Stragü 11/2017, Dr. Schärmer – Falsche Ware nach Karatschi

Zuviel Ladegut beim Absender eingeladen – wer haftet? Branchenanwalt Dr. Dominik Schärmer über einen 91.000 Euro-Irrtum.

In einem durch alle Instanzen gehenden Rechtsstreit mussten wir uns mit der Frage beschäftigen, wer haftet, wenn der Transporteur beim Absender zu viele Frachtgüter übernimmt und diese schlussendlich in ein falsches Land befördert und sie dort beschlagnahmt werden. Wir haben das Höchstgericht für den von uns vertretenen Spediteur angerufen und den OGH um Klärung mehrerer für die Transportbranche wichtiger Rechtsfragen ersucht.

AUSGANGSLAGE

Der von uns vertretene Frachtführer übernahm den Transport eines 20 Fuß-Containers nach Pakistan. Vereinbart war, die Waren per Lkw abzuholen, in einen 20-Fuß-Container zu verladen, per Lkw nach Hamburg zu bringen und per Seefracht nach Karatschi zu transportieren. Die Waren wurden im Juli 2013 auf einen Lkw der von uns vertretenen Spedition verladen. Zusätzlich wurden irrtümlich 14 Packstücke weiterer Waren auf den Lkw verladen. Diese Waren waren nicht in dem erteilten Transportauftrag und den relevanten Transportpapieren enthalten, sondern hätten von einem anderen Transportunternehmer nach Indien geliefert werden sollen. Die insgesamt 46 Packstücke wurden per Lkw zum Hamburger Hafen gebracht, dort in einem 20 Fußcontainer verstaut und nach Karatschi verschifft. Im Hafen Karatschi wurde die komplette Sendung vom Schiff gelöscht und dem bevollmächtigten Zollbroker des Empfängers übergeben. Bei der technischen Überprüfung des Containers wurde festgestellt, dass statt der in den Frachtdokumenten angegebenen 32 Colli insgesamt 46 Colli geliefert worden waren. Dies führte zu Schwierigkeiten bei der Zollabwicklung und zur Beschlagnahme der Güter. Die klagende Transportversicherung hat gegen den von uns vertretenen Spediteur eine Klage im Ausmaß von 91.000 Euro eingebracht.

HANDELSGERICHT WIEN

Das Handelsgericht Wien hat zunächst die Klage des Transportversicherers abgewiesen. Das Handelsgericht begründete dies im Wesentlichen damit, dass aufgrund der Freizeichnungsklausel des § 37 AÖSp die Haftung des Spediteurs ausgeschlossen sei. Nach dieser Bestimmung ist jeder Schadensersatzanspruch gegen dem Spediteur ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber selbst eine Versicherung (hier Transportversicherung) abgeschlossen hat.

OBERLANDESGERICHT WIEN

Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat der Berufung der Klägerin Folge gegeben und hat das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung aufgetragen. Das Oberlandesgericht hat aber den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zur Klarstellung der Rechtsprechung im Hinblick auf § 37 lit. d AÖSp zugelassen.

OBERSTER GERICHTSHOF

Da das Oberlandesgericht Wien das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof zugelassen hat, haben wir für den von uns vertretenen Spediteur die Chance ergriffen, das Höchstgericht zur Klärung der zahlreichen für die Transportbranche wichtigen Rechtsfragen anzurufen. Der oberste Gerichtshof hat festgestellt, dass es sich hierbei um einen sogenannten multimodalen Transport handelt, da die Beförderung mit verschiedenen Beförderungsmitteln ausgeführt wurde. In diesem Fall ist die Haftung nach jenem Frachtrecht zu beurteilen, das für die Teilstrecke gilt, auf der der Schaden eingetreten ist (OGH, 7 Ob 2/16 v). Die klagende Transportversicherung hat dem von uns vertretenen Spediteur vorgeworfen, den Schaden durch fehlerhafte Verladung, nämlich Vermengung der für Pakistan und Indien bestimmten Waren, also die unmittelbare Grundursache der später verwirklichten Schäden in Österreich, herbeigeführt zu haben. Der oberste Gerichtshof vertritt hierzu die Auffassung, dass in diesen Fällen eines späteren Distanzschadens (schließlich ist die Beschlagnahme erst in Pakistan eingetreten) immer die Grundursache zunächst zu suchen ist. Da die klagende Partei einen Fehler bei der Beladung des Fahrzeugs in Österreich behauptet und auf diesen Beförderungsteil die CMR anzuwenden ist, muss die Haftung des Transportunternehmers nach den Bestimmungen der CMR untersucht werden.

VERLADUNG UND VERSTAUUNG

Die CMR regelt allerdings nicht, ob der Transportunternehmer auch zur Verladung und Verstauung des Transportguts verpflichtet ist. Im Zweifel ist die Verladung Aufgabe des Absenders. Wenn der Frachtführer vertraglich nicht zur Verladung verpflichtet wurde, spielt auch die tatsächliche Mithilfe des Fahrers bei der Verladung keine Rolle, weil diese Mithilfe des Lkw-Fahrers nicht Gegenstand der vertraglichen Pflichten aus dem Frachtvertrag ist. Nur dann, wenn die Verladung tatsächlich durch den Frachtführer vorgenommen wurde oder der Frachtführer vertraglich zur Verladung verpflichtet wurde, ist der Verladefehler, d.h. die Vermengung der beiden Sendungen, dem Frachtführer zuzurechnen. Unter anderem hat der oberste Gerichtshof für das weitere Verfahren dem Handelsgericht Wien aufgetragen, im Rahmen eines Beweisverfahrens abzuklären, wer die Verantwortlichkeit für den Verladevorgang hatte. Erst nach dieser Abklärung kann ein Urteil über die Haftung gefällt werden.

GENERALBEREINIGUNG/VERGLEICH

Zu der vom OGH aufgetragenen Klärung der Verantwortlichkeit für den Verladevorgang durch das Handelsgericht Wien ist es nicht mehr gekommen. Wir haben uns mit der klagenden Partei im Rahmen eines für beide Seiten angemessenen Prozessvergleichs, zur Vermeidung weiterer Verfahrenskosten, geeinigt. Dies insbesondere aufgrund der Tatsache, dass der Sachverhalt nicht mehr genau aufklärbar war und die damals involvierten Personen nicht mehr bei den betroffenen Unternehmen beschäftigt waren.

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