Stragü 04/2016, Dr. Schärmer – Der untreue Partner

Stragü 04/2016, Dr. Schärmer – Der untreue Partner

Ladungsveruntreuungen stehen nach wie vor an der Tagesordnung. Nicht immer muss der Frachtführer für den untreuen Subfrachtführer haften, wie eine brandaktuelle Entscheidung zeigt.

Im Frachtgeschäft ist es üblich, dass Subfrachtführer eingesetzt werden. Auf diese Weise ist es möglich, Aufträge europaweit anzunehmen und abzuarbeiten. Durch den Einsatz von Laderaumbörsen wird der Kreis der Subfrachtführer erweitert und erreicht man dadurch höhere Flexibilität. Der Nachteil liegt aber darin, dass sich oftmalig Frachtführer bewerben, mit denen man vorher keine Geschäftsbeziehung hatte. In derartigen Fällen muss der Überprüfungsmaßstab vor Vergabe eines Transportauftrages entsprechend höher sein. Die Ladungskriminalität im Zusammenhang mit Veruntreuungen war vor einigen Jahren zunächst nur auf ausländische Unternehmer beschränkt. Zwischenzeitig ereigneten sich aber auch zahlreiche Fälle, bei denen österreichische Unternehmen, die im Firmenbuch eingetragen waren und über eine aufrechte Gewerbeberechtigung verfügten, involviert waren.

INTERNATIONAL ORGANISIERT

In einem Schadenersatzprozess vor dem Handelsgericht Wien vertraten wir einen Frachtführer, der von einer internationalen Spedition auf Schadenersatz geklagt wurde. Hintergrund war, dass ein Subunternehmer die Ladung bei der Spedition im Auftrag des von uns vertretenen Frachtführers geladen hat. Der und erkundigte sich auch darüber, wesUnterfrachtführer setzte wiederum einen halb polnische Kennzeichen zum Einsatz weiteren Unterfrachtführer ein und kommen würden. Der Geschäftsführer beauftragte diesen, die Ware zu einem des Unterfrachtführers erklärte, dass Zwischenlager des kriminellen Fracht- bei Transporten generell osteuropäische führers zu transportieren. Die Ware Frachtführer eingesetzt werden, da diese wurde schlussendlich veruntreut und bessere Ortskenntnis hätten. Die komkonnte nicht mehr aufgefunden werden. plette Ladung wurde in weiterer Folge Der von uns vertretene Frachtführer hat am Betriebsstandort der klagenden Spealle ordentlichen Überprüfungsschritte dition auf einen polnischen Lkw gelavorgenommen, die man von einem den. Die Kennzeichen des Abhol-Lkw ordentlichen Transportunternehmer stimmten auch mit den avisierten Kennauch erwarten kann. Der Disponent zeichen überein. Die Beladung erfolgte forderte, nachdem Einigung über den ausschließlich durch die klagende SpeTransportpreis hergestellt wurde, die im dition in Abwesenheit des von uns verSpeditionsgeschäft üblichen Unterlagen tretenen Frachtführers. Interessantes an und erhielt in der Folge den Firmen- Detail am Rande war, dass die klagende buchauszug, die Unternehmensdaten, Spedition den „untreuen Frachtführer“ die Kopie der Versicherungsbestätigung Tage zuvor selbst beauftragt hat. Im Zuge einer österreichischen Frachtführerver- der polizeilichen Ermittlungen stellte sicherung sowie die avisierten Kennzei- sich heraus, dass unzählige Speditionen chen. Nach Erhalt der Kennzeichen und in ganz Europa Opfer des kriminellen Überprüfung der Unterlagen auf Echt- Unterfrachtführers waren. Der im Firheit und Richtigkeit, nahm der zustän- menbuch des Handelsgerichtes Wien dige Disponent einen zusätzlichen Kont- eingetragene Frachtführer hat offenbar rollanruf bei der Unterfrachtführerin vor viele Speditionen, die Versicherung, den Notar, die Laderaumbörse und anderen Vertragspartner vorsätzlich getäuscht. Schlussendlich gelang es dem kriminellen Frachtführer, unzählige Frachtladungen in ganz Europa zu veruntreuen. Es entstand dadurch ein enormer Schaden.

SPEDITION SELBST BETROFFEN

Das Handelsgericht Wien und nun auch das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht kamen zum Ergebnis, dass sich der von uns vertretene Frachtführer auf eine Haftungsbefreiung berufen könne. Schließlich wusste die Klägerin auch, dass der beklagte Unternehmer eine Speditionsgesellschaft ohne eigenen Fuhrpark ist und daher in der Regel die Transporte über dritte Frachtführer abgewickelt werden. Die klagende Spedition wusste auch, dass es sich beim eingesetzten Unterfrachtführer um einen sogenannten Erstkontakt handelte und hatte auch keine Einwände gegen die Beauftragung. Die Gerichte kamen zum Ergebnis, dass der Besitz aller erdenklichen Nachweise den Verlust der Ladung nicht verhindert hätte. Schließlich verfügte die Unterfrachtführerin über eine aufrechte Gewerbeberechtigung einer österreichischen Gewerbebehörde, schien im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien auf und war auch telefonisch erreichbar. Tage zuvor hat die klagende Spedition selbst dieses Unternehmen beauftragt. Es war für keine der Parteien vorhersehbar, dass hier ein internationaler Betrug mit enormen Ausmaßen vorbereitet wird.

NOCH NICHT RECHTSKRÄFTIG

Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht liegt uns seit wenigen Tagen vor. Das Oberlandesgericht Wien hat die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof für nicht zulässig erklärt. Es wäre aber möglich und gesetzlich zulässig, dass die klagende Spedition im Wege der außerordentlichen Revision den Obersten Gerichtshof anruft und die nochmalige Überprüfung des Berufungsurteils beantragt. Es bleibt daher abzuwarten, ob der Oberste Gerichtshof allenfalls eine andere Meinung vertreten wird. Wir werden Sie jedenfalls auf dem Laufenden halten und wieder berichten.

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