Stragü 11/2018, Dr. Schärmer – Verfolgung LKW-Fahrer durch Staatsanwaltschaft

Anklage wegen Beweismittelfälschung

Ein Fernfahrer und dessen Arbeitgeber (ein Niederösterreicher Transportunternehmer) wandten sich an unsere Kanzlei mit einem Strafantrag der Staatsanwaltschaft. Es handelte sich nicht um ein gewöhnliches Verfahren einer Verwaltungsstrafbehörde. Die Staatsanwaltschaft legte dem Fernfahrer zur Last, dass er ein verfälschtes Beweismittel in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren verwendet hätte, indem er im Zuge einer Fahrzeugkontrolle der Landesverkehrsabteilung, eine Fahrerkarte mit an diesem Tag manipulierten Aufzeichnungen von Lenk- und Ruhezeiten vorgelegt habe. Die Staatsanwaltschaft behauptete, dass der Fernfahrer dadurch das Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs. 2 StGB begangen habe und beantragte die Ansetzung einer Hauptverhandlung vor dem Strafgericht und schlussendlich die Bestrafung nach dem Strafgesetzbuch. Wir haben dann sofort Akteneinsicht beim Strafgericht genommen und den Fall näher untersucht. Für uns stellte sich bei näherer Untersuchung heraus, dass die Staatsanwaltschaft die Rechtslage völlig falsch interpretiert hat.

Mehrere Strafverhandlungen

Es wurde ein aufwändiges Strafverfahren über mehrere Verhandlungstermine abgeführt. Die Staatsanwaltschaft versuchte mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln eine Verurteilung des LKW-Fahrers nach dem Strafgesetzbuch zu erwirken. Im Rahmen der Verhandlungen haben wir den Sachverhalt genauestens aufbereitet, um den Richter von der Unschuld und von der unrichtigen Auslegung der Rechtslage durch die Staatsanwaltschaft zu überzeugen. Die Staatsanwaltschaft hat aus unserer Sicht die maßgeblichen Bestimmungen der Sozialvorschriften nicht richtig interpretiert.

Keine 2-Fahrerbesetzung

Der von uns vertretene LKW-Fahrer befand sich „lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort“. Die Staatsanwaltschaft hat unrichtigerweise eine Mehrfachbesetzung bzw. Doppelbesetzung des LKWs angenommen, obwohl sich der LKW-Fahrer weder in der Funktion als Lenker noch als Beifahrer im Fahrzeug aufhielt. Der LKW-Fahrer befand sich bereits in seiner Freizeit und wollte mit seinem Kollegen lediglich plaudern und hat sich aus diesem Grund entschieden, einen Teil der Strecke mit seinem Kollegen mitzufahren. Der LKW-Fahrer war daher auch kein Beifahrer.

Wir konnten das Gericht davon überzeugen, dass der Beschuldigte während seines Aufenthalts in der Fahrerkabine lediglich als Mitfahrer zu qualifizieren war und ihm oblag daher keine Pflicht zur Verwendung von Kontrollmechanismen im Sinne der VO 164/2014 iVm VO 561/2006. Das mögliche Einweisen eines Lkw kann nicht als Arbeitspflicht oder Bestandteil eines Arbeitsvertrages qualifiziert werden, wenn diese Tätigkeit nicht vom Arbeitgeber angeordnet war und der Arbeitgeber auch nichts von dieser Mitfahrt wusste. Jede andere dritte Person hätte diese Fahrzeugeinweisung ausführen können. Das Mitfahren des Beschuldigten mit seinem Kollegen erfolgte ausschließlich auf freiwilliger Basis und konnte daher nicht als Arbeitseinsatz qualifiziert werden.

Freispruch

Entgegen den Erwartungen und Bemühungen der Staatsanwaltschaft hat der Richter nach diesem intensiven und zeitaufwändigen Beweisverfahren den LKW-Fahrer freisprechen müssen. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft konnten wir in allen Bereichen grundlegend widerlegen.

Neuerliche Strafverfolgung durch die Verwaltungsstrafbehörde

Unser Mandant konnte zunächst durch den Freispruch aufatmen. Doch die Ruhe hielt nicht lange an. Der LKW-Fahrer und sein Arbeitgeber wandten sich wenige Monate später erneut an unsere Kanzlei. Diesmal erhielten sie von der Bezirkshauptmannschaft im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens zur selben Sache eine Aufforderung zur Rechtfertigung. Wieder ging es um den Vorwurf der 2 Fahrerbesetzung und die Behauptung, der LKW-Fahrer hätte bewusst die Fahrerkarte nicht gesteckt. Diesmal wird ihm vorgeworfen, er habe keine Fahrerkarte benutzt, obwohl er sie benützen hätte müssen und würde dies einen schwerwiegenden Verstoß der Bestimmungen der EG-VO 165/2014 darstellen. Das Verwaltungsstrafverfahren ist aktuell anhängig und sind wir positiv gestimmt, dass wir auch in diesem Verfahren, einen Erfolg für den LKW-Fahrer und den Transportunternehmer erzielen können. Wir werden sie jedenfalls auf dem Laufenden halten.

Finanzielle Belastung, Strafrechtsschutz

Der vorliegende Fall zeigt deutlich, dass man sich unbedingt zur Wehr setzen muss. Wäre das Strafverfahren anders ausgegangen, wäre der LKW-Fahrer vorbestraft und würde dies gleichzeitig auch zu einer Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit des Güterbeförderungsunternehmers führen. Im schlechtesten Fall kann dies zur Entziehung der Güterbeförderungskonzession führen. Das sehr aufwendige Strafverfahren war zudem auch sehr kostenintensiv. Auch das danach eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wird sich über mehrere Monate hinziehen. Das Bittere an dieser Rechtslage bzw. Behörden-und Gerichtspraxis ist, dass in einem Strafverfahren bzw. Verwaltungsstrafverfahren der Beschuldigte auch im Falle eines Freispruchs keinen Kostenersatz für die von ihm aufgewendeten Verteidigungskosten erhält. Aus diesem Grund wird dringend empfohlen, das Transportunternehmer eine für diese Problematik passende Rechtsschutzversicherung abzuschließen, bei der sich der Versicherungsschutz auch auf die LKW-Fahrer erstreckt.

 Zusammenfassung, Praxistipps

 *immer häufiger werden LKW-Fahrer und Transportunternehmer von der Staatsanwaltschaft verfolgt!

*Eine Verurteilung vor einem Strafgericht kann vor allem für die Zuverlässigkeit des Unternehmers starke negative Folgen mit sich bringen, bis hin zur Entziehung der Güterbeförderungskonzession.

*Derartige Verfahren stellen meist eine große finanzielle Belastung und einen psychischen Druck für den LKW-Fahrer und den Unternehmer dar.

*Oftmals sind die Strafvorwürfe haltlos, da die Rechtslage vom Strafbehörden oft nicht richtig beurteilt wird.

*Strafverfahren und auch Verwaltungsstrafverfahren sollten daher nicht auf die leichte Schulter genommen werden!

*Es wird empfohlen, eine passende Rechtsschutzversicherung abzuschließen, damit der finanzielle Schaden aufgrund der aufzuwendenden Verfahrenskosten „abgefedert“ wird und damit ein darauf spezialisierter Rechtsanwalt alle Verteidigungsmittel zur Verhinderung von Vorstrafen, Beeinträchtigungen der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit und ähnliche nachteilige Folgen, ausschöpfen kann.

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