Stragü 12/2017, Dr. Schärmer – Storno, Rücktritt – wer zahlt?

Stragü 12/2017, Dr. Schärmer – Storno, Rücktritt – wer zahlt?

Streitigkeiten im Zusammenhang mit Stornierungen von Frachtaufträgen sind ein Dauerbrenner.

Die meisten Streitigkeiten beziehen sich auf Meinungsverschiedenheiten zu dieser Thematik zwischen zwei in einer Geschäftsbeziehung stehenden Transportunternehmen. Weit verbreitet sind Gerüchte zu angeblich bestehenden Handelsbräuchen. Wir beleuchten die Thematik näher.

AUFTRAGGEBER: RÜCKTRITTSRECHT

Der Frachtvertrag ist ein Sonderfall des Werkvertrags. In den sonderfrachtrechtlichen Regelungen (CMR, UGB) finden sich zur Stornierung des Frachtvertrags, bis auf § 428 (2) UGB, keine speziellen Vorschriften. Es muss daher auf die Bestimmungen des allgemeinen Zivilrechts (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch – ABGB) zurückgegriffen werden. Grundsätzlich ist der Vertragspartner des Frachtführers jederzeit berechtigt, bis zur Zustellung des Frachtgutes beim Empfänger, vom Vertrag zurückzutreten.

ABZUG VOM FRACHTPREIS

Storniert der Auftraggeber den Frachtauftrag trotz Leistungsbereitschaft und fehlendem Verschulden des Frachtführers, bleibt der Anspruch des Transportunternehmers auf Zahlung der Fracht aufrecht (§ 1168 ABGB). Das bedeutet aber nicht, dass der Transportunternehmer den gesamten Frachtpreis ohne Reduzierung einfordern könnte. Der Frachtführer muss sich vom ursprünglich vereinbarten Frachtpreis all das abziehen lassen, was er sich erspart hat oder was er anderweitig erworben hat bzw. was er absichtlich versäumt hat, zu erwerben.

Bei der Berechnung wird zunächst auf den Frachtpreis abgestellt, von diesem sind nicht angefallene Aufwendungen wie Maut, Diesel, Abnützung des Fahrzeuges, Einsatz des Fahrpersonals, Einsatz eines Subfrachtführers etc. in Abzug zu bringen. Dies gilt nach der herrschenden Auffassung auch dann, wenn der vereinbarte Frachtpreis nicht kostendeckend ist.

Wenn der Transportunternehmer die ausgefallene Beförderung anderweitig ersetzt, d.h. einen anderen Frachtauftrag übernimmt, kommt es zu einer Anrechnung. Schließlich muss sich der Frachtführer anrechnen lassen, was er durch diese anderweitige Verwendung erworben hat (§ 1168 ABGB). Wenn der Transportunternehmer einen anderen zumutbaren Frachtauftrag ablehnt oder er es bewusst vermeidet, nach einem Ersatzauftrag zu suchen (z.B. durch Verwendung der Frachtenbörse etc.), kommt es aufgrund der gesetzlichen Regelung ebenfalls zur Reduktion des Frachtpreises. Es ist dabei jener Betrag abzuziehen, den der Transportunternehmer bei Annahme des anderweitigen Frachtauftrages erworben hätte. Der Transportunternehmer darf daher keinesfalls untätig bleiben. Auch dann, wenn der Ersatzauftrag nicht angemessen entlohnt ist, muss ihn der  Transportunternehmer annehmen, sofern es dadurch zu einer Teilentlastung des ursprünglichen Auftraggebers kommt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Annahme des Transportauftrages dem Transportunternehmer zumutbar ist.

Wenn den Frachtführer allerdings ein Verschulden trifft, weil er z. B. das falsche oder ein ungeeignetes Fahrzeug zur Ladestelle entsendet oder die vereinbarte Ladefrist vom Transportunternehmer überschritten worden ist, verliert der Transportunternehmer seinen Anspruch auf Frachtzahlung.

LADEAUFTRÄGE: VEREINBARUNGEN

Die dargestellten gesetzlichen Regelungen des ABGB zählen nicht zum zwingenden Recht, sodass vertragliche Regelungen über den Ausschluss des Anspruches auf Zahlung des (geminderten) Frachtpreises grundsätzlich zulässig sind. Voraussetzung ist allerdings, dass die entsprechende Klausel nicht sittenwidrig ist. Eine Sittenwidrigkeit und somit eine Unwirksamkeit der Vereinbarung kann dann vorliegen, wenn dem Transportunternehmer auch der Anspruch auf den geminderten Entgeltanspruch verwehrt wird, wenn der Auftraggeber grundlos und ohne Verschulden des Frachtführers kurzfristig den Transport abbestellt. Hier muss allerdings immer auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt werden. Grundsätzlich wäre es auch möglich, vertraglich die Kürzung des Entgeltanspruches auszuschließen, sodass dem Frachtführer der Anspruch auf die komplette Fracht ohne Minderung zusteht. Dies wäre dann einer Vertragsstrafe gleichzusetzen. Denkbar wäre auch eine Festlegung des zu zahlenden Frachtpreises mit einem bestimmten Prozentsatz. Damit könnten sich beide Parteien eine mühsame Auseinandersetzung mit der  tatsächlichen Höhe des zu zahlenden Betrages ersparen.

KEIN HANDELSBRAUCH

Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass es einen Handelsbrauch in Österreich darüber gäbe, dass im Falle einer Stornierung des Frachtauftrages durch den Auftraggeber der Frachtführer einen Anspruch auf Zahlung von 80 Prozent des ursprünglichen Frachtpreises hätte (80 Prozent Ausfallsfracht). Einen derartigen Handelsbrauch konnte ich trotz intensiver Recherchen nicht ausfindig machen. Es muss aber festgehalten werden, dass es im Einzelfall zutreffen kann, dass dem Frachtführer ein Anspruch in dieser Höhe zusteht.

Eine generelle Aussage darüber kann aber nicht getätigt werden. Im Regelfall wird der Anspruch aber deutlich darunter liegen, da auf die oben aufgezeigten gesetzlichen Regelungen abzustellen ist und der Frachtführer sich den Entgeltanspruch gemäß § 1168 ABGB reduzieren lassen muss. Eine derartige Reduktion kann nur vertraglich im Vorfeld ausgeschlossen werden. In den meisten Fällen fehlt es aber an einer derartigen Vereinbarung. Im deutschen Frachtrecht gibt es in § 415 Abs. 2 Z 1 HGB eine ähnliche Regelung wie im österreichischen § 1168 ABGB. Die deutsche Regelung enthält aber zusätzlich das Wahlrecht zugunsten des Frachtführers zwischen der vereinbarten Fracht, jedoch unter Anrechnung der ersparten Aufwendungen oder des anderweitig Erworbenen oder einem Drittel der vereinbarten Fracht. Aufgrund der Beweisprobleme und der mühsamen Berechnungen kommt es in der Praxis (auch in Österreich) meist zu einer Vereinbarung bei einem Drittel der vereinbarten Fracht. Derartige Vereinbarungen sind, insbesondere aus dem Blickwinkel einer raschen Erledigung von Streitigkeiten bei geringfügigen Beträgen, als angemessen zu betrachten. Es darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es meist um sehr geringe Beträge geht und die Kosten eines Gerichtsverfahrens immer den Streitwert bei weitem überschreiten. Der Richter hat unter Umständen ein sehr aufwändiges Verfahren bei äußerst geringfügigen Beträgen zu führen. Bei derartigen Verfahren müssen auch die involvierten Disponenten und informierte Personen der Geschäftsführung hinsichtlich der Berechnung der Kosten einvernommen werden. Oft werden auch Sachverständige vom Gericht beigezogen, um deren Meinung einfließen zu lassen. Man kann sich daher vorstellen, dass der Prozessaufwand bei diesen Streitigkeiten enorm sein kann.

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