Transporteur 03/22 – Dr. Schärmer – EU-Mobilitätspaket – Auch Spediteure und Versender haften!

Transporteur 03/22 – Dr. Schärmer – EU-Mobilitätspaket – Auch Spediteure und Versender haften!

Obwohl das EU-Mobilitätspaket bereits seit Sommer 2020 bekannt ist, schlägt es erst jetzt, gut ein und halb Jahre später, richtig Wellen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass seit 2. Februar 2022 die neuen Entsendebestimmungen und seit 21. Februar 2022 die neuen Kabotage-Regelungen und Rückkehrverpflichtungen des LKWs in Kraft getreten sind. Insbesondere die neue Verpflichtung im Zusammenhang mit Entsendemeldungen, die zukünftig für jeden Fahrer bei jedem entsendepflichtigen Transport über die neue IMI-Plattform vorzunehmen sind, sorgt für einen enormen administrativen Zusatzaufwand.

Vermehrt kursiert in der Branche jedoch die Fehlmeinung, dass die Neuerungen und die damit verbundenen Strapazen des EU-Mobilitätspakets lediglich Frachtführer betreffen und so lehnt sich der ein oder andere Spediteur fälschlicherweise gelassen zurück.

Auftraggeber/Versender aufgepasst!

Am 21. Oktober 2009 wurde von der EU die Verordnung Nr. 1072/2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs (kurz Marktzugangs-VO) erlassen. Diese regelt insbesondere Themen wie den Marktzugang, Gemeinschaftslizenz und Kabotage. Als Adressat dieser Verordnung tragen Verkehrsunternehmen (grenzüberschreitende Güterbeförderer) die Konsequenzen für die von ihnen begangenen Verstöße.

Das EU-Mobilitätspaket (genauer die Verordnung 2020/1055) hat jedoch nun klargestellt, dass unter anderem auch Versender und Spediteure für Verstöße gegen die Marktzugangs-VO haften sollen, wenn diese wussten oder hätten wissen müssen, dass die von Ihnen beauftragten Transportunternehmer Verstöße begehen (neuer Art. 14a). Der Beweggrund des europäischen Gesetzgebers für eine solche Regelung ist die Verhinderung des Missbrauchs von Transportunternehmen durch deren Auftraggeber (die bisher von so gut wie jeglicher Haftung befreit waren).

Da der europäische Gesetzgeber diese Sanktionen jedoch nicht selbst festlegt, sondern die Mitgliedstaaten zur Erlassung dieser verpflichtet, liegt es an den Mitgliedstaaten entsprechende Sanktionen in ihren nationalen Gesetzen zu implementieren. In Österreich wurde eine solche Umsetzung bisher noch nicht vorgenommen, allerdings ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Implementierung der Sanktionen gegen Versender und Spediteure demnächst erfolgt.

Haftung für Unterentlohnung sowie Lenk- und Ruhezeiten

Die Richtlinie Nr. 2020/1057 vom 15. Juli 2020 sieht darüber hinaus auch eine Möglichkeit vor, Versender und Spediteure in die Haftung zu nehmen, wenn die eingesetzten Verkehrsunternehmen Verstöße gegen die Entsendebestimmungen sowie Lenk- und Ruhezeiten begehen. Seit 2. Februar 2020 müssen bei der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen (internationaler Güterverkehr) über die neu eingerichtete IMI-Plattform Entsendemeldungen gemacht werden und gilt das Gastland-Lohn-Prinzip. Der Mindestlohn jenes Landes, in das der Fahrer entsandt wird, darf für die Dauer der Entsendung nicht unterschritten werden. Im Erwägungsgrund 39 der oben zitierten Richtlinie, legt der europäische Gesetzgeber fest, dass die Mitgliedstaaten auch klare und vorhersehbare Vorschriften über Sanktionen gegen Versender und Spediteure erlassen, wenn diese wussten oder hätten wissen müssen, dass der eingesetzte Verkehrsunternehmer gegen die Entsendevorschriften verstößt. Dies bedeutet das zukünftig auch Versender und Spediteure für die Unterentlohnung des Lenkers haften sollen.

Im § 8 des österreichischen Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (kurz „LSD-BG“) ist bisher nur eine Haftung des Auftraggebers als Bürge und Zahler für Entgeltansprüche von entsandten Arbeitnehmern aus einem Drittstaat vorgesehen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass zukünftig auch eine Haftung des Versenders und Spediteurs im Sinne der obigen Ausführungen auf nationaler Ebene festgelegt wird.

Schließlich räumt die oben genannte Richtlinie den Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit ein, Verlader und Spediteure in die Mitverantwortung zu ziehen, wenn diese mit Verkehrsdienstleistern Verträge schließen, die eine Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten nicht ermöglichen.

„Due Diligence“ wird wichtiger

Aus den Beweggründen und der Systematik des EU-Mobilitätspakets ist erkennbar, dass der europäische Gesetzgeber zukünftig auch die Strippenzieher der Branche, nämlich die Auftraggeber, Versender und Spediteure mit in die Haftung nehmen will. Das österreichische LSD-BG sowie Güterbeförderungsgesetz wurden noch nicht an die Änderungen des EU-Mobilitätspakets angepasst, jedoch ist auch hier davon auszugehen, dass zukünftig Auftraggeber für die Einhaltung der Entsendebestimmungen sowie Lenk- und Ruhezeiten durch die eingesetzten Frachtführer haften, wie dies etwa unser Nachbarland Deutschland im § 7c GükG gemacht hat. Dies bedeutet zukünftig einen erhöhten Kontrollaufwand für jeden Auftraggeber, denn diesen kann dann nicht mehr gleich sein, ob die von ihm beauftragten Frachtführer ihre Fahrer unterentlohnen oder etwa gegen die Kabotage-Vorschriften verstoßen. Eingesetzte Frachtführer müssen daher sorgfältiger im Zuge des „Due Diligence Prozesses“ unter die Lupe genommen und deren Verpflichtungen ausdrücklich in Rahmenverträgen festgelegt werden.

Fazit, Praxistipps:

*** Zahlreiche neue Vorschriften des EU-Mobilitätspakets wie insbesondere die neuen Entsendebestimmungen und Kabotage-Regelungen sind bereits in Kraft getreten

*** grundsätzlich ist Adressat dieser Vorschriften der Verkehrsunternehmer, sohin derjenige der die grenzüberschreitende Güterbeförderung selbst durchführt

*** zukünftig (nach Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber) sollen jedoch unter anderem auch Versender und Spediteure mit in die Haftung genommen werden

*** insbesondere eine Haftung für die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten, sowie Entsende- und Kabotageregelungen ist vom europäischen Gesetzgeber vorgesehen

*** derzeit sind die Vorgaben der EU noch nicht in nationale Recht umgesetzt, allerdings ist davon auszugehen, dass eine solche Implementierung bald erfolgt

*** aus diesem Grund wird es für Auftraggeber, Versender und Spediteure zunehmend wichtig den beauftragten Frachtführer genauestens zu überprüfen und dessen Verpflichtungen vertraglich festzulegen

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