Stragü 02/2018, Dr. Schärmer – Folgen der Fahrerverbannung

Das EuGH-Urteil, das Fahrern die Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Lkw untersagt, hat Auswirkungen u.a. auf den Versicherungsschutz.

Die Entscheidung des EuGH vom 20. Dezember 2017 kam in Fachkreisen nicht besonders überraschend, da sich dieses Ergebnis bereits aus der Auslegung des Artikels 8 Abs. 6 und 8 Verordnung EG 561/2006 ergibt. Art. 8 Abs. 8 erwähnt nämlich ausdrücklich nur die täglichen Ruhezeiten und die reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten. Daraus ist abzuleiten, dass ein Fahrer die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nicht im Fahrzeug verbringen darf. Mit „regelmäßige wöchentliche Ruhezeit“ ist eine Ruhepause von mindestens 45 Stunden gemeint und mit „reduzierte wöchentliche Ruhezeit“ eine Ruhepause von weniger als 45 Stunden, die vorbehaltlich der Bedingungen des Artikels 8 Abs. 6 auf eine Mindestzeit von 24 aufeinander folgenden Stunden reduziert werden kann.

BESSERE ARBEITSBEDINGUNGEN?

Mit dieser Auslegung sollen die Ziele dieser Verordnung im Sinne einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer und der Straßenverkehrssicherheit verfolgt werden. Dabei übersieht man offenbar, dass die heute verwendeten Fahrzeuge, insbesondere aufgrund ihrer Raumgröße und ihrer Ausstattung, oftmals besser ausgestattet sind, als ein kleines Zimmer in einer Pension oder einem heruntergekommenen Motel in einem Industriegebiet nahe der Autobahn. Faktum ist, dass die Lkw-Fahrer die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nicht im Fahrzeug verbringen dürfen. Aufgrund des Unionsrechts sind die Mitgliedstaaten angehalten, für Verstöße gegen diese Verordnung Sanktionen vorzusehen und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um deren Durchführung zu gewährleisten. Diese Sanktionen sollen wirksam, verhältnismäßig, abschreckend und nicht diskriminierend sein. Das seit Dezember 2017 veröffentlichte Urteil wird dafür sorgen, dass es mehr Kontrollen und Bestrafungen, im Falle der Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug, geben wird.

PARKEN VS. VERSICHERUNGSSCHUTZ

Die Frachtführerhaftungsversicherungen (CMR-Versicherungen) enthalten die Vorgaben an den Versicherungsnehmer (Obliegenheiten), dafür Sorge zu tragen, dass beladene Lkw nicht unbewacht bzw. nicht unbeaufsichtigt abgestellt werden. Da der Lkw-Fahrer seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nicht im Fahrzeug verbringen darf und es in Europa keine ausreichende Anzahl an bewachten Parkplätzen gibt, befindet sich der Transportunternehmer zwangsläufig in einem Spannungsfeld zwischen den gesetzlichen Vorgaben und den Pflichten aus dem Versicherungsvertrag.

Er „kann sich daher aussuchen“, ob er lieber eine Strafe aufgrund der Verletzung der Sozialvorschriften kassieren oder andererseits lieber den Versicherungsschutz im Falle eines Diebstahls von Frachtgütern auf einer Raststätte riskieren will. Eine andere Art der Disposition (wie in den achtziger Jahren), bei der die Fahrzeuge am Wochenende immer zum Hauptsitz des Transporteurs zurückkehren, wird in einigen Fällen aufgrund des harten Wettbewerbs und der Art des Frachtgeschäfts ebenfalls schwer fallen. Die ausschließliche Verwendung von bewachten Abstellplätzen ist zurzeit ebenfalls praxisfremd und unrealistisch. Das tägliche Bild auf Europas Autobahnen zeigt, dass nicht einmal eine ausreichende Anzahl an (normalen unbewachten) Lkw-Parkplätzen zur Verfügung steht, geschweige denn an bewachten Abstellmöglichkeiten.

FAZIT

Ein Gespräch mit dem Versicherer zu diesem Thema sollte daher auf Ihrer Prioritätsliste ganz oben stehen. Ebenso muss überlegt werden, wie man ab sofort, insbesondere mit teuren Ladungen umgeht. Das EuGH-Urteil bringt zwar keine Neuigkeiten in der Rechtslage, jedoch zwingt dieses Urteil zu dringenden Veränderungen in der täglichen Transportpraxis. Der EuGH hat nur klargestellt, was ohnehin schon seit langer Zeit aus dem Text der Verordnung hervorgegangen ist. Das Problem ist allerdings, dass sich über viele Jahre hinweg eine rechtswidrige Praxis eingebürgert hat, die bis vor kurzem von den Behörden der Mitgliedstaaten nicht sanktioniert wurde. Dies wird sich durch das EuGH-Urteil allerdings in Zukunft schlagartig ändern.

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