Stragü 11/2019, Dr. Schärmer – Mehrfachbestrafungen bei Mautprellerei zulässig?

Ausgangsfall

Die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 t beträgt, unterliegt der fahrleistungsabhängigen Maut. Einem Transportunternehmer wurde vorgeworfen er habe an 3 aufeinanderfolgenden Tagen seinen Lkw im mautpflichtigen Straßennetz in unterschiedlichen Fahrtrichtungen an verschiedenen Tatorten gelenkt, ohne dass die richtige Achsenanzahl eingestellt gewesen sei. In weiterer Folge wurden 3 Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 300,- verhängt. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage ob im Fall der Mautprellerei von einem fortgesetzten Delikt auszugehen ist, wenn die einzelnen Teilakte in einem engen zeitlichen Konnex stehen und im Rahmen eines einheitlichen Beförderungsvorganges auf Basis eines einheitlichen Transportauftrages gesetzt worden sind.

Kumulationsprinzip und Dauerdelikt

Im Verwaltungsstrafverfahren gilt derzeit beim Zusammentreffen mehrerer Verwaltungsübertretungen, anders als im gerichtlichen Strafverfahren, das Kumulationsprinzip. Danach ist grundsätzlich jede gesetzwidrige Einzelhandlung, durch die der Tatbestand verwirklicht wird, als Verwaltungsübertretung zu bestrafen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nach der Rechtsprechung des VwGH beim fortgesetzten Delikt bzw. Dauerdelikt. Das Vorliegen eines solchen Dauerdeliktes und somit eine Handlungseinheit hat zur Folge, dass der Täter nur eine Tat verwirklicht hat und für diese auch nur einmal zu bestrafen ist. Ein fortgesetztes Delikt liegt nach ständiger Judikatur vor, wenn eine Reihe von rechtswidrigen Einzelhandlungen aufgrund der Gleichheit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Die Einzelhandlungen müssen hierbei gleichartig, von einem einheitlichen Willensentschluss getragen und durch einen nicht zu großen Zeitraum unterbrochen sein. Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, ist von Delikt zu Delikt verschieden und kann somit nicht generell festgestellt werden. Maßgebend ist daher ob ein zeitlicher Zusammenhang besteht und ein einheitlicher Willensentschluss vorliegt.

Wiederholte Mautprellerei als Dauerdelikt?

Im gegenständlichen Fall geht der Verwaltungsgerichtshof von mehreren nebeneinander zu verhängenden Verwaltungsübertretungen aus. Dies wurde damit begründet, dass die Mautverkürzungen bei mehreren Fahrtantritten in mehrere Fahrtrichtungen begangen wurden. Es war dem Beschuldigten daher mit jedem erneuten Fahrtantritt eine erneute Sorgfaltspflichtverletzung hinsichtlich der nicht korrekten Einstellung der Achsenzahl anzulasten und entstand mit jeder erneuten Einfahrt in das mautpflichtige Straßennetz eine neuerliche Entgeltschuld gegenüber dem Mautgläubiger. Das Gesetz stellt hierbei auch nicht auf einen einheitlichen Beförderungsvorgang ab. Das bedeutet, dass ein Dauerdelikt nicht deshalb schon angenommen werden darf, wenn die Übertretungen in Rahmen eines einzigen Beförderungsvertrages begangen werden. Sind somit mehrere Be- oder Entladestellen vorhanden, und wird das mautpflichtige Straßennetz hierbei mehrmals verlassen und wieder befahren, so liegen mehrere Übertretungen vor. Auch der Umstand, dass die Maut fahrleistungsabhängig und nicht zeitraumbezogen ist, spricht gegen eine zeitraumbezogene Zusammenfassung mehrerer Tathandlungen zu einem fortgesetzten Delikt.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass bei der Mautprellerei von einem fortgesetzten Delikt auszugehen ist, solang die Fahrt im mautpflichtigen Straßennetz aufrechterhalten wird. Hierbei ist es dann gleichgültig, ob nur eine oder mehrere Kontrollstellen durchfahren werden. Verlässt das Fahrzeug jedoch das mautpflichtige Straßennetz so gilt die Tat als beendet und liegt beim erneuten Einfahren in das mautpflichtigen Straßennetz eine erneute Sorgfaltspflichtverletzung bzw. ein neuer Tatentschluss vor, der zum Beginn einer neuen strafbaren Handlung führt.

Künftige Rechtslage 2020

Eine Entschärfung des oben beschriebenen Kumulationsprinzips wird mit der Novelle des Verwaltungsstrafgesetzes 2020 beabsichtigt. Derzeit besagt das VStG, dass mehrere Strafen nebeneinander zu verhängen sind, wenn durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen wurden (Kumulationsprinzip). Bei Verwaltungsstrafen, die gegen Unternehmen verhängt werden, kann es in diesem Zusammenhang aber zu einer Summierung von Strafen kommen, sodass schon bei geringen Verstößen hohe Geldbußen anfallen und sich dieser Umstand in weiterer Folge negativ auf die Risikoeinstufungen des Unternehmens auswirkt und eine höhere Gefahr für den Konzessionsentzug besteht. In ihrer Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz, mit dem unter anderem auch das Verwaltungsstrafgesetz geändert werden soll, geht die Bundesregierung von einer Entschärfung des Kumulationsprinzips aus. Es soll dann nur noch eine einzige Strafe geben, wenn durch eine Tat dieselbe Vorschrift mehrmals verletzt wird. Es muss dabei aber ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den einzelnen Taten bestehen. Bis zur tatsächlichen Änderung des Gesetzes soll für solche Fälle eine außerordentliche Strafmilderung greifen und Mehrfachstrafen sind dann auf ein angemessenes Ausmaß herabzumildern, wenn die Summe der Einzelstrafen im Hinblick auf das Verschulden unverhältnismäßig wäre. Auch mit dem neu eingeführten Grundsatz „beraten statt Strafen“ sollen Verwaltungs-Straftäter mit geringem Verschulden nicht bestraft, sondern beraten und lediglich abgemahnt werden.

Diese Entschärfung des Kumulationsprinzips stellt eine enorme Erleichterung für Transportunternehmen dar. Die Änderung sollte zukünftig zu einer deutlichen Verringerung der Strafen für Unternehmen führen. Mehrere Verstöße zum Beispiel im Zusammenhang mit der Entrichtung der Maut oder der Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten, könnten bei Bestehen einer Tateinheit zukünftig eine einzige strafbare Handlung darstellen. Wie das Gesetz zukünftig von den zuständigen Behörden vollzogen wird, ist jedoch abzuwarten. Positive Schritte in die richtige Richtung wurden mit den beabsichtigten Änderungen nun jedenfalls gesetzt.

Zusammenfassung

*Derzeit sind aufgrund des Kumulationsprinzips bei mehreren selbstständigen Taten durch die mehrere Verwaltungsübertretungen begangen werden, mehrere Strafen nebeneinander zu verhängen.

*Ein Dauerdelikt, bei dem eine Reihe von rechtswidrigen Einzelhandlungen aufgrund der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines zeitlichen Zusammenhangs sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters zu einer Einheit zusammentreten, stellt eine einzige strafbare Handlung dar.

*Bei der nicht ordnungsgemäß entrichteten Maut ist dann nicht von einem Dauerdelikt auszugehen, wenn das mautpflichtige Straßennetz mehrmals an verschiedenen Tagen und in verschiedene Richtungen befahren wurde.

*Mit der Änderung des VStG 2020 soll eine Entschärfung des Kumulationsprinzips bewirkt werden.

*Zukünftig wird bei einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen mehreren einzelnen Taten („Tateinheit“), nur noch eine Strafe verhängt.

Stragü 11/19 – PDF