Transporteur 04/21, Dr. Schärmer – Beweisfalle Vorkühlung

Obhutshaftung des Frachtführers

Gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für Verluste oder Beschädigungen des Gutes die zwischen der Übernahme und der Ablieferung eintreten. Der Frachtführer ist daher für Schäden an der Ware verantwortlich, solange er das Gut in seiner Obhut hat (OGH 6 Ob 257/07y). Wird bei der Ablieferung ein Temperaturschaden festgestellt, so haftet der Frachtführer dann, wenn dieser Temperaturschaden im Zuge des Transports (im Obhutszeitraum) eintrat. Der Frachtführer kann sich somit von der Haftung befreien, wenn der Schaden nicht erst im Zuge des Transports eintrat, sondern auf eine unzureichende Vorkühlung durch den Absender zurückzuführen ist. In diesem Zusammenhang stellt sich nun folgende Problematik:

Muss der Frachtführer beweisen, dass die Ware unzureichend durch den Absender vorgekühlt wurde?

Oder muss der Absender beweisen, dass er die Ware ordnungsgemäß vorkühlte?

Kontrollpflichten bei der Übernahme

Gemäß Art. 8 Abs. 1 CMR ist der Frachtführer bei der Übernahme des Gutes unter anderem verpflichtet den äußeren Zustand des Gutes zu überprüfen. Bei dieser Überprüfungsverpflichtung stellen Kühltransporte ein besonderes Problem dar. Zum einen ist strittig, ob der Frachtführer die Temperatur des Gutes überprüfen muss und andererseits besteht die Problematik, dass dem Frachtführer oft keine angemessenen Mittel zur Verfügung stehen, um die Temperaturkontrolle durchzuführen. In diesem Zusammenhang wird auf die Zumutbarkeit der Überprüfung abgestellt. Die Obliegenheit zur Überprüfung kann wegen der Art des beförderten Gutes eingeschränkt sein oder entfallen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Frachtführer keine angemessenen Mittel zur Überprüfung hat. Sofern nicht bereits durch bloßes Befühlen des Gutes oder seiner Verpackung eine Temperaturabweichung festzustellen ist, braucht der Frachtführer spezielle Messgeräte.

Wenn das Transportfahrzeug Vorrichtungen oder Instrumente mitführt, die die Überprüfung ermöglichen oder erleichtern, bzw. solche Instrumente vom Absender zur Verfügung gestellt werden, wird der Frachtführer kaum begründen können, warum die Überprüfung dennoch unzumutbar gewesen wäre.

Somit ist bei der Überprüfungsverpflichtung darauf abzustellen, ob eine Überprüfung tatsächlich vom Frachtführer vorgenommen werden kann. Beim Vorhandensein entsprechender Instrumente ist der Frachtführer jedenfalls verpflichtet die Überprüfung durchzuführen.

Sofern die Überprüfung der Temperatur nicht möglich ist, hat der Frachtführer entsprechende Vorbehalte in den Frachtbrief einzutragen, um eine nachteilige Beweisvermutung zu vermeiden. Ist es dem Frachtführer nämlich nicht möglich die Temperatur zu überprüfen und unterzeichnet dieser dennoch vorbehaltlos den Frachtbrief, so entsteht gemäß Art. 9 CMR die Beweisvermutung dafür, dass die Güter in einem ordnungsgemäßen Zustand übernommen wurden und somit ausreichend vorgekühlt waren.

Beweispflicht für die Vorkühlung

Grundsätzlich hat der Anspruchsteller (meistens der Absender) zu beweisen, dass die Temperaturware dem Frachtführer in ordnungsgemäß vorgekühltem Zustand übergeben wurde. Die Beweislast trifft somit den Anspruchsteller. Wendet der Frachtführer daher ein, dass der Temperaturschaden nicht während des Transports entstand, sondern auf die unzureichende Vorkühlung zurückzuführen ist, so muss der Anspruchsteller beweisen, dass die Ware ordnungsgemäß vorgekühlt an den Frachtführer übergeben wurde.

Frachtbrief: zentrale Rolle

Da der Beweis für die ordnungsgemäße Vorkühlung für den Anspruchsteller schwierig sein kann, bietet der Frachtbrief eine enorme Beweiserleichterung. Gemäß Art. 9 Abs. 2 CMR wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Frachtführer das Gut in einem ordnungsgemäßen Zustand übernommen hat, wenn der Frachtbrief keine entsprechenden Vorbehalte enthält. Wurde vom Frachtführer daher im Frachtbrief nicht festgehalten, dass die Güter unzureichend vorgekühlt übernommen wurden bzw. dass die Überprüfung der Temperatur nicht zumutbar war, so entsteht die gesetzliche Beweisvermutung dafür, dass das Gut ausreichend vorgekühlt an den Frachtführer übergeben wurde. Dies führt auch zwangsläufig zu der weiteren Vermutung, dass das Transportgut erst im Zuge des Transports und somit im Obhutszeitraum des Frachtführers beschädigt wurde.

Mit einem solchen vorbehaltlosen Frachtbrief beweist der Anspruchsteller daher, dass das Transportgut ausreichend vorgekühlt wurde. Dies führt zu einer Umkehr der Beweislast und muss nun der Frachtführer anderwärtig beweisen, dass das Gut nicht ordnungsgemäß vorgekühlt wurde.

Wurde hingegen kein Frachtbrief ausgestellt oder enthält dieser einen Vorbehalt, ist die Beweislage für den Anspruchsteller äußerst schlecht, da dieser nun anderwärtig beweisen muss, dass die Ware vorgekühlt wurde.

Zusammenfassung, Praxistipps:

*Der Frachtbrief nimmt bei der Beweisproblematik für Temperaturschäden eine zentrale Rolle ein.
*Wird die Ware vom Frachtführer vorbehaltlos übernommen, so dient bereits der Frachtbrief als Beweis dafür, dass die Ware ordnungsgemäß vorgekühlt übergeben wurde.
*Hält der Frachtführer hingegen im Frachtbrief bei der Übernahme fest, dass die Kontrolle der Güter nicht möglich war bzw. eine mangelhafte Vorkühlung festgestellt wurde, so ist dieser in einer vorteilhafteren Beweissituation und muss der Anspruchsteller beweisen, dass die Ware vorgekühlt wurde.
*Um Beweislastschwierigkeiten zu vermeiden, wird dem Absender empfohlen, bei der Übergabe des Gutes vom Frachtführer den Frachtbrief oder eine Empfangsbestätigung unterschreiben zu lassen, in der die Ordnungsmäßigkeit der Temperatur bestätigt wird.
*Weiters kann bereits in Transportverträgen vereinbart werden, dass der Frachtführer dafür verantwortlich ist, die Temperatur zu kontrollieren und hierfür entsprechendes Equipment mitzuführen.
*Schließlich ist auch das Vorhandensein von entsprechendem Kontrollequipment an der Beladestelle vorteilhaft, da der Frachtführer sich hierdurch nicht mehr darauf berufen kann, dass ihm die Temperaturkontrolle unzumutbar gewesen sei.
*Dem Frachtführer ist hingegen anzuraten, bei der Unterschrift des Fachbriefes oder anderer Empfangsbestätigungen, deren Inhalt genau zu überprüfen und dort gegebenenfalls begründete Vorbehalte einzutragen.
*Ist dem Frachtführer nicht möglich die Überprüfung durchzuführen, so ist dies jedenfalls im Frachtbrief festzuhalten, um nachteilige Beweiswirkungen zu vermeiden.

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