Transporteur 01/23 – Dr. Schärmer – Fahrer ohne Fahrkarte

Bei einer Unterwegskontrolle in Tirol musste unser Mandant seine Fahrerkarte und die Fahrzeugeinheit auslesen lassen. Die kontrollierenden Beamten stellten fest, dass das Fahrzeug insgesamt 16-mal ohne Verwendung der Fahrerkarte gelenkt wurde. Da diese Zeiträume meistens kurz vor dem Arbeitsbeginn oder kurz nach Arbeitsende unseres Mandanten lagen, bestand der Verdacht, dass dieser das Fahrzeug zu Beginn bzw. am Ende des Arbeitstags ohne Fahrkarte bewegte, um hierdurch eine Überschreitung der Lenkzeit zu vermeiden. Die Zeiträume, in denen auf der Fahrzeugeinheit eine Bewegung ohne Fahrkarte aufschien, waren auf der Fahrkarte des Mandanten mittels Nachtrag als Ruhezeit eingetragen.

Ab vor den Strafrichter!
Den meisten ist bekannt, dass das Lenken eines Fahrzeugs ohne Fahrkarte zu einer Verwaltungsstrafe führt. Was jedoch oft übersehen wird ist, dass ein solches Verhalten auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Im konkreten Fall verdächtigten die kontrollierenden Beamten unseren Mandanten des Vergehens der Datenfälschung nach § 225a StGB. Diese begeht, wer durch Eingabe, Veränderung, Löschung oder Unterdrückung von Daten falsche Daten herstellt oder verfälscht und diese darüber hinaus als Beweis im Rechtsverkehr gebrauchen möchte. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage, da diese meinte, dass unser Mandant durch das Fahren ohne Fahrkarte und den späteren Nachtrag dieser Tätigkeit als Ruhezeit falsche Daten, nämlich manipulierte Lenk- und Ruhezeiten, herstellte. Die Absicht zum Gebrauch im Rechtsverkehr hätte deswegen bestanden, da der Mandant diese Daten bei der Kontrolle vorlegte. Bei der Verurteilung nach § 225a StGB droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Unser Mandant fiel freilich aus allen Wolken, da dieser das Fahrzeug in den gegenständlichen Zeiträumen teilweise tatsächlich nicht lenkte und teilweise deswegen ohne Fahrkarte fuhr, da er der Meinung war, dass er bei einer Fahrt, die dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb dient, von der Verwendung der Karte ausgenommen sei.

Auf falscher Spur …
Vor dem Strafgericht konnten wir den Mandanten von allen Vorwürfen befreien und für ihn einen Freispruch erreichen. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft und Polizei wurden nämlich weder falsche Daten hergestellt noch Daten verfälscht. Daten sind nämlich nur dann „falsch“ im Sinne von § 225a StGB, wenn diese nicht vom angegebenen Aussteller stammen. In diesem Fall kommt es nämlich zur Identitätstäuschung. Gegenständlich war dies jedoch nicht der Fall, da der Mandant mit dem Nachtrag der Ruhezeit keineswegs vorgibt, dass diese Daten von jemand anderem stammen. Ganz im Gegenteil gab der Mandant durch die Eingabe auf der Fahrkarte bekannt, dass dieser Nachtrag von ihm stammt. Verfälschte Daten? Als „verfälscht“ gelten hingegen Daten, wenn sie im Nachhinein geändert werden. Auch dies war nicht der Fall, da durch den Nachtrag der Ruhezeit keine Daten geändert wurden, sondern vielmehr ein Zeitraum, in dem zuvor keine Daten vorhanden waren, durch den Nachtrag gefüllt wurde. Da es somit weder zur Fälschung noch zur Verfälschung von Daten kam, war der objektive Tatbestand des vorgeworfenen Vergehens nicht erfüllt und der Mandant freizusprechen.

Achtung: Trotzdem Straftat!
Zwar wurde unser Mandant im gegenständlichen Fall deswegen freigesprochen, weil ihn die Staatsanwaltschaft von vornherein wegen einer falschen Tatanlastung angeklagt hat, jedoch ist darauf hinzuweisen, dass das Fahren ohne Fahrkarte und der Nachtrag dieser Tätigkeit als Ruhezeit nicht straffrei ist. § 293 StGB regelt nämlich die Beweismittelfälschung. Demnach ist ebenfalls mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen, wer ein falsches Beweismittel herstellt oder ein echtes Beweismittel verfälscht und beabsichtigt, dieses in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren zu gebrauchen. Der wesentliche Unterschied zu § 225a StGB und der Urkundenfälschung nach § 223 StGB besteht dabei darin, dass ein Beweismittel im Sinne des § 293 bereits dann „falsch“ ist, wenn dieses inhaltlich unrichtig ist. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte „Lugurkunde“. Somit reicht es für die Bestrafung nach § 293 StGB bereits, wenn das Beweismittel unwahre Tatsachen enthält.

Fazit
Auch die Daten auf der Fahrkarte sind Beweismittel und werden sowohl gegenüber der Polizei als auch in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren zum Beweis von Tatsachen verwendet. Das beschriebene Verhalten ist somit als Herstellung falscher Beweismittel zu qualifizieren, da auf dem Beweismittel (Fahrkarte) tatsachenwidrig die Einlegung von Ruhezeit bestätigt wird, obwohl tatsächlich eine Lenkzeit ohne Fahrkarte durchgeführt wurde. Der Inhalt des Beweismittels (Daten auf der Fahrkarte) entsprechen somit nicht der Wahrheit.

AUF EINEN BLICK

  • Das Lenken eines Fahrzeugs ohne Fahrerkarte und Nachtrag dieser Tätigkeit als Ruhezeit zieht regelmäßig strafrechtliche Folgen nach sich
  • Oft wird solch ein Verhalten als Datenfälschung nach § 225a StGB angezeigt und dementsprechend von der Staatsanwaltschaft angeklagt
  • Die Konsequenz für die Datenfälschung ist im schlimmsten Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr
  • Der objektive Tatbestand erfordert jedoch, dass gefälschte Daten hergestellt oder echte Daten verfälscht werden
  • Gefälschte Daten sind nur solche Daten, die nicht vom angegebenen Aussteller stammen
  • Verfälscht sind Daten, die nachträglich geändert werden
  • Wer somit ohne Fahrkarte fährt und diese Zeiträume als Ruhezeit nachträgt, begeht zwar keine Datenfälschung, jedoch eine Beweismittelfälschung nach § 293 StGB
  • Im Gegensatz zur Datenfälschung reicht es für die Beweismittelfälschung, wenn das Beweismittel inhaltlich unrichtig ist
  • Die Daten auf der Fahrkarte sind ein Beweismittel und sind die Aufzeichnungen der Ruhezeit unrichtig, wenn in diesen Zeiträumen tatsächlich eine Lenkzeit ohne Fahrkarte vorlag

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Transporteur 01/2023 – PDF