Transporteur 02/22 – Dr. Schärmer – Kein 3-G Fahrer – Frachtabzug erlaubt?

3-G am Arbeitsplatz

Die seit 1. November 2021 in Kraft getretene 3. COVID-19-Maßnahmenverordnung (3. COVID-19-MV) sieht vor, dass Arbeitnehmer, Inhaber und Betreiber Arbeitsorte, an denen physische Kontakte zu anderen Personen nicht ausgeschlossen werden können, nur dann betreten dürfen, wenn sie über einen 3-G Nachweis verfügen. Nicht als Kontakte im Sinne dieser Vorschrift gelten höchstens 2 physische Kontakte pro Tag, die im Freien stattfinden und jeweils nicht länger als 15 Minuten andauern.

Gemäß den in den Erläuterungen zur 3. COVID-19-MV angeführten Beispielen, unterliegen LKW-Fahrer, die allein in ihrem Fahrzeug sitzen oder gelegentlich Kontakt mit anderen Personen haben, etwa wenn das Ladegut übergeben wird, nicht der 3-G Pflicht.

 Problematik Be- und Entladung

Es mag in der Praxis zwar gelegentlich zutreffen, dass LKW-Fahrer, die im internationalen Verkehr tätig sind, stundenlang alleine im Fahrerhaus sitzen und bei der Be- und Entladung täglich tatsächlich Kontakt mit lediglich 2 Personen im Freien für weniger als 15 Minuten haben, über keinen 3-G Nachweis verfügen müssen. Viel häufiger kommt es jedoch vor, dass LKW-Fahrer zur Be- und Entladung verpflichtet sind und diese Tätigkeiten in geschlossenen Räumen (Lagern) stattfinden. Darüber hinaus werden am Tag mehrere Be- und Entladestellen angefahren, bei denen Kontakte mit mehr als 2 Personen nicht vermieden werden können und diese meist länger als 15 Minuten dauern. In solch einem Fall greift auch für den LKW-Fahrer die 3-G Pflicht, da die Ausnahme des § 9 Abs. 1 3. COVID-19-MV nicht mehr erfüllt werden kann.

Vereinbarung zur Be- und Entladung des Frachtgutes

Sind Vereinbarungen, wonach die Be- und Entladung dem Frachtführer obliegt überhaupt zulässig? Nach Art 41 Abs 1 CMR sind Vereinbarungen nur insoweit nichtig und damit unwirksam, als sie von den Bestimmungen der CMR abweichen. In der CMR existiert keine Regelung, die bestimmt, wer das Verladen und Verstauen des Gutes vorzunehmen hat. Art 41 CMR steht daher einer Vereinbarung der Parteien darüber, wer die Ladetätigkeit vorzunehmen hat, nicht entgegen. Nur dann, wenn keine vertragliche Vereinbarung besteht/getroffen wurde, ist die Verladung im Zweifel Sache des Verladers (Absenders) und die Entladung Sache des Empfängers.

Kundenlager als Arbeitsort?

Durch die Verbindung des § 9 Abs. 1 und 2 und den Verweis auf das ASchG (§ 2 Abs. 3) ist der Begriff des Arbeitsortes sehr weit zu verstehen. Auswärtige Arbeitsstellen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Orte außerhalb von Arbeitsstätten, an denen andere Arbeiten als Bauarbeiten durchgeführt werden, insbesondere auch die Stellen in Verkehrsmitteln, auf denen Arbeiten ausgeführt werden. Nach den Erläuterungen des Gesundheitsministeriums kann man daher davon ausgehen, dass ein Arbeitsort eigentlich jeder Ort ist, wo gearbeitet wird.

Sofern der LKW-Fahrer daher zur Be- oder Entladung vertraglich verpflichtet ist, erfolgen solche Arbeiten meist in einem Lager bzw. in einer Vorkühlzone. Auch der physische Kontakt zu Personen, die Informationen bei der Be- und Entladung erteilen bzw. bei dieser mithelfen, ist in der Praxis selten vermeidbar.

Zusammengefasst muss daher auch ein LKW-Fahrer in solch einem Szenario einen 3-G Nachweis erbringen, da dieser andernfalls die Be- oder Entladung nicht vornehmen kann.

Entgeltabzug gerechtfertigt?

Da es sich bei einem Transportvertrag um einen Werkvertrag handelt, besteht der geschuldete Erfolg des Frachtführers in der Verbringung von Gütern von einem bestimmten Platz zu einem anderen. Dieser Beförderungsvorgang stellt die Hauptleistungspflicht des Frachtführers dar. Somit hat der Frachtführer Anspruch auf den Frachtlohn, sobald dieser seiner Hauptleistungspflicht vollumfänglich nachgekommen ist und das Gut schadenfrei, vollständig und fristgerecht abgeliefert hat.

Ist jedoch ausdrücklich vertraglich vereinbart worden, dass der LKW-Fahrer die Be- und Entladung durchführen muss, so gehört auch diese Tätigkeit zur vertraglich geschuldeten Leistung.

Vor dem Hintergrund kann der Fahrer ohne 3-G Nachweis für diese erweiterte Be- und Entladetätigkeit nicht eingesetzt werden. Dies führt zu einer Minderleistung im Vergleich zu den vertraglich festgelegten Pflichten, sodass das Entgelt entsprechend gekürzt werden kann. Eine Berufung auf höhere Gewalt greift hier nicht ein, da es dem Frachtführer bei derartigen Verträgen zumutbar ist, LKW-Fahrer einzusetzen, die den 3-G Nachweis erfüllen.

Fazit, Praxistipps:

—> seit 1. November gilt am Arbeitsplatz die 3-G-Pflicht

—> als Arbeitsplatz gelten nicht nur Büroräumlichkeiten, sondern grob gesagt jeder Ort, an dem gearbeitet wird

—> auch das Lager eines Kunden, bei dem Waren be- oder entladen werden ist somit als Arbeitsort zu qualifizieren

—> von der 3-G-Pflicht ausgenommen sind unter anderem jene Personen, die Kontakt mit höchstens 2 Personen, unter 15 Minuten im Freien haben

—> diese Ausnahme trifft jedoch in der Praxis auf die meisten LKW-Fahrer nicht zu

—> wurde vertraglich vereinbart, dass der LKW-Fahrer die Be- und Entladung durchzuführen hat und wurde dies aufgrund eines fehlenden 3-G Nachweises unterlassen, so ist der Auftraggeber zu einer Entgeltminderung berechtigt

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