der Fahrer der Klägerin eine (äußerliche) Sichtkontrolle der Paloxen vor, wobei er sie einmal umrundete. Die Schäden an den Paloxen konnten im Zuge einer äußerlichen Sichtkontrolle nicht erkannt werden. Durch austretende Batteriesäure wurde das Fahrzeug der Klägerin beschädigt.
Mit Schreiben vom 29. 9. 2017 wandte sich die Klägerin, vertreten durch den Klagevertreter, an die Hauptfrachtführerin. Sie führte aus:
„… Aufgrund der ständigen Geschäftsbeziehung mit Ihrem Unternehmen beabsichtigt meine Mandantschaft nun, nicht Ihr Unternehmen als Vertragspartnerin direkt gerichtlich in Anspruch zu nehmen – obwohl dies rechtlich einfacher wäre –, sondern die …, welche als Absenderin für die mangelhafte Verpackung verantwortlich ist. … Aus diesem Grund habe ich beiliegende Abtretungserklärung vorbereitet und ersuche … um anschließende firmenmäßige Unterfertigung dieser Erklärung sowie um Übermittlung im Original (per Post) an meine Kanzlei. Damit tritt Ihr Unternehmen die vertraglichen Ansprüche aus dem Frachtvertrag mit der … – lediglich eingeschränkt auf die Ansprüche gemäß Art 10 CMR, wonach der Absender dem Frachtführer für die Schäden aus mangelhafter Verpackung haftet – ab. Sonstige vertragliche Ansprüche können weiterhin von Ihrem Unternehmen gegen die … geltend gemacht werden. …“
Die Hauptfrachtführerin unterfertigte am 5. 10. 2017 die Abtretungserklärung, die am 18. 10. 2017 von der Klägerin angenommen wurde. Nach der Abtretungserklärung werden von der Hauptfrachtführerin sämtliche Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag vom 14. 3. 2017 resultierend aus der mangelhaften Verpackung der zur transportierenden Batterien gemäß Art 10 CMR gegen die Beklagte, unwiderruflich an die Klägerin abgetreten.
Mit der am 18. 10. 2017 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von 26.236,60 EUR netto an Reparaturkosten laut Kostenvoranschlag. Sie habe die Absicht, den Schaden reparieren zu lassen. Weiters begehrt sie die Feststellung der Haftung der Beklagten für nicht auszuschließende Folgeschäden. Nach Art 10 CMR hafte der Absender dem Frachtführer verschuldensunabhängig für Schäden aus der mangelhaften Verpackung des Guts. Die Klägerin sei zur Geltendmachung der Ansprüche aktivlegitimiert. Die Hauptfrachtführerin habe ihr den Anspruch aus Art 10 CMR abgetreten. Die Mangelhaftigkeit der Verpackung sei für den Fahrer bei der nach Art 8 CMR geforderten Überprüfung auf den äußeren Anschein nicht erkennbar gewesen. Die Klägerin habe keine Vorschriften nach dem GGBG (Gefahrengutbeförderungsgesetz) übertreten.

Die Beklagte bestreitet und beantragt die Klagsabweisung. Die Klägerin sei nicht ihre Vertragspartnerin, sondern nur Unterfrachtführerin gewesen. Sie könne sich daher der Beklagten gegenüber nicht auf die CMR berufen. Eine Abtretung von Ansprüchen aus Art 10 CMR durch die Hauptfrachtführerin sei nicht wirksam, weil diese aus dem Ereignis keinen Schaden erlitten habe. Außerdem sei die Klägerin ihrer Prüfpflicht nach Art 8 CMR nicht nachgekommen. Ihr sei bekannt gewesen, dass es sich bei der Ladung um säurehältige Bleibatterien und somit um Gefahrengut handle. Den Fahrer der Klägerin hätte daher eine besondere Prüfpflicht nach § 13 Abs 1 lit a Z 3 GGBG getroffen, die über die bei anderen Transporten bestehende hinausgehe. Gegen die Beklagte könnten daher nur deliktische Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Für ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten bestehe aber kein Anhaltspunkt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Hauptfrachtführerin wäre zwar berechtigt gewesen, die Ansprüche der Klägerin als Unterfrachtführerin im Sinn einer Drittschadensliquidation für die Klägerin gegen die Beklagte als Absenderin des Hauptfrachtvertrags geltend zu machen. Da sie aber keinen eigenen Schaden erlitten habe, könne sie der Klägerin auch keine Ansprüche gegen die Beklagte abtreten. Der Unterfrachtführer könne aus Art 10 CMR keine Ansprüche gegen den „Urversender“ (hier die Beklagte) ableiten bzw geltend machen. Für einen deliktischen Schadenersatzanspruch fehle es schon an einem ausreichenden Vorbringen der Klägerin zum Grund der Haftung der Beklagten.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin 26.236,60 EUR samt Unternehmenszinsen seit 17. 3. 2017 zu zahlen, dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannte und feststellte, dass die Beklagte der Klägerin für sämtliche Vermögensnachteile hafte, die dieser aus dem Transport von Autobatterien zwischen dem 16. 3. und 17. 3. 2017 und der dabei ausgetretenen Batteriesäure am Sattelauflieger der Klägerin erwachsen.
Art 10 CMR sehe eine verschuldensunabhängige betraglich unbegrenzte Haftung des Absenders vor. Die Ersatzpflicht des Absenders aus Art 10 CMR bestehe gegenüber dem Frachtführer. Trete der Schaden bei anderen Personen als dem Frachtführer ein, sei der Absender gemäß Art 10 CMR nur ersatzpflichtig, wenn der Frachtführer seinerseits gegenüber diesen geschädigten Personen ersatzpflichtig sei. Zumindest unter der letztgenannten Voraussetzung könne der Frachtführer Schäden Dritter aus der mangelhaften Verpackung im Wege der Drittschadensliquidation geltend machen und den Anspruch aus dem Beförderungsvertrag an den Geschädigten abtreten. Die Drittschadensliquidation durch den Frachtführer im Interesse des Unterfrachtführers sei bei Ansprüchen nach Art 10 CMR anzuwenden. Die Hauptfrachtführerin wäre daher im Wege der Drittschadensliquidation aktivlegitimiert gewesen, den vorliegenden Anspruch auf Ersatz des Schadens der Klägerin wegen mangelhafter Verpackung des Transportguts gegen die Beklagte geltend zu machen. Dieser Anspruch habe wirksam an die Klägerin abgetreten werden können. Aus der Abtretungserklärung sei auch ersichtlich, dass die Hauptfrachtführerin der Klägerin keine Interessenvertretung, sondern exakt umschriebene Ansprüche nach Art 10 CMR gegen die Beklagte abgetreten habe. Der aus der Drittschadensliquidation abgeleitete Anspruch der Hauptfrachtführerin sei daher von der Abtretungserklärung umfasst.
Gemäß Art 8 Abs 1 lit b CMR sei der Frachtführer ua verpflichtet, den äußeren Zustand der Ware und der Verpackung zu prüfen, [diese Bestimmung] stelle aber keine näheren Regeln zum Inhalt dieser Prüfungspflicht auf. Die Überprüfungsobliegenheit des Frachtführers nach Art 8 CMR ändere auch nichts an der ausdrücklichen Anordnung des Art 10 CMR, wonach die Haftung des Absenders für Schäden aufgrund mangelhafter Verpackung nur dann entfalle, wenn der Mangel offensichtlich oder dem Frachtführer bei Übergabe des Guts bekannt gewesen sei. Bei Gefahrenguttransporten werde nach § 7 GGBG dem Absender die Verantwortung für die Verpackung zugewiesen und in § 13 Abs 1a GGBG dem Beförderer insoweit nur die Pflicht zu einer Sichtprüfung auferlegt.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Drittschadensliquidation durch den Frachtführer in Fällen der Haftung des Absenders nach Art 10 CMR noch keine oberstgerichtliche Stellungnahme vorliege. Daher fehle es auch an Judikatur zur Frage, ob ein dem Frachtführer daraus allenfalls zustehender Anspruch trotz Fehlens eines von ihm selbst erlittenen Schadens der Abtretung an den Geschädigten zugänglich sei.
Gegen dieses Zwischen- und Teilurteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Der CMR unterliegen Verträge über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Guts und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist (Art 1 Abs 1 CMR). Weiters ist auf derartige entgeltliche Beförderungen – mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen – die CMR anzuwenden, sofern der vertragliche Ort der Übernahme und der vertragliche Ort der Ablieferung des Guts im Inland liegen (§ 439a UGB).

2.1 Nach Art 10 CMR haftet der Absender dem Frachtführer für die durch die mangelhafte Verpackung des Guts verursachten Schäden an Personen, am Betriebsmaterial und an anderen Gütern sowie für alle durch die mangelhafte Verpackung verursachten Kosten, es sei denn, dass der Mangel offensichtlich oder dem Frachtführer bei der Übernahme des Guts bekannt war und er diesbezüglich keine Vorbehalte gemacht hat.

2.2 Die Bestimmung normiert die Gewährhaftung des Absenders. Dieser haftet ohne Verschulden für jeden Schaden, der aufgrund mangelhafter Verpackung entstanden ist. Der Anspruch gemäß Art 10 CMR besteht nur zwischen den jeweiligen Vertragsparteien. Aktivlegitimiert ist also nur der Vertragspartner des Absenders sowie ein nachfolgender Beförderer im Sinn von Art 34 CMR, dagegen nicht ein Unterfrachtführer; dieser kann sich nur an den Hauptfrachtführer halten, der sein Absender ist. Auch passivlegitimiert ist nur der Vertragspartner des Frachtführers (vgl Csoklich in Artmann UGB3 Art 10 CMR Rz 6; Jesser-Huß in Münchener Kommentar zum HGB3 Art 10 CMR Rn 6, Reuschle in Staub HGB Großkommentar5 Art 10 CMR Rn 16, vgl auch Temme in Thume CMR3 Art 10 Rn 24). Wegen Art 41 CMR scheiden abweichende Vereinbarungen aus (Reuschle aaO Rn 17).

2.3 Art 10 CMR erfasst alle Personen, die durch die mangelhafte Verpackung des Absenders geschädigt werden. Es ist also nicht nur die Person des Frachtführers gemeint. Geschützt sind auch alle anderen Personen, die mit den transportierten Gütern zusammenkommen (vgl Temme aaO Rn 15; Thume in Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht [2000] Art 10 CMR Rn 12).

2.4.1 Zum hier interessierenden Begriff Betriebsmaterial nach Art 10 CMR besteht in der Lehre ein differenzierter Meinungsstand.

So verstehen Temme (aaO Rn 18 ff); Csoklich (aaO Rz 3); Thume (aaO Rn 14, 15) unter Betriebsmaterial Sachen des Frachtführers, die dieser zum Betrieb seines Transportunternehmens einsetzt. Das Betriebsmaterial des Frachtführers müsse aber nicht in dessen Eigentum stehen. Die Zugehörigkeit des Betriebsmaterials sei also aus wirtschaftlicher Sicht zu beurteilen. Schadenersatzansprüche des Frachtführers würden bestehen, wenn von ihm gemietetes Gerät, das also dem Vermieter gehört, aber als Betriebsmaterial einzuordnen sei, beschädigt werde. Ebenso bleibe der Frachtführer anspruchsberechtigt, wenn er Betriebsmaterial geleast oder sicherungsübereignet habe. Anspruchsberechtigt sei gemäß Art 10 allein der Frachtführer.

Nach Thume (aaO Rn 22) gelte dies nicht nur für die eigenen vom Frachtführer erlittenen Schäden, sondern auch für die Dritter. Insoweit liege ein gesetzlich geregelter Fall der Drittschadensliquidation vor.

Koller (Transportrecht9 Art 10 CMR Rn 3, 4) argumentiert, zu ersetzen seien Schäden, die der Frachtführer oder Dritte, die dem Frachtführer Gut übergeben hätten oder sonst am Transport beteiligt seien, erlitten hätten. Das Betriebsmaterial müsse nicht im Eigentum des Frachtführers stehen. Der Absender hafte für Schäden eines Dritten auch dort, wo der Dritte den Frachtführer nicht in Anspruch nehmen könne, der Frachtführer also keinen eigenen Vermögensschaden erleide, denn ein Schaden des Frachtführers im Sinn der Drittschadensliquidation müsse genügen.

Helm (Frachtrecht II CMR2 Art 10 Rn 17 f) und Reuschle (aaO Rn 19 f) meinen, dass die deutsche Übersetzung sprachlich die Bedeutung der Originaltexte durch die Einengung auf „Betriebsmaterial“ gegenüber den weiteren Begriffen des französischen, aber auch englischen Textes verenge. Die Wortfassung der CMR könne in keinem Fall dafür herangezogen werden, dass Drittschäden nicht zu ersetzen seien. Eine Drittschadensliquidation nach deutschem und österreichischem Recht sei auch sinnvoll, weil sie den Frachtführer von der sachlich unabweisbaren Notwendigkeit einer vollen Entschädigung Dritter entlaste. Nach diesen Grundsätzen seien insbesondere auch Schäden an gemietetem Betriebsmaterial und an Gütern dritter Absender zu behandeln. Danach sei es nicht erforderlich, dass der Frachtführer seinerseits dem Dritten gegenüber haftpflichtig ist. In den meisten Fällen könnten die Drittschäden auch als Kosten zu ersetzen sein. Speziell bei Materialschäden seien auch solche zu ersetzen, die nicht im Betrieb des Frachtführers, sondern etwa dem Absender oder Empfänger an von ihm benutzten Materialien entstünden. Zumindest die Haftpflicht des Frachtführers gegenüber Dritten sei auf jeden Fall Teil seines Vermögensschadens der nach Art 10 CMR zu ersetzen sei.

Jesser-Huß (aaO Rn 7) geht davon aus, dass die Haftpflicht sämtliche Personen- und Sachschäden erfasse, die der Frachtführer selbst erleide, darüber hinaus auch die Personen- und Sachschäden Dritter (zB anderer Ladungseigentümer, seiner Arbeitnehmer, des LKW-Vermieters, außenstehender Verkehrsteilnehmer), für die der Frachtführer einzustehen habe und für die er sich beim Absender gemäß Art 10 schadlos halten könne. Eine solche Haftpflicht gegenüber Drittgeschädigten sei jedoch keine notwendige Voraussetzung.

Otte (Ferrari/Kieninger/Mankowski ua Internationales Vertragsrecht3, Art 10 CMR Rn 15, 17) meint, zu ersetzen seien Personenschäden und Schäden die am Betriebsmaterial des Frachtführers entstanden seien. Außerdem seien solche Schäden zu ersetzen, die Dritte erleiden, weil sie dem Frachtführer das Beförderungsgut übergeben haben oder sonst am Transport beteiligt sind. Könne also der Dritte den Frachtführer in Anspruch nehmen, so stehe dem Frachtführer gegen den Absender ein Schadenersatzanspruch aus Art 10 CMR zu. Dem Wortlaut des Art 10 CMR zufolge hafte der Absender dem Frachtführer für Schäden eines Dritten auch dann, wenn der Dritte den Frachtführer nicht in Anspruch nehmen könne, also der Frachtführer insoweit keinen eigenen Schaden erleide. Art 10 CMR stelle einen gesetzlich geregelten Fall der Drittschadensliquidation dar.

Nach Csoklich (aaO Rn 5) besteht die Ersatzpflicht nur gegenüber dem Frachtführer. Treten die Schäden bei anderen Personen als dem Frachtführer ein (etwa an den Einrichtungen des Empfängers, Dienstnehmers des Frachtführers, bei Unterfrachtführern), sei der Absender gemäß Art 10 CMR nur ersatzpflichtig, wenn der Frachtführer seinerseits diesen geschädigten Personen gegenüber ersatzpflichtig sei. Unmittelbare Ansprüche Dritter gegen den Absender könnten allenfalls nach dem anwendbaren nationalen Recht bestehen.

Herber/Piper (CMR Internationales Straßentransportrecht [1996] Art 10 Rn 18) vertreten, dass der Absender für Schäden des Frachtführers hafte, nicht für Schäden Dritter. Deshalb komme für Schäden Dritter auch eine Drittschadensliquidation auf der Grundlage des Art 10 CMR nicht in Betracht. Allerdings seien dem Frachtführer außer den Schäden an seinem Betriebsmaterial auch alle Vermögensschäden zu ersetzen, also auch solche, die ihm durch Inanspruchnahme durch Dritte entstehen, dies setze aber voraus, dass er selbst dem Dritten hafte.

Boesche (in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn HGB3 Art 10 CMR Rn 3) geht davon aus, dass der Absender dem Frachtführer für Personenschäden und Schäden an Betriebsmitteln und anderen Waren hafte. Die Haftung erfasse Schäden, die dem Frachtführer unmittelbar entstehen und Schäden Dritter, für die der Frachtführer in Anspruch genommen werden könne, insoweit auch von Verkehrsteilnehmern außerhalb des Transportverhältnisses. Dafür, dass im Rahmen der vertraglichen Haftung des Art 10 CMR eine Haftung für Schäden Dritter geschaffen werden sollte, die keinen Rückgriffanspruch gegen den Frachtführer hätten, bestehe kein Anhaltspunkt.

2.4.2 Ausgehend davon hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

In der Lehre herrscht Übereinstimmung darüber, dass es sich beim Betriebsmaterial nach Art 10 CMR grundsätzlich um jenes Material handelt, das zur Durchführung des Transports eingesetzt wird, wobei dieses aber nicht im Eigentum des Frachtführers stehen muss. Der einschränkenden Auslegung eines Teils der Lehre, dass Art 10 CMR bloß Betriebsmaterial zu unterstellen ist, das wirtschaftlich – durch Miete, Leasing oder Sicherheitsübereignung – dem Betrieb des Frachtführers zugehörig sein muss, kann nicht geteilt werden. Ebenso wenig wie Personenschäden auf eine körperliche Schädigung des Frachtführers beschränkt sind, enthält der Wortlaut des Art 10 CMR weder in der deutschen, noch in der englischen oder französischen Übersetzung diese Einschränkung. Gerade im Transportwesen führt der Frachtführer die Beförderung oftmals nicht selbst durch, sondern beauftragt einen Unterfrachtführer. Damit sind es üblicherweise nicht die Sachen des Hauptfrachtführers, sondern die des Unterfrachtführers, die der Gefahr der Beschädigung durch eine mangelhafte Verpackung ausgesetzt sind. Im Verhältnis zum Absender macht es aber keinen Unterschied, ob der Hauptfrachtführer für den Transport seinem Unternehmen durch Miete zugehörige, aber im Eigentum Dritter stehende Betriebsmittel einsetzt oder ob er sich eines Unterfrachtführers bedient, dessen Betriebsmittel für den Transport verwendet werden, sodass hier eine Differenzierung auch nicht geboten ist. Da die von einem Teil der Lehre vertretene Einschränkung – wie ausgeführt – dem Art 10 CMR gerade nicht zu entnehmen ist, kann die Bestimmung auch nur dahin verstanden werden, dass es sich unabhängig von einer eigentlichen wirtschaftlichen Zuordnung zum Betrieb des Hauptfrachtführers auch bei dem für den Transport notwendigerweise eingesetzten Material des – vom Hauptfrachtführer beauftragten – Unterfrachtführers um Betriebsmaterial im Sinn des Art 10 CMR handelt. Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass der Begriff Betriebsmaterial in Art 10 CMR das für den Transport notwendige Material umfasst. Keine Voraussetzung ist, dass es dem Betrieb des Hauptfrachtführers unmittelbar zugehörig sein muss. Vielmehr gehört auch das vom Unterfrachtführer für den Transport benutzte Material dazu.

2.5.1 Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob Art 10 CMR – wie ebenfalls von einem Teil der Lehre vertreten – eine gesetzliche Drittschadensliquidation regelt und somit auch Schäden Dritter erfasst, für die der Frachtführer nicht in Anspruch genommen werden kann oder ob ein eigener Schaden Anspruchsvoraussetzung ist. Übereinstimmung besteht nämlich in der Lehre jedenfalls auch darüber, dass jedenfalls Schäden, für die der Frachtführer Dritten haftet, als Teil seines Vermögensschadens vom Absender nach Art 10 CMR zu ersetzen sind. Das heißt, treten Schäden am Betriebsmaterial anderer Personen (hier der Klägerin) als dem Frachtführer (hier der Hauptfrachtführerin) ein, ist der Absender (hier die Beklagte) gemäß Art 10 CMR dem Frachtführer gegenüber jedenfalls ersatzpflichtig, wenn dieser seinerseits gegenüber der geschädigten Person haftet.

2.5.2 Hier trat ein Schaden am Betriebsmaterial der Unterfrachtführerin (Klägerin) ein. Die Hauptfrachtführerin ist ihr gegenüber unzweifelhaft ersatzpflichtig nach Art 10 CMR.

2.5.3 Nach herrschender Rechtsansicht bedeutet schon die entstandene Verbindlichkeit einen Nachteil am Vermögen (RS0022568). Der Schaden ist daher schon durch das Entstehen der Verbindlichkeit auf Seite des Geschädigten und nicht erst durch die Erfüllung der Verbindlichkeit gegeben (RS0022568 [insb T15]). Die Klägerin machte mit Schreiben vom 27. 7. 2017 ihren Schaden der Hauptfrachtführerin gegenüber geltend, indem sie – zu dessen Liquidierung – von der Hauptfrachtführerin die Abtretung ihres Anspruchs nach Art 10 CMR verlangte. Die Verbindlichkeit der Hauptfrachtführerin gegenüber der Klägerin entstand somit spätestens mit dieser Aufforderung zur Abtretung.

2.5.4 Der wiederum daraus resultierende Ersatzanspruch der Hauptfrachtführerin gegenüber der Beklagten stellt ihren eigenen Vermögensschaden nach Art 10 CMR dar, der ohne weiteres der Klägerin wirksam abgetreten werden konnte. Eines Eingehens auf weitere Fragen zur Drittschadensliquidation bedarf es daher nicht.

3.1 Die Beklagte meint weiters, dass der Fahrer durch die bloße Umrundung der Container seiner Verpflichtung nach § 13 Abs 1a Z 3 Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBG) nicht nachgekommen sei. Bei einer „eingehenderen“ Sichtkontrolle wäre der Mangel an der Verpackung bemerkt worden. Aufgrund der damit vorliegenden Offensichtlichkeit scheide eine Haftung der Beklagten nach Art 10 CMR aus.

3.2 Nach Art 10 CMR haftet der Absender nicht, wenn der Mangel offensichtlich oder dem Frachtführer bei der Übernahme des Guts bekannt war und er diesbezüglich keine Vorbehalte gemacht hat. Diese Regelung steht im Zusammenhang mit Art 8 CMR, der dem Frachtführer eine Reihe von Überprüfungspflichten auferlegt. Dazu gehört gemäß Art 8 Abs 1 lit b CMR auch die Überprüfung des äußeren Zustands des Guts und seiner Verpackung (Temme aaO Rn 35, Teutsch in Thume Kommentar CMR3 Art 8 Rn 12, 15).

3.3 Die Haftung nach Art 10 CMR ist demnach ausgeschlossen, wenn der Mangel offensichtlich, also evident bzw bereits mit geringster Sorgfalt zu entdecken war (5 Ob 138/07sTemme aaO Rn 36 f) oder wenn der Verpackungsmangel dem Frachtführer bei Durchführung seiner ihm obliegenden Prüfung des äußeren Zustands der Verpackung hätte auffallen müssen (Thume aaO Rn 24). Offensichtlich ist ein Verpackungsmangel auch dann, wenn er bei oberflächlicher Besichtigung des Guts ohne Weiteres ins Auge fällt (Otte aaO Rn 11).

3.4 Das Gefahrgutbeförderungsgesetz ist auf die Beförderung gefährlicher Güter anzuwenden. Abgesehen davon, dass § 13 Abs 1a Z 3 GGBG ebenfalls eine Sichtprüfung – sohin eine optische Kontrolle – vorsieht, haben straßenpolizeiliche Vorschriften keinen Einfluss auf die Haftung nach dem Vertragsverhältnis und der CMR (vgl RS0129457).

3.5 Der Fahrer führte im Zuge der Beladung des Anhängers eine (äußerliche) Sichtkontrolle der Paloxen in der Weise durch, dass er jede Paloxe einmal umrundete, um den Zustand von außen einer Blickkontrolle zu unterziehen, wobei die Mängel der Paloxen aber nicht erkannt werden konnten. Bei welcher „eingehenderen“ Sichtkontrolle die Mängel aufgefallen wären, konkretisiert die Beklagte überdies selbst nicht.

Zutreffend gingen daher die Vorinstanzen davon aus, dass der Fahrer der ihm auferlegten Sichtprüfung entsprochen hat, dabei die Mängel aber nicht erkannt werden konnten, sodass sie nicht offensichtlich waren. Ein Ausschluss der Haftung des Absenders nach Art 10 CMR kommt daher nicht in Betracht.

4. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO.

 

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RA Dr. Dominik Schärmer
Mag. Amra Bajraktarevic

 

 

Verbesserung der Regressquote gegen polnische Frachtführer!

Nach der aktuellen Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) ist eine Direktklage gegen den polnischen CMR-Versicherer eines polnischen Frachtführers zulässig. Oft ist der polnische Frachtführer zahlungsunfähig, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Mit der neuen Rechtslage kann dieses Problem dadurch entschärft werden, dass neben dem Frachtführer auch der CMR-Versicherer geklagt wird.

Der deutsche Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 29.5.2019 entschieden, dass Direktklagen gegen den Verkehrshaftungsversicherer eines Frachtführers vom Anwendungsbereich der CMR erfasst sind. Dementsprechend können derartige Direktklageansprüche – sofern solche nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht existieren (zum Beispiel nach polnischem Recht existiert eine derartige Möglichkeit) – mit dem Anspruch gegen den Frachtführer selbst verbunden und an den Gerichtsständen der CMR (Sitz des beklagten Frachtführers, Übernahme- und Ablieferort) eingeklagt werden. Hierdurch erhöht sich die Chance der Einbringlichmachung von Forderungen, dies bei gleichzeitig minimalem Mehraufwand an Kosten.

Transportanwalt Schärmer hat diese Möglichkeit kürzlich in mehreren Fällen schon eingeschlagen und Klagen gegen polnische Frachtführer und gleichzeitig gegen deren polnische CMR-Versicherer eingeleitet. Es ist davon auszugehen, dass auch die österreichischen Gerichte der deutschen Rechtsauffassung folgen werden. Lesen Sie mehr im Artikel auf wirtschaftsanwaelte.at.

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Mag. Lukas Blaschon
RA Dr. Dominik Schärmer

 

 

„Ausflaggen“ – rechtsmissbräuchlich? EUGH prüft!

In einem aktuellen EUGH-Verfahren (Aktenzeichen C-610/18) soll geklärt werden, wer Arbeitgeber von LKW-Fahrern ist und wo diese angestellt werden müssen.

Grund für den gegenständlichen Rechtsstreit ist eine Entscheidung des Verwaltungsrats der niederländischen Sozialversicherungsanstalt (RSVB). In dieser Entscheidung stellte die RSVB fest, dass Fahrer einer in Zypern gegründeten Gesellschaft (AFMB), die durch Verträge mit niederländischen Unternehmen diesen zur Verfügung gestellt werden, nicht den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften Zyperns, sondern jenen der Niederlande unterliegen. Der EuGH soll nun die Frage klären, wer Arbeitgeber der Fahrer ist: die in den Niederlanden ansässigen Transportunternehmen oder die zypriotische Gesellschaft.

Vertragsbezeichnung als Arbeitgeber lediglich ein Anhaltspunkt

In seinen Schlussanträgen vom 26.11.2019 teilt der Generalanwalt die Auffassung, dass Arbeitgeber von abhängig beschäftigten Lastkraftwagenfahrern im internationalen Straßentransport jenes Transportunternehmen ist, das sie auf unbestimmte Zeit eingestellt hat, eine tatsächliche Weisungsbefugnis gegenüber ihnen ausübt und faktisch die Gehaltskosten zu tragen hat. Gemäß der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist der Sitz des Arbeitgebers ein Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts. Der Begriff „Arbeitgeber“ ist durch das Unionsrecht jedoch nicht definiert. Die Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit weist zur Ermittlung des Sinns und der Bedeutung dieses Begriffs auch nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten. Der Generalanwalt stellte fest, dass die Vertragsbeziehung, nach der der AFMB formal betrachtet „Arbeitgeber“ der Fahrer wäre, lediglich einen Anhaltspunkt liefert, die Bestimmung des tatsächlichen Arbeitgebers jedoch einigen Voraussetzungen bedarf. Als Arbeitgeber von Lastkraftwagenfahrern im internationalen Straßentransport ist nämlich das Transportunternehmen anzusehen, das den Fahrer eingestellt hat, dem der Fahrer tatsächlich auf unbestimmte Zeit uneingeschränkt zur Verfügung steht, das eine tatsächliche Weisungsbefugnis gegenüber dem Fahrer ausübt und das faktisch die Gehaltskosten zu tragen hat. Das bloße Vorliegen eines Arbeitsvertrages mit der zypriotischen Gesellschaft, in dem diese als Arbeitgeber bezeichnet wird, reicht daher nicht für die tatsächliche Qualifizierung als Arbeitgeber aus.

Keine Entsendung

Weiters macht der Generalanwalt deutlich, dass es sich auch nicht um eine sogenannte „Entsendung“ handelt. Bei einer „Entsendung“ ist der Arbeitnehmer zwar in einem anderen Staat tätig, unterliegt jedoch den Vorschriften des Entsendestaates. Der Generalanwalt führte aus, dass die zypriotische Gesellschaft den in den Niederlanden ansässigen Unternehmen, Arbeitnehmer lediglich auf unbestimmte Zeit „zur Verfügung gestellt“ hat. Weiters beschränkte sich die Rolle der zypriotischen Gesellschaft lediglich auf die Zahlung der Löhne und Sozialbeiträge an die zyprische Behörde.

Rechtsmissbräuchliches Ausflaggen

Schließlich führte der Generalanwalt aus, dass die zypriotische Gesellschaft die Arbeitgebereigenschaft durch eine ausgeklügelte Konstruktion des Privatrechts erlangt hat. Die niederländischen Vertragspartner haben jedoch die tatsächliche Kontrolle gegenüber den Arbeitnehmern ausgeübt, was normalerweise unter die Befugnisse des Arbeitgebers im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses fällt. Die Berufung auf die Grundfreiheiten des Binnenmarkts, um sich in Zypern niederzulassen und von dort aus Dienstleistungen an niederländische Unternehmen zu erbringen, führt zu einer Verschlechterung des Sozialversicherungsschutzes der Fahrer, während die niederländischen Unternehmen daraus offenbar Vorteile bei den Gehaltskosten gezogen haben. Der Generalanwalt kommt somit zum Entschluss, dass ein Rechtsmissbrauch vorliege, der es AFMB verbietet, sich auf ihre angebliche Arbeitgebereigenschaft zu berufen, um beim RSVB zu beantragen, die zyprischen Rechtsvorschriften für auf die betroffenen Fahrer anwendbar zu erklären.

EUGH-Entscheidung abwarten, Auswirkungen

Zur Rolle des Generalanwaltes: Der Generalanwalt hat die Aufgabe einen Vorschlag für ein Urteil in der Form von begründeten Schlussanträgen zu stellen. Er setzt sich dabei mit der bisherigen Rechtsprechung des EuGH in ähnlichen Fällen auseinander und verwendet diese für die Beurteilung des vorliegenden Falls. Der EuGH ist an diese Vorschläge nicht gebunden, faktisch folgt er jedoch in den überwiegenden Fällen den Vorschlägen des Generalanwalts. Es bleibt somit die Entscheidung des EuGH abzuwarten. Folgt der EuGH der Rechtsmeinung des Generalanwaltes sind sehr viele „Ausflaggungen“ als rechtsmissbräuchlich einzustufen.

 

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RA Dr. Dominik Schärmer
Alexej Miskovez


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Transport mit geöffneten/aufgeklappten Hecktüren ist nicht mehr zulässig

Diese Frage sorgte in den vergangenen Monaten in Deutschland für Ungewissheit und Verwirrung, da Transporte von Waren mit Überlänge, mit einem gewöhnlichen Planen- bzw. Kofferauflieger nur durch das Öffnen/Aufklappen der Hecktüren zu bewerkstelligen sind. Es kam vermehrt zu Anhaltungen und Bestrafungen von Transporten mit geöffneten/aufgeklappten Hecktüren, trotz Vorliegen einer geltenden Ausnahmegenehmigung für den Ladungsüberhang gemäß § 46 dStVO. Ein brandaktuelles Schreiben des deutschen Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. liefert nun Antworten.

Grund für die Unzulässigkeit des Fahrens mit geöffneten/aufgeklappten Hecktüren sind die Bau- und Betriebsvorschriften des Fahrzeuges. Ein gewöhnlicher Planen- bzw. Kofferauflieger ist nicht zum Betrieb mit offenen Hecktüren geprüft und amtlich nicht genehmigt. Mit offenen/eingeklappten Hecktüren überschreitet das Fahrzeug in der Regel die zulässige Fahrzeugbreite von 2,55 m. Weiters ist die Aufbaustabilität nach DIN EN 12642 in der Regel nicht mehr sichergestellt, da die geschlossenen Hecktüren einen großen Einfluss auf die Gesamtstabilität des Fahrzeuges haben und bei der Ladungssicherung eine wichtige Rolle spielen. Schließlich verdecken die offenen Hecktüren die Konturmarkierungen des Fahrzeuges.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Grund für die Unzulässigkeit des Transports mit geöffneten Hecktüren, der in weiterer Folge die Grundlage für die Verhängung einer Verwaltungsstrafe bildet, die fehlende amtliche Prüfung und Genehmigung eines Fahrzeuges zum Betrieb mit offenen Hecktüren ist. Auch eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 dStVO für einen entsprechenden Ladungsüberhang nach hinten beinhaltet keine Genehmigung für geöffnete/umgeklappte Heckportaltüren. Transporte mit einem Überhang können in Deutschland daher mit einem „normalen“ Sattelanhänger nicht durchgeführt werden. Vielmehr müssen hierfür teleskopierbare Sattelanhänger oder Sattelanhänger, die am Heck anstelle von Heckportaltüren nur über eine Plane verfügen die bei Bedarf hochgerollt werden kann, eingesetzt werden.

Das Rundschreiben des BGL bezieht sich ausschließlich auf Transporte, die auf deutschen Straßen durchgeführt werden.

 

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Flüchtlingsangriff stellt unabwendbares Ereignis dar

Übergriffe auf LKWs auf den europäischen Straßen durch Flüchtlinge nehmen weiterhin zu. In einem brandaktuellen Fall ging es um die Frage ob der Frachtführer für den, durch Flüchtlinge verursachten, Schaden an der Transportware haftet, oder ob dies als unabwendbares Ereignis iSd Art 17 Abs 2 4. Fall CMR zu qualifizieren ist und den Frachtführer somit von der Haftung befreit.

Ausgangslage

Unser Mandant wurde mit einem Transport von Österreich nach Großbritannien beauftragt. Als Transportfahrzeug wurde ein Planensattelzug vereinbart. Als Transportroute wurde die gewöhnliche Route über den Grenzübergang Calais gewählt. Auf dem Autobahnabschnitt, der kurz vor Calais liegt, kam es dann zu Schwierigkeiten, weil die Fahrbahn mit brennenden Reifen und Holz blockiert wurde. Dies stellte augenscheinlich einen Versuch von Flüchtlingen dar, Transportfahrzeuge, welche diese Route am Weg nach Großbritannien befahren, zum Anhalten zu bewegen. Aufgrund der sich auf der Fahrbahn befindlichen Hindernisse konnte auch der LKW-Fahrer die Fahrt nicht mit gehabter Geschwindigkeit fortsetzen, sondern musste das Fahrzeug abbremsen bzw. kurz anhalten. Bei dem besagten Verlangsamen oder Anhalten des Fahrzeuges kam es dazu, dass Flüchtlinge gewaltsam den Laderaum des Fahrzeugs öffneten und bestiegen. Aufgrund der turbulenten, lärmenden, teils auch gefährlichen und jedenfalls sehr beängstigenden Situation fiel es dem Lenker zunächst nicht auf, dass Flüchtlinge auf die Ladefläche gelangt waren. Als kurz vor dem Eurotunnel bei einer Kontrolle bemerkt wurde, dass sich Flüchtlinge im Auflieger befanden, war die Ware bereits beschädigt und unbrauchbar.

Gegen den Schadenersatzanspruch des Auftraggebers, bezüglich des entstandenen Warenschadens, setzten wir uns zur Wehr und konnten diesen erfolgreich abwehren. 

Warenschaden durch einen Flüchtlingsangriff, stellt ein unabwendbares Ereignis dar

Gemäß Art 17 Abs 1 CMR haftet der Frachtführer unter anderem für die Beschädigung des Gutes, sofern diese zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Da die Beschädigung der Transportware im gegenständlichen Fall in diesem Zeitraum stattfand, kam grundsätzlich eine Haftung des Frachtführers in Frage.

Der Frachtführer ist jedoch von dieser Haftung befreit, wenn die Beschädigung durch Umstände verursacht worden ist, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte (Art 17 Abs 2 4. Fall CMR).

Der Frachtführer wird von der Haftung dann befreit, wenn die Beschädigung auf einem unabwendbaren Ereignis beruht, es also dem Frachtführer auch durch Anwendung äußerster, nach den Umständen des Falles möglicher und vernünftigerweise zumutbarer Sorgfalt nicht möglich war, den Schadenseintritt zu verhindern.

Eine Haftungsbefreiung ist nur dann denkbar, wenn der Frachtführer – unter Beachtung der frachtvertraglichen Vereinbarungen – alle gebotenen technisch und organisatorisch in Betracht kommenden Sicherheitsmaßnahmen getroffen hat, wie

–        Verwendung technischer Sicherungssysteme,

–        möglichste Vermeidung von Zwischenstopps, insbesondere bei erhöhter Diebstahlsgefahr,

–        sorgfältige Routenplanung und Ansteuern geeigneter Parkplätze

In diesem Sinne hat es sich im vorliegenden Fall um ein unabwendbares Ereignis für den Frachtführer gehandelt.

Der Frachtführer hat angesichts der bekannten Gefährlichkeit der Route sorgfältig die in Betracht kommenden und zumutbaren Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt.

Die LKWs durften nur auf gesicherten Parkplätzen halten. Darüber hinaus standen der Frachtführer und sein Auftraggeber bereits in längerer Geschäftsbeziehung, weshalb der Auftraggeber auch die übliche Vorgehensweise des Frachtführers kannte. Wenn der Frachtführer eine bestimmte Route wählen hätte sollen, hätte ihm dies der Auftraggeber ausdrücklich sagen müssen. Vom Frachtführer kann nicht verlangt werden, dass dieser ohne dahingehenden Auftrag eine teurere und langsamere Route wählt, da dies wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Zudem hätte dieser bei einer anderen Route die vereinbarten Lieferzeiten nicht einhalten können. Aus diesen Gründen stellte die gewählte Route eine angemessene Maßnahme dar.

Es kann dem Frachtführer auch nicht vorgeworfen werden, dass er nicht ein teureres Kofferfahrzeug verwendet hat, da im Transportvertrag ein Planenfahrzeug vereinbart war. Darüber hinaus hat der Frachtführer einen Hinweis in seiner Signatur und Auftragsbestätigung angeführt, um auf die Gefährlichkeit und die Möglichkeit eines Kofferfahrzeuges hinzuweisen. Durch diesen ausdrücklichen Hinweis und die Empfehlung der Verwendung eines Kofferfahrzeuges hat der Frachtführer seiner dahingehenden Verpflichtung genüge getan. Dem Frachtführer war die Fahrzeugwahl daher nicht vorzuwerfen.

Weiters hat der Frachtführer angesichts der durchgeführten Sicherheitsmaßnahmen auch für die Verwendung des Planenfahrzeuges die äußerst mögliche Sorgfalt aufgewendet. Darüber hinaus sicherte der Frachtführer das gewählte Fahrzeug durch schnittsichere Seitenwände, ein Schloss und eine Zollschnur ab. Eine mangelnde Sicherung kann dem Frachtführer daher ebenfalls nicht angelastet werden.

Es gab insgesamt neben den erfolgten Sicherungsmaßnahmen keine möglichen und zumutbaren weiteren Maßnahmen für den Frachtführer, um den eingetretenen Fall zu verhindern. Der Frachtführer hat somit auch in Bezug auf die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen die äußerst zumutbare Sorgfalt aufgewendet. Es lag daher ein unabwendbares Ereignis iSd Art 17 Abs 2 4. Fall CMR vor, das den Frachtführer von der Haftung befreit.

Zusammenfassung

–        dem Frachtführer ist die Fahrzeugwahl nicht anzulasten, da der Einsatz eines Planenfahrzeugs vereinbart war

–        Der LKW machte seine Pausen auf bewachten Parkplätzen

–        Die Routenwahl ist dem Frachtführer ebenfalls nicht anzulasten, da die Vertragsparteien in längerer Geschäftsbeziehung standen und deshalb nicht erwartet werden konnte, dass der Frachtführer ohne entsprechenden Auftrag eine teurere und längere route wählt

–        Das Fahrzeug wurde mit allen möglichen Mitteln gegen Übergriffe Dritter gesichert

–        Insgesamt hat der Frachtführer in Bezug auf die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen die äußerst zumutbare Sorgfalt aufgewendet und ist deshalb von der Haftung befreit

Praxistipps

–        Vertraglich vereinbaren welche Art von Fahrzeug eingesetzt wird

–        Die Route im Vorfeld mit dem Auftraggeber abstimmen

–        Den Auftraggeber über mögliche Gefahren aufklären

–        Dem Auftraggeber zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen gegen einen Aufpreis anbieten

–        Das Fahrzeug den Umständen der Vereinbarung entsprechend, möglichst gut sicher

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Fahrerkarte darf stecken gelassen werden

Aus dem Text der VO 3821/85 bzw. VO 165/2014 geht nicht eindeutig hervor, ob bei Fahrzeugen mit digitalem Kontrollgerät die Fahrerkarte nach der täglichen Arbeitszeit bzw. während der wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug gesteckt bleiben kann oder aus dem Kontrollgerät entnommen werden muss. Die Antwort auf diese Frage lässt sich in einem Erlass des BMVIT finden.

Ausgangslage

In der Praxis wird nach dem Ende des Arbeitstages oder am Wochenende die Fahrerkarte oft im Kontrollgerät gelassen. Dies ist vor allem dann üblich, wenn ein Fahrzeug immer vom selben Fahrer benutzt wird. In einem solchen Fall stellt sich nun die Frage, ob bei Fahrzeugen mit digitalem Kontrollgerät die Fahrerkarte nach Ende der täglichen Arbeitszeit bzw. während der wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug gesteckt bleiben kann oder aus dem Kontrollgerät entnommen werden muss. In der VO3821/85 ist in Art. 15 Abs. 2 bezüglich einer Fahrerkarte nicht geregelt. In der VO 165/2014 ist die Fahrerkarte zwar von der bisherigen Regelung mit umfasst, eine Verpflichtung zur Entnahme der Fahrerkarte fehlt aber auch hier.

Fahrerkarte darf unter bestimmten Bedingungen stecken gelassen werden

Nach § 102a Abs. 3a hat der Inhaber einer Fahrerkarte diese sorgfältig zu verwahren, sodass die Karte nicht von einer anderen Person missbräuchlich verwendet werden kann. Jeder Fahrer ist daher für seine Fahrerkarte verantwortlich.

Das BMVIT kommt daher zum Ergebnis dass die Fahrerkarte unter folgenden Voraussetzungen im Kontrollgerät gesteckt bleiben darf:

–        der Fahrer stellt sicher, dass keine anderen Personen Zugang zum Kraftfahrzeug und zu der Fahrerkarte hat

–        der Fahrer stellt sicher, dass bei Kontrollgeräten, die nicht automatisch bei „Zündung aus“ auf Ruhezeit umstellen, das „Ruhezeitsymbol“ am Kontrollgerät ausgewählt wird

Wird demnach ein Fahrzeug beispielsweise bis zum nächsten Einsatz des Fahrers, zur Wartung in eine Werkstatt gestellt, so ist die Voraussetzung, dass keine anderen Personen Zugang zum Kraftfahrzeug und zu der Fahrerkarte haben, nicht mehr erfüllt. In diesem Fall wäre ein Steckenlassen der Fahrerkarte unzulässig.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Fahrerkarte, unter Einhaltung der vorstehenden Bedingungen am Ende des Arbeitstages oder am Wochenende nicht aus dem Kontrollgerät entnommen werden muss. Wie die gegenständlichen Verordnungen in anderen Mitgliedstaaten ausgelegt werden ist jedoch unklar. Der Erlass des BMVIT gibt jedenfalls nur über die Situation in Österreich Auskunft.

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Nacht-60er: Verfassungsgerichtshof sieht keine Rechtswidrigkeit

Im Juni 2018 erhielt einer unserer Mandanten eine Strafverfügung, da er mit seinem LKW nachts die höchstzulässige Geschwindigkeit von 60 km/h überschritten hatte. Gegen diese Strafverfügung erhoben wir Einspruch, dennoch erging im Oktober 2018 ein Straferkenntnis, in dem unserem Mandanten eine Strafe aufgetragen wurde. Gegen dieses Straferkenntnis erhoben wir Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol, welches in seinem Erkenntnis im Jänner 2019 die Strafe nicht aufhob. Daraufhin wurde eine Beschwerde beim VfGH eingebracht. Der VfGH lehnte allerdings die Behandlung der Beschwerde ab. Der VfGH stütze dabei auf eine Entscheidung aus dem Jahre 1993. In der Entscheidung aus dem Jahre 1993 wurde die Zulässigkeit des Nacht-60ers ebenfalls bejaht, da die Vermeidung von Störungen durch Lärm zum Staatsziel erklärt wurde, und der Nacht-60er dazu dient, dieses Ziel zu verwirklichen. Seit 1993 gab es jedoch viele Innovationen im Bereich der Technik.

Einführung des Nacht-60ers in den 80er Jahren

Bereits in einer Verordnung aus dem Jahre 1989 wurde auf bestimmten Autobahnen Tempolimit 60 km/h für LKWs in den Nachtstunden eingeführt. Am 1.1.1995 trat die Bestimmung des § 42 Abs. 8 StVO in Kraft. Demnach durften LKWs mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t in der Zeit von 22:00 Uhr bis 5:00 Uhr nicht schneller als 60 km/h fahren. Ziel dieser Bestimmung war der Schutz der Bevölkerung vor Lärmemissionen. Seit Inkrafttreten der Norm sind jedoch 24 Jahre vergangen, in denen sowohl im Bereich der Nutzfahrzeug-Technik als auch im Bereich des Straßenbaus und der Lärmschutzarchitektur enorme Fortschritte erzielt wurden.

Bessere Lärmschutzmaßnahmen

Seit dem Jahr 1995 haben sich die Lärmemissionen eines LKWs drastisch verringert. Die heutige Bereifung ist um ein Mehrfaches leiser als jene aus dem Jahr 1995, es gab mehr Innovationen in Hinblick auf lärmarme Motoren in den letzten 24 Jahren, als in allen Jahren davor und im Vergleich zum Jahr 1995 wird heute lärmmindernder Asphalt verlegt, der enorm zur Lärmminimierung beiträgt. Darüber hinaus haben bauliche Lärmschutzmaßnahmen gehörig zugenommen und wurden auch Chassis und Führerhaus der LKWs insgesamt in den letzten Jahren vor allem durch Verwendung und Verbauung hochwertiger, Lärm reduzierender Materialien immer weiter optimiert, sodass das nach außen dringende Motorgeräusch wesentlich minimiert wurde. Eine Untersuchung des Umweltbundesamts vor bereits 5 Jahren hat ergeben, dass eine Erhöhung der Geschwindigkeit von 60 km/h auf 80 km/h während der Nachtstunden zu einer nur geringfügigen Erhöhung des Lärmpegels führen würde. Weiters könne man zur Erreichung eines niedrigeren Lärmpegels während der Nachtstunden das Tempolimit für PKWs auf 110 km/h herunter setzen, denn bei einem Verhältnis von 110 km/h (Pkw) zu 80 km/h (LKW) entsteht gleich viel Lärm, wie bei einem Verhältnis von 130 km/h (Pkw) zu 60 km/h (LKW). Die vom Pkw ausgehenden Lärmemissionen, die nicht viel geringer sind als jene eines LKWs, scheinen dem Gesetzgeber jedoch nicht wichtig zu sein.

Weniger Unfälle bei 80 km/h

Die Verringerung der Lärmemissionen durch den Nacht-60er wird zudem mit einer erheblichen Gefährdung der Verkehrssicherheit „erkauft“. Zum einen ist das Fahren über weite Strecken mit einer Geschwindigkeit von maximal 60 km/h monoton und ermüdend, sodass es aufgrund ermüdungsbedingter Konzentrationsmängel vermehrt zu Unfällen kommt. Zum anderen ergibt sich beim Vergleich der PKW-Geschwindigkeit von 140 km/h und der LKW-Geschwindigkeit von 60 km/h eine Differenz von 80 km/h. Dieser enorme Geschwindigkeitsunterschied stellt eine erhebliche Gefahr für sich annähernde PKWs, deren Lenker – gerade bei den in der Nacht üblicherweise schlechteren Sichtverhältnissen – unter Umständen nicht rasch genug reagieren können, um rechtzeitig abzubremsen. Ein vom Kuratorium für Verkehrssicherheit erstelltes Gutachten zeigt deutlich, dass mit der Aufhebung des Nacht-60ers, eine signifikante Senkung der Unfallrate erzielt werden kann. Dies würde auch aufgrund der geringeren Geschwindigkeitsdifferenz, zu einem verbesserten Verkehrsfluss und damit verbundener Reduzierung von bekanntlich besonders unfallträchtigen Überholmanövern führen. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis aus dem Jahre 2011 bereits ausgesprochen, dass die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen unterschiedlichen Fahrzeugen den Verkehrsfluss beeinträchtigt und damit die Verkehrssicherheit gefährdet. Die Aufhebung des Nacht-60ers würde somit auch zu einer erhöhten Verkehrssicherheit und Reduktion der Unfallanzahl beitragen.

Emissionsreduktion

Als der Nacht-60er im Jahre 1995 eingeführt wurde, waren Motoren der Klasse Euro I die neuesten LKW-Motoren auf dem Markt. Heutzutage sind aber Euro VI Motoren die neueste Innovation und sind die Emissionswerte dieser neuen Motoren, keinesfalls mit denen aus dem Jahre 1995 zu vergleichen. Laut einer Studie des ICCT, stoßen Dieselautos mit Euro 6 Motoren mehr als doppelt so viele Milligramm Stickoxide pro Kilometer aus, als Euro 6 LKWs. Insgesamt sind PKWs, wenn man ihr geringes Gewicht im Vergleich zu jenem von LKWs betrachtet, um einiges umweltschädlicher als LKWs. In neuen LKWs macht der Katalysator bereits ein Siebtel des Kaufpreises aus und stellt somit einen der teuersten und technisch komplexesten Bestandteile des LKWs dar. Weiters würde auch die Aufhebung des Nacht-60ers zu einer Minimierung des Schadstoffausstoßes führen. LKWs sind auf eine Fahrtgeschwindigkeit von 80 km/h optimiert, was bedeutet, dass die Schadstoffbelastung der Umwelt bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h wesentlich höher ist. Die marginale Reduktion der Lärmemissionen führt daher im Gegenzug zu einer deutlichen Erhöhung der Schadstoffemissionen, die zudem viel längerfristige Auswirkungen, wie die Anreicherung von Luftschadstoffen in der Atmosphäre, Gesundheitsschäden durch Feinstaubpartikel, etc. haben. Aus dem Blickwinkel der möglichsten Reduzierung des Schadstoffausstoßes, welche jedenfalls zu den Zielen der Gesetzgebung im Bereich Umwelt und Verkehr zählt, ist der Nacht-60er jedenfalls kontraproduktiv und nicht geeignet. Genau aus diesem Grund haben wir es für notwendig erachtet, den Nacht-60er vor dem Verfassungsgerichtshof auf den Prüfstand zu stellen.

Entscheidung berücksichtigt nicht den Stand der Technik

Betrachtet man den heutigen Stand der Technik, so ist es umso unverständlicher, weshalb das Höchstgericht auf eine Entscheidung stützt, die den Stand der Technik aus dem Jahre 1993 berücksichtigt. Die Argumente der Verkehrssicherheit und Emissionsreduktion blieben unbeachtet. Die Entscheidung des VfGH bedeutet nun, dass vorerst keine Änderungen hinsichtlich des Nacht-60ers seitens der Rechtsprechung zu erwarten sind. Die einzige Hoffnung liegt daher nun beim Gesetzgeber. Die Tatsache, dass die Aufhebung des Nacht-60ers zu weniger Unfällen und zu einer sauberen Umwelt führen würde, darf nicht weiter außer Acht gelassen werden.

Zusammenfassung:

  • Der Nacht-60er wurde von uns bis zum Höchstgericht auf den Prüfstand der Rechtsprechung gestellt.
  • Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der Beschwerde aber in letzter Instanz mit der Begründung abgelehnt, dass es dazu bereits eine Entscheidung aus dem Jahr 1993 gibt.
  • Aus unserer Sicht ist dieses zu akzeptierende Ergebnis bedauerlich, zumal sich die Bedingungen seit dem Jahr 1993 grundlegend geändert haben.
  • Da der Rechtsweg zur Bekämpfung des Nacht-60er leider nicht den erwarteten Erfolg gebracht hat und damit der Instanzenzug ausgeschöpft wurde, bleibt die Hoffnung, dass zumindest der Gesetzgeber möglichst bald eine Änderung der Rechtslage herbeiführt.
  • Nähere Informationen zur Entscheidung: Verfassungsgerichtshof E 770/2019-5 vom 11. Juni 2019

 

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Top News zum Transportrecht: Ihre Hotelrechnung bitte?! – Nicht zulässig, sagt die EU-Kommission

Die Rechtslage nach dem Urteil des EuGH zur Lenk- und Ruhezeitenverordnung

Im Dezember 2017 hat der EuGH klargestellt, dass Lkw-Fahrer die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden – anders als die reduzierte wöchentliche Ruhezeit von 24 Stunden – nicht im Fahrzeug verbringen dürfen. Aufgrund dieser Entscheidung hat sich in den EU-Mitgliedstaaten bedauerlicherweise eine rege Strafenpraxis entwickelt. Dabei schießen die Behörden nicht selten über das Ziel hinaus. Leidtragende dieser rechtswidrigen Praxis sind schlussendlich LKW-Fahrer und Transportunternehmer. Zu diesem Missstand gibt es nun endlich eine klarstellende Absage der EU-Kommission.
Umsetzung in den Mitgliedsstaaten
Auf der Grundlage des erwähnten EuGH-Urteils kam es in den Mitgliedsstaaten zunächst zu verstärkten Polizeikontrollen von Lkw-Parkplätzen an Wochenenden. Dabei „auf frischer Tat ertappte“ Fahrer erhielten Verwaltungsstrafen. Dies genügte manchen Behörden offenbar noch nicht: sie verlangten sogar bei normalen Straßenkontrollen während der Lenkzeit einen Nachweis, dass der Fahrer die letzte regelmäßige wöchentliche Ruhezeit in einer Unterkunft verbracht hatte, etwa durch Vorlage einer Hotelrechnung für das vergangene Wochenende. Konnte er diesen nicht liefern, so wurde er für einen Verstoß gegen das Verbot bestraft. Was aber, wenn der Fahrer am Wochenende vor der Kontrolle zu Hause war oder sonst eine Übernachtungsmöglichkeit hatte, für die er nichts bezahlen musste? Auch in solchen Fällen wurden – trotz rechtmäßigen Verhaltens des Fahrers!– nach dieser Behördenpraxis Strafen verhängt.
EU-Kommission: keine Strafbarkeit bei Straßenkontrollen!
Die EU-Kommission hat nun klargestellt, dass kein Fahrer verpflichtet ist, Hotelrechnungen oder sonstige Dokumente als Beweismittel mit sich zu führen und bei einer Kontrolle vorzuweisen. Eine Strafbarkeit ist nämlich nur dann gegeben, wenn der Fahrer vom Kontrollorgan beim Verbringen der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug angetroffen wird. In allen übrigen Fällen hat die Bestrafung keine gesetzliche Grundlage und ist daher unzulässig. Nach Ansicht der Kommission zählt Art 36 der „Tachografen-Verordnung“ abschließend auf, welche Dokumente der Fahrer mit sich führen und jederzeit bei Kontrollen vorlegen können muss. Beweismittel für die Einhaltung der Ruhezeit außerhalb des Fahrzeugs sind darin nicht genannt, daher muss der Fahrer sie auch nicht mitführen und darf für ihr Fehlen nicht bestraft werden.
Erhält Ihr Fahrer eine Verwaltungsstrafe für einen Verstoß gegen das Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug zu verbringen, so sollten Sie genau prüfen, wann und unter welchen Umständen die Kontrolle stattgefunden hat. Falls der Fahrer nicht während seiner Ruhezeit vom Kontrollorgan im Fahrzeug angetroffen wurde, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Bestrafung unzulässig ist und wirksam bekämpft werden kann. Ob rechtswidrig verhängte und bereits bezahlte Geldstrafen erfolgreich zurückgefordert werden können, ist im Einzelfall zu prüfen und hängt von der Rechtslage im betreffenden Mitgliedsstaat ab.

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RA Dr. Dominik Schärmer
Mag. Eva Veronika Dick

Digitacho-Pflicht nun auch bei selbstfahrenden Arbeitsmaschinen?

Danach sieht es nun zumindest für gewisse selbstfahrende Arbeitsmaschinen, nach einem brandneuen Urteil des VwGH (Ra 2018/02/0338), aus. Demzufolge müssen nun auch beim Lenken bestimmter selbstfahrender Arbeitsmaschinen, die Lenk- und Ruhezeiten eingehalten werden.

„untergeordnete Güterbeförderung“ – Abgrenzung zur selbstfahrenden Arbeitsmaschine

Ausschlaggebend für die Beurteilung, ob der Lenker einer selbstfahrenden Arbeitsmaschine die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten einhalten muss, ist die Verordnung (EG) Nr. 561/2006. Durch diese Verordnung wurden Vorschriften zu den Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten für Kraftfahrer im Straßengüter- und Personenverkehr festgelegt, um die Bedingungen für den Wettbewerb zwischen Landverkehrsträgern, insbesondere im Straßenverkehrsgewerbe, anzugleichen und die Arbeitsbedingungen sowie die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern.

Für die Beurteilung, ob eine selbstfahrende Arbeitsmaschine ein Fahrzeug im Sinne der Verordnung darstellt und somit in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, ist Art. 4, lit. b) näher zu betrachten. Dieser lautet wie folgt:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Fahrzeug“ ein Kraftfahrzeug, eine Zugmaschine, einen Anhänger oder Sattelanhänger oder eine Kombination dieser Fahrzeuge gemäß den nachstehenden Definitionen:

—„Kraftfahrzeug“: jedes auf der Straße verkehrende Fahrzeug mit Eigenantrieb, das normalerweise zur Personen- oder Güterbeförderung verwendet wird, mit Ausnahme von dauerhaft auf Schienen verkehrenden Fahrzeugen;“….

Eine „klassische“ selbstfahrende Arbeitsmaschine scheidet daher grundsätzlich von der Anwendbarkeit dieser Verordnung aus, da diese weder zur Güterbeförderung noch zur Personenbeförderung verwendet wird. Dies ist etwa der Fall bei Kraftfahrzeugen, die als selbstfahrende Arbeitsmaschine zugelassen sind, da diese („normalerweise“) keine Güter befördern oder befördern können.

Anders ist es hingegen bei selbstfahrenden Arbeitsmaschinen die mit einer Ladefläche oder einem Tank ausgestattet sind, einen Anhänger ziehen, oder in einer sonstigen Weise der Güterbeförderung dienen. Demnach ist also festzustellen, ob das Fahrzeug der Güterbeförderung dient. Einen Problemfall stellen hierbei insbesondere sogenannte Saug-Druck-Tankfahrzeuge und Kranwägen mit Anhänger dar.

Saug-Druck-Tankfahrzeuge

Ein Saug-Druck-Tankfahrzeug fällt unter die Qualifikation „selbstfahrende Arbeitsmaschine“. Jedoch ist zu beachten, dass ein solches Fahrzeug mit einem Tank ausgestattet ist, in dem Güter befördert werden. Somit fällt ein Saug-Drucktankmotorfahrzeug nach Art. 2 der Verordnung in deren Anwendungsbereich, da ein solches Fahrzeug (sowohl der Motorwagen, als auch der Anhänger) eine Güterbeförderung, deren zulässige Höchstmasse 3,5 t übersteigt, darstellt. Als Güter gemäß den Bestimmungen des GütbefG gelten körperliche, bewegliche Sachen, auch dann, wenn sie keinen Verkehrswert mehr haben.

In der Praxis stellt die Beförderung von Flüssigkeiten im Tank der selbstfahrenden Arbeitsmaschine nicht die Haupttätigkeit des Lenkers dar. Vielmehr besteht die Haupttätigkeit der Maschinisten in der Wartung von Anlagen, dem Bedienen der Maschinen sowie der Reinigung von Anlagen sowie Kanälen. Lediglich das dabei aufgenommene Material wird dann zur Entsorgung befördert.

Aus der neuesten Entscheidung des VwGH (Ra 2018/02/0338) vom 11.2.2019 ergibt sich allerdings, dass es nicht mehr auf die ausschließliche, überwiegende oder untergeordnete Güterbeförderung ankommen soll. Somit stellt auch eine selbstfahrende Arbeitsmaschine, insbesondere ein Saug-Druck-Tankfahrzeug, eine der Güterbeförderung dienende Fahrzeugkombination dar, selbst wenn die Güterbeförderung lediglich untergeordnet ist.  In diesem Punkt nimmt die Entscheidung wesentlichen Einfluss auf die bis dato gelebte Praxis.

Tank zur Beförderung von Gütern ist entscheidend

Somit sind Fahrten mit Fahrzeugen, die aufgrund ihrer Bauart weder der Personen- noch der Güterbeförderung dienen können, von der oben genannten Verordnung ausgenommen. Das Vorhandensein des Tanks auf der selbstfahrenden Arbeitsmaschine stellt jedoch das entscheidende Faktum dar. Ohne diesen Tank wäre das Saug-Druck-Tankfahrzeug eine „klassische“ selbstfahrende Arbeitsmaschine, auf der jedenfalls keine Güter befördert werden und wäre somit vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen. Da Saug-Druck-Tankfahrzeuge aber sowohl Elemente einer selbstfahrenden Arbeitsmaschine, als auch eines der Güterbeförderung dienenden Fahrzeuges aufweisen, fällt dieses – auf Grund der aktuellen Ansicht des VwGH – unter die oben genannte Verordnung, selbst wenn, wie bereits erwähnt, die Güterbeförderung nur untergeordnet ist.

Auch das Ziehen einer reinen Anhänger-Arbeitsmaschine bei Überschreiten der Gewichtsgrenze von 3,5 t hzG zieht keine Kontrollgerätpflicht nach sich, wenn mit der Arbeitsmaschine keine Güter befördert werden können. Sobald aber ein Tank zur Beförderung auf dem Motorwagen oder dem Anhänger vorhanden ist, dient eine solche Fahrzeugkombination der Güterbeförderung.

Kranwägen

Auch Kranwägen können unter Umständen in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. In Der Entscheidung des VwGH (Ra 2018/02/0338) ging es gerade um ein Kranfahrzeug mit Anhänger. Das Gericht stelle hier fest, dass es gerade nicht auf die ausschließliche, überwiegende oder untergeordnete Güterbeförderung ankommt, sodass eine selbstfahrende Arbeitsmaschine im Sinn des § 2 Z 21 KFG, die einen Anhänger zur Güterbeförderung zieht, nach dem klaren Wortlaut der genannten Verordnung eine der Güterbeförderung dienende Fahrzeugkombination darstellt. Da der Anhänger der Güterbeförderung dient, fällt die Fahrzeugkombination in den Anwendungsbereich der Verordnung, auch wenn die Güterbeförderung lediglich untergeordnet ist, denn auch hier besteht die Haupttätigkeit des Maschinisten darin, den Kran zu bedienen. Anders wäre es der Fall, wenn kein Anhänger gezogen wird, da das Zugfahrzeug lediglich die Maschine selbst darstellt und auf diesem Fahrzeug somit keine anderen Güter als die Maschine selbst befördert werden können. Die Ausnahme greift daher nun in dann, wenn „die Maschine ausschließlich sich selbst befördert“.

Eintragung im Zulassungsschein nach EuGH nicht bindend

§ 2 Abs. 1 Z. 21 KFG definiert eine selbstfahrende Arbeitsmaschine, als ein Kraftfahrzeug, das nach seiner Bauart und Ausrüstung ausschließlich oder vorwiegend zur Durchführung von nicht in der Beförderung von Personen oder Gütern auf Straßen bestehenden Arbeitsvorgängen bestimmt ist.

Der Geltungsbereich der Verordnung stellt hingegen nicht auf die Definition des KFG ab.  Damit fällt ein Fahrzeug, das als selbstfahrende Arbeitsmaschine nach § 2 Abs 1 Z 21 KFG zugelassen/typisiert ist, nicht automatisch aus der Verordnung heraus; ansonsten wären als selbstfahrende Arbeitsmaschinen zugelassene Fahrzeuge allein aufgrund deren Zulassung vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen.  Der EuGH hält diese Auslegung allerdings für unrichtig.

Wie der EuGH in seinem Urteil vom 13. März 2014, A. Karuse AS, C-222/12, ausführt, ist dieser an die Angaben in der Zulassungsbescheinigung nicht gebunden (VwGH Ra 2018/02/0338). Diese Entscheidung ist dahingehend zu interpretieren, dass es letztendlich nicht auf die Zulassungsbescheinigung und die damit einhergehende Klassifizierung des Fahrzeuges als selbstfahrende Arbeitsmaschine ankommt, sondern vielmehr darauf, ob das Fahrzeug nun der Güterbeförderung dient oder nicht.

Sonstige Ausnahmebereiche

Artikel 3 der VO (EG) 561/2006 als auch zahlreiche nationale Vorschriften enthalten einige Ausnahmen, auf welche diese Verordnung nicht anzuwenden ist. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob eine selbstfahrende Arbeitsmaschine in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, bzw. ob eine der Ausnahmen greift.

Zusammenfassung

Zusammenfassend bedeutet dies, dass eine selbstfahrende Arbeitsmaschine auch dann in den Anwendungsbereich der Verordnung VO (EG) 561/2006 fällt, wenn es der Güterbeförderung auch nur untergeordnet dient, obwohl dieses als selbstfahrende Arbeitsmaschine zugelassen ist.

Da die Beurteilung ob ein bestimmtes Fahrzeug in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt oder eine der zahlreichen Ausnahmen greift sich in der Praxis als einzelfallbezogen und schwierig erweist, sind wir Ihnen auch bei dieser Frage gerne behilflich.

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Vorsicht: Konzessions-Entziehungsverfahren bei rund 13 Strafen!

Laufend werden Verfahren zur Entziehung der Güterbeförderungs-Konzession auch bei relativ wenig und geringfügigen Strafen eingeleitet. Erst kürzlich hatten wir wieder einen Fall, bei dem die Behörde die Entziehung der Güterbeförderungs-Konzession bei 13 (durchwegs geringfügigen) Strafen des Geschäftsführers eingeleitet hat.

Begründend führte die Behörde aus, dass mehrere gravierende Verwaltungsübertretungen (gegen das KFG, StVO, Bundesstatistikgesetz etc.) vorlägen, insbesondere ein durch den handelsrechtlichen Geschäftsführer begangenes Alkoholdelikt (Lenken des Fahrzeuges im durch Alkohol beeinträchtigten Zustand). Die Zuverlässigkeit des handelsrechtlichen Geschäftsführers sei demnach nicht mehr gegeben.

„Ende gut, alles gut“:
Wir haben den Entziehungsbescheid mit Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht glücklicherweise erfolgreich bekämpfen können. Im kürzlich ergangenen Urteil des Landesverwaltungsgerichts führt das Gericht letztendlich zusammengefasst aus, dass die einzelnen Verwaltungsübertretungen im vorliegenden Einzelfall tatsächlich als geringfügig anzusehen waren, da meist nur Mindeststrafen bzw. Strafen im unteren Rahmen verhängt wurden. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung führte dazu, dass die Entziehung zum Glück nicht gerechtfertigt war. Auch das Alkoholdelikt lag 5 Jahre zurück und hat sich der Geschäftsführer seither wohlverhalten.

Als Fazit ist festzuhalten, dass im Falle eines Konzessionsentzuges meist umgehende Maßnahmen im Unternehmen bzw. in der Unternehmensstruktur gesetzt werden müssen und jedenfalls die Frist für die Beschwerde gegen den Bescheid (4 Wochen ab Zustellung) zu beachten ist. Wenn Sie einen Entziehungsbescheid erhalten, sollten Sie sich sofort an uns wenden. Wir beurteilen die Erfolgschancen. Würden wir zu einer negativen Prognose kommen, müssen alternative Maßnahmen angedacht werden.

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RA Mag. Martina Landauer