Transporteur 08/20, A. Miskovez – Der Kampf gegen das „Ausflaggen“

Ausgangslage

 Im gegenständlichen Rechtsstreit hatte eine in Zypern gegründete Gesellschaft, mit in den Niederlande ansässigen Transportunternehmen Verträge geschlossen, wonach gegen Zahlung einer Provision die Verwaltung des Fuhrparks der niederländischen Unternehmen für deren Rechnung und auf deren Gefahr übernommen wurde. In diesem Rahmen wurden von der zypriotischen Gesellschaft auch Arbeitsverträge mit Fahrern abgeschlossen, die ihren Wohnsitz in den Niederlanden haben. Als vom Verwaltungsrat der niederländischen Sozialversicherungsanstalt beschlossen wurde, dass die niederländischen Sozialvorschriften auf diese Fahrer anwendbar seien, obwohl diese formell für eine zypriotische Gesellschaft arbeiten, wandten sich die LKW-Fahrer und niederländischen Unternehmen an den europäischen Gerichtshof. Der EuGH stellt nun klar, wer als Arbeitgeber der in den Niederlanden ansässigen Fahrer, die in einem Arbeitsverhältnis zu einer zypriotischen Gesellschaft stehen, anzusehen ist und welche Rechtsvorschriften daher anwendbar sind.

Tatsächliches über Formelles

 Der EuGH führte begründend aus, dass in erster Linie zwischen einem Arbeitgeber und dessen Personal ein Unterordnungsverhältnis besteht. Das Vorliegen eines Arbeitsvertrages ist demnach als Indiz für das Bestehen eines solchen Unterordnungsverhältnisses zu werten, reicht jedoch allein für die Qualifikation als Arbeitgeber nicht aus. Vielmehr ist neben dem formellen Arbeitsvertrag, auch auf die tatsächlichen Umstände Rücksicht zu nehmen. Demnach ist als Arbeitgeber derjenige zu qualifizieren, der die Lohnkosten trägt, tatsächlich befugt ist, den Arbeitnehmer zu entlassen und demgegenüber der Arbeitnehmer weisungsgebunden ist und somit tatsächlich untersteht.

Im gegenständlichen Fall hatten die LKW-Fahrer zwar einen Arbeitsvertrag mit der zypriotischen Gesellschaft geschlossen, wurden jedoch von den niederländischen Gesellschaften selbst ausgewählt, übten ihre Tätigkeit für Rechnung und auf Gefahr dieser niederländischen Unternehmen aus und wurden die Lohnkosten tatsächlich über die, an die zypriotische Gesellschaft gezahlte Provision von den niederländischen Transportunternehmen selbst getragen. Darüber hinaus waren schließlich auch die niederländischen Unternehmen zur Entlassung der Fahrer befugt.

Zusammenfassung

 Der EuGH hat mit dieser Entscheidung, dem rechtsmissbräuchlichen „Ausflaggen“ erneut einen Riegel vorgeschoben und so müssen zukünftig strengere Kriterien erfüllt werden, um als Arbeitgeber im Sinne der oben zitierten EU-Verordnungen qualifiziert zu werden. Zusammenfassend kommt es nicht auf das formelle Vorliegen eines Arbeitsvertrages an, sondern darauf, wer tatsächlich gegenüber dem Arbeitnehmer weisungsbefugt ist, dessen Lohnkosten trägt und zu dessen Entlassung befugt ist. Damit soll zukünftig das Ausweichen in Billiglohnländer unterbunden und für einen gerechteren Wettbewerb gesorgt werden.

Transporteur 08/20, A. Miskovez – Behörden auf dem Prüfstand – PDF