Transporteur 11/22 – Dr. Schärmer – Raubüberfall grobe Fahrlässigkeit?

Transporteur 11/22 – Dr. Schärmer – Raubüberfall grobe Fahrlässigkeit?

In einem aktuellen Fall entschied das Oberlandesgericht Stuttgart über die Haftung des Frachtführers für einen bewaffneten Raubüberfall am Lkw.
Ausgangslage im gegenständlichen Rechtsstreit (3U 322/19) war ein Transport von Autoteilen von Deutschland nach Italien. Die Ware wurde vom beauftragten Frachtführer ordnungsgemäß abgeholt und nach Italien transportiert. Als der Fahrer gegen 19 Uhr an der Entladestelle in Italien ankam, war diese bereits geschlossen. Daraufhin stellte der Fahrer das Fahrzeug übers Wochenende gegenüber der Entladestelle auf einem unbewachten Parkplatz ab, um am Montag entladen zu werden. In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde der im Lkw schlafende Fahrer von kriminellen Tätern mit einem Messer bedroht und ein Teil der Ware nach Aufschlitzen der Plane gestohlen. Der Auftraggeber forderte in weiterer Folge Schadenersatz für die in Verlust geratenen Güter. Im Transportauftrag wurde vereinbart, dass der Frachtführer alle durch den Versicherer auferlegten Obliegenheiten, wie die Benutzung eines bewachten Parkplatzes, Diebstahlsicherungen etc. zu erfüllen hat.

Der Auftraggeber argumentierte, dass bereits das Abstellen des Fahrzeugs auf einem unbewachten Parkplatz in einem Industriegebiet in Italien, das am Wochenende nicht belegt ist, ein grobes Verschulden darstellt.

Koffer- statt Planenauflieger
Der Auftraggeber argumentierte, dass bereits das Abstellen des Fahrzeugs auf einem unbewachten Parkplatz in einem Industriegebiet in Italien, das am Wochenende nicht belegt ist, ein grobes Verschulden darstellt. Darüber hinaus hätte der Frachtführer beispielsweise einen bewachten Parkplatz anfahren, aufgrund der Diebstahlsgefahr einen Kofferauflieger – der im Gegensatz zu einer Plane nicht einfach aufgeschlitzt werden kann – und weitere Diebstahlsvorkehrungen treffen müssen. Der Frachtführer hingegen war der Meinung, dass er ordnungsgemäß handelte und vielmehr ein unabwendbares Ereignis im Sinne des Art. 17 Abs. 2 CMR vorliege.

Darlegungsobliegenheit
Da im gegenständlichen Fall die CMR anwendbar war, ist die Haftung des Frachtführers grundsätzlich mit 8,33 Sonderziehungsrechten pro Kilogramm des in Verlust geratenen Gutes beschränkt. Darüber hinaus haftet der Frachtführer nur dann, wenn diesem ein grobes Verschulden im Sinne des Art. 29 CMR anzulasten ist. Grundsätzlich obliegt es dem Auftraggeber in einem gerichtlichen Verfahren zu beweisen, dass den Frachtführer grobes
Verschulden am Verlust der Ware trifft. Die besondere frachtrechtliche Situation kann jedoch dazu führen, dass der Auftraggeber Umstände beweisen muss, die in der Sphäre des Frachtführers liegen (dem Auftraggeber nicht bekannt sind) und auf die der Auftraggeber keinen Zugriff hat. Dies ist beispielsweise die Information, wo der Lkw geparkt wurde, welche Sicherheitsvorkehrungen der Fahrer getroffen hat, welche Personen involviert waren etc. In diesen besonderen Fällen trifft den Frachtführer somit die Beweislast darüber, welche Maßnahmen zur Sicherung des übernommenen Gutes getroffen wurden.

Das Parken direkt vor der Empfängerfirma stellte für das Gericht eine offenkundige und erhebliche Erhöhung des Diebstahlrisikos dar.

Haftung in voller Höhe
Das Oberlandesgericht Stuttgart kam zu dem Schluss, dass der Frachtführer für den Verlust aufgrund von grobem Verschulden unbeschränkt haftet. Der Schaden hätte beispielsweise durch das Abstellen des Fahrzeugs auf einem bewachten Parkplatz vermieden werden können. Allein der Einsatz eines Planen-Lkw anstelle eines Kofferaufbaus stellt zwar kein schwerwiegendes Organisationsverschulden des Frächters dar. Allerdings war dem Frachtführer aufgrund einer Vielzahl an vergleichbaren Transporten aus der Vergangenheit bekannt, dass beim Transport von diebstahlgefährdeten Gütern mit nur einem Fahrer und einem Planen-Auflieger in Italien, erhöhte Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen sind.

Ziel: Bewachter Parkplatz
Durch das Abstellen des Fahrzeugs mit diebstahlgefährdeten Gütern an einem unbewachten Parkplatz in einem Industriegebiet in Italien über die Dauer von drei Tagen, wurden die berechtigten Sicherheitsinteressen des Auftraggebers grob fahrlässig missachtet. Zusätzlich führte das Gericht aus, dass der Fahrer das Fahrzeug direkt vor der Empfängerfirma parkte, sodass für jeden potentiellen Dieb ersichtlich war, dass er dort bis Montag auf seinen Entladevorgang wartete, was eine offenkundige und erhebliche Erhöhung des Diebstahlrisikos darstellt. Der Fahrer hätte nämlich in weniger als einer halben Stunde zu einem 23 Kilometer entfernten umzäunten, beleuchteten und Video- sowie Personen-überwachten Lkw-Parkplatz fahren können. Der Frachtführer konnte auch sonst nicht beweisen, dass dieser irgendwelche besonderen Diebstahlsvorkehrungen getroffen hat.

AUF EINEN BLICK

  • - Der Frachtführer haftet grundsätzlich für Verluste, die in seinem Obhutszeitraum (zwischen Übernahme und Ablieferung der Ware) passieren.
  • - Die Haftung des Frachtführers ist mit 8,33 Sonderziehungsrechten pro Kilogramm (ca. EUR 10) beschränkt.
  • - Handelt der Frachtführer grob fahrlässig, entfällt diese Beschränkung.
  • - Aufgrund der frachtführerlichen Darlegungsobliegenheit muss der Frachtführer beweisen, welche Maßnahmen dieser zur Sicherung des übernommenen Gutes getroffen hat.
  • - Das Abstellen eines leicht durchdringenden Planen-Aufliegers mit diebstahlgefährdeten Gütern auf einem italienischen unbewachten Parkplatz über ein Wochenende ist als grob fahrlässig zu werten
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