Transporteur 10/20, Dr. Schärmer – Aufklärungspflichten des Absenders bei diebstahlsgefährdeter Ware

Ausgangslage

Im gegenständlichen Fall beauftragte eine deutsche Spedition einen Frachtführer mit dem Transport einer Komplettladung Tonerkartuschen. Im Transportauftrag wurde dem Frachtführer hinsichtlich der Sendungsdaten lediglich der Vermerk „13,5 LDM“ mitgeteilt. Da es sich bei der gegenständlichen Ware um diebstahlsgefährdete Güter handelt, wurde im Frachtbrief zusätzlich der Vermerk „Theft-endangered goods 479 boxes Computer Equipment“ (übersetzt: diebstahlsgefährdete Güter 479 Kisten Computer Equipment) eingefügt. Der Frachtbrief wurde vom Auftraggeber ausgestellt und dem Frachtführer bei der Verladung ausgehändigt.

Als der Fahrer nachts auf einem Parkplatz, unweit von der Entladestelle seine tägliche Ruhezeit einlegte, kam es zum Diebstahl von 15 Paletten des Transportgutes.

Der Auftraggeber begehrte nun Schadenersatz vom Frachtführer für den Warendiebstahl.

Grundsätzliche Haftung des Frachtführers

 Grundsätzlich haftet der Frachtführer für den teilweisen Verlust des Transportgutes, worunter auch der Diebstahl fällt, sofern dieser in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung, bis zur Ablieferung entstanden ist (Art. 17 Abs. 1 CMR). Da sich der Diebstahl im gegenständlichen Fall, im Obhutszeitraum des Frachtführers ereignete, haftet dieser für den eingetretenen Schaden.

Bei diebstahlsgefährdeten Gütern handelt es sich jedoch meistens um Güter mit einem hohen Warenwert, womit der Grad des Verschuldens äußerst relevant ist. Die Haftung des Frachtführers ist grundsätzlich auf 8,33 Sonderziehungsrechte pro Kilogramm beschränkt (Art. 23 CMR). Nur wenn dem Frachtführer grobes Verschulden anzulasten ist, gilt diese Haftungslimitierung nicht und haftet der Frachtführer unbeschränkt (Art. 29 Abs. 1 CMR).

In Fällen wie dem gegenständlichen, bei dem die Ware einen hohen Wert aufweist, jedoch nur ein geringes Gewicht, ist in erster Linie zu untersuchen, ob dem Frachtführer ein grobes Verschulden anzulasten ist, um den vollen Schadenersatz zu erhalten.

Grobes Verschulden des Frachtführers

Grobes Verschulden ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Frachtführer sich leichtfertig verhält, mit dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Es hängt somit von den Umständen des Einzelfalles ab, welche Sicherheitsvorkehrungen der Frachtführer zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung, nämlich das ihm anvertraute Transportgut während der Beförderung vor Diebstahl oder Raub zu schützen, ergreifen muss. Je größer die mit der Güterbeförderung verbundenen Risiken sind, desto höhere Anforderungen sind an die Sicherheitsmaßnahmen zu stellen. In diesem Zusammenhang kommt es darauf an,

–> ob das Gut leicht verwertbar und damit besonders diebstahlsgefährdet ist,

–>welchen Wert es hat, ob dem Frachtführer die besondere Gefahrenlage bekannt sein musste und

–> welche konkreten Möglichkeiten für eine gesicherte Fahrtunterbrechung bestanden.

Bei den transportierten Tonerkartuschen handelte es sich eben um leicht verwertbares Gut mit einem erheblichen Wert.

Informationspflichten des Absenders

Ausschlaggebend für die Frage, ob der Frachtführer seinen Sorgfaltspflichten ausreichend nachkommt, ist in erster Linie die Kenntnis des Frachtführers von der besonderen Gefahrenlage. Um somit vom Frachtführer besondere Vorkehrungen verlangen zu können, muss dieser zuerst über die Besonderheiten der transportierten Güter informiert werden.

Im gegenständlichen Fall befand sich im Transportauftrag lediglich der Hinweis, dass 13,5 Lademeter transportiert werden sollen. Der Frachtführer erhielt zum Zeitpunkt der Beauftragung keine genaueren Informationen über die Ware. Die vom deutschen Bundesgerichtshof bereits in früheren Entscheidungen ausgeführt, ist es Sache des Auftraggebers, dem Frachtführer durch klare Angaben im Frachtauftrag die objektiv gegebene besondere Gefahrenlage bei der Durchführung des Transports zu verdeutlichen. Die Information über den hohen Wert und besondere Diebstahlsgefahr der Ware muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Frachtführer darüber entscheiden kann, ob er den Frachtvertrag überhaupt ausführen will und wenn ja, welche notwendigen besonderen Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen sind.

Dieser klaren Informationspflicht kam der Auftraggeber im Transportauftrag nicht nach. Auch der Hinweis auf die Diebstahlsgefahr im Frachtbrief ändert hierbei nichts. Grund dafür ist, dass der Frachtführer den Frachtbrief erst bei der Übernahme der Güter erhalten hat und somit nicht mehr ausreichend Zeit zur Verfügung stand, um besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Eine Auswechslung des Fahrzeuges, Anbringung zusätzlicher Sicherungsmechanismen und die Planung einer Alternativroute war angesichts der damit verbundenen unverhältnismäßig hohen Kosten und des vorgegebenen Entladetermins nicht möglich.

Zusammengefasst kann daher festgehalten werden, dass der Auftraggeber seiner Informationspflicht über die Besonderheit der Güter nicht nachkam. Aus diesem Grund kann sich der Auftraggeber auch nicht darauf berufen, dass der Frachtführer keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat.

Bewachte Rastplätze

Auch der Umstand, dass die vorgeschriebene tägliche Ruhezeit auf einem nicht bewachten Parkplatz abgehalten wurde, erzeugte im gegenständlichen Fall kein grobes Verschulden des Frachtführers.

In den Bedingungen zum Transportauftrag des Auftraggebers war eine Klausel enthalten, die den Frachtführer darauf hinweist, dass Ruhezeiten auf bewachten Parkplätzen durchzuführen sind. Der vorsätzliche Verstoß gegen solche Sicherheitsrichtlinien kann für sich allein bereits grobes Verschulden begründen. Dies gilt jedoch nur für den Fall, in dem diese Sicherheitsrichtlinien für den Frachtführer und den eingesetzten Fahrer, ohne weiteres, erkennbar der Sicherung des besonders diebstahlsgefährdeten Gutes dienen. Im gegenständlichen Fall fehlte es jedoch genau hieran, da weder der hohe Warenwert, noch die besondere Diebstahlsgefahr im Transportauftrag erkennbar waren. Zudem kam der Umstand dazu, dass es sich beim gegenständlichen Transport um den ersten zwischen den beiden Parteien handelte. Der Umstand, dass der Fahrer somit keinen bewachten Parkplatz aufsuchte, sondern einen unbewachten Parkplatz in der Nähe der Entladestelle, da eine Zustellzeit von 8:00 Uhr in der Früh vorgegeben wurde, lässt somit kein grobes Verschulden des Frachtführers entstehen.

Der Frachtführer war somit dem Oberlandesgericht Düsseldorf zufolge nicht verpflichtet einen bewachten Parkplatz auszuwählen, da dieser nicht rechtzeitig auf die Diebstahlsgefahr des Gutes hingewiesen wurde und somit davon ausgehen durfte, dass ein unbewachter Parkplatz ausreichend ist. Im Ergebnis wurde der Frachtführer zwar zur Leistung eines Schadenersatzes verurteilt, jedoch war der Schadenersatz durch die Haftungslimitierung des Art. 23 CMR beschränkt, da den Frachtführer kein grobes Verschulden traf.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass es sich im gegenständlichen Fall um die Entscheidung eines deutschen Gerichts handelt und die österreichische Rechtsprechung, in einem vergleichbaren Fall, daher von der deutschen Ansicht abweichen könnte.

Zusammenfassung, Praxistipps

–> Grundsätzlich haftet der Frachtführer für den teilweisen Verlust des Transportgutes, worunter auch der Diebstahl fällt, sofern dieser in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung entstanden ist (Art 17 Abs. 1 CMR).

–> Die Haftung des Frachtführers ist grundsätzlich auf 8,33 Sonderziehungsrechte pro Kilogramm beschränkt (Art. 23 CMR).

–> Nur wenn dem Frachtführer grobes Verschulden anzulasten ist, gilt diese Haftungslimitierung nicht und haftet der Frachtführer unbeschränkt (Art. 29 Abs. 1 CMR).

–> Grobes Verschulden ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Frachtführer sich leichtfertig verhält, mit dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.

–> Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, welche Sicherheitsvorkehrungen der Frachtführer, zur Verhinderung eines Raubes oder Diebstahls zu treffen hat.

–> Um vom Frachtführer besondere Vorkehrungen verlangen zu können, muss der Auftraggeber diesen zuerst über die Besonderheiten der transportierten Güter informieren.

–> Diese Information hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass dem Frachtführer genügend Zeit zur Verfügung steht, um besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.

–> Die erstmalige Information über die besonderen Gegebenheiten der Ware mit Aushändigung des Frachtbriefes, ist als verspätet anzusehen.

–> Da aus dem Transportauftrag weder der besondere Wert, noch die Diebstahlgefahr des Gutes erkennbar waren, war der Fahrer nicht verpflichtet einen bewachten Parkplatz anzufahren.

–> Darüber hinaus war der Frachtführer nicht verpflichtet einen bewachten Parkplatz auszuwählen, da dieser nicht rechtzeitig auf die Diebstahlsgefahr des Gutes hingewiesen wurde.

Transporteur 10/20 – PDF