Transporteur 06/23 – Dr. Schärmer – VERANTWORTLICHER BEAUFTRAGTER- Konzession in Gefahr!

Vergangenen Monat traf der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung (C-155/22), die verheerende Folgen für österreichische Transporteure hat.

Bei einer Unterwegskontrolle in Niederösterreich stellten Exekutivbeamte fest, dass mehrere Übertretungen gegen die Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten begangen worden seien. Genauer gesagt wurden fehlende manuelle Nachträge über Ruhezeiten, Einträge des Ländersymbols und Lenkzeitüberschreitungen vorgeworfen. Neben dem Lenker wurde, wie gewohnt, auch ein Verfahren gegen das Unternehmen eingeleitet. Da eine grundsätzlich wirksame Bestellungsurkunde vorlag, richtete sich die Strafe hierbei gegen die verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs. 2 VStG.

Wozu verantwortliche Beauftragte?

Eine Besonderheit des österreichischen Rechts ist die Möglichkeit der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragen. Gemäß § 9 Abs. 1 VstG haften bei Unternehmen die zur Vertretung nach außen befugten Personen für Übertretungen der Verwaltungsbestimmungen. Wird daher beispielsweise eine Strafe gegen den Arbeitgeber verhängt, weil z.B. Lenkzeiten überschritten wurden, so richtet sich diese Strafe grundsätzlich gegen den oder die handelsrechtlichen Geschäftsführer. § 9 Abs. 2 VstG bietet jedoch die Möglichkeit, diese Verantwortlichkeit auf eine andere Person zu übertragen. In diesem Zusammenhang können Unternehmen eine oder mehrere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellen, wodurch diese Person nun die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften in einem definierten sachlichen und räumlichen Bereich trägt und daher für die Übertretung dieser gesetzlichen Bestimmungen einzustehen hat. Ist daher in einem Betrieb ein verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten bestellt, sind Strafen wegen beispielsweise fehlender Eintragung eines Ländersymbols gegen den verantwortlichen Beauftragten – und nicht mehr gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer – zu richten.

Weiße Weste für Geschäftsführer

Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten dient in erster Linie dazu, den handelsrechtlichen Geschäftsführer zu entlasten und dennoch die Einhaltung aller Vorschriften im Unternehmen zu gewährleisten. Beispielsweise ein Fuhrparkleiter, der ohnehin mit allen Fahrern in Kontakt steht, kann dann die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften besser kontrollieren und die Fahrer entsprechend unterweisen. Die Möglichkeit einer Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten wurde von einigen Unternehmen jedoch auch genutzt, um das „Sündenregister“ eines Geschäftsführers sauber zu halten. Der Hintergrund liegt darin, dass der Geschäftsführer u.a. die verwaltungsstrafrechtliche Zuverlässigkeit nachweisen muss, um als Geschäftsführer agieren zu dürfen. Sammeln sich bei diesem Vorstrafen wegen Verletzung verwaltungsrechtlicher Bestimmungen an, kann die Zuverlässigkeit in Zweifel gezogen sowie in weiterer Folge aberkannt und das Gewerbe nicht mehr ausgeübt bzw. das Unternehmen nicht mehr geleitet werden. Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten führte daher dazu, dass Vorstrafen über diesen und nicht über den Geschäftsführer verhängt werden. Die Vorstrafen eines Angestellten wurden bislang nämlich nicht bei der verwaltungsstrafrechtlichen Zuverlässigkeit geprüft und hängt die Konzession auch nicht an diesem.

Dorn im Auge

Diese von einzelnen Unternehmen in Anspruch genommene „Umgehungsmöglichkeit“, die im Vergleich zu anderen europäischen Länder im österreichischen Recht einzigartig ist, war den Behörden und Gerichten ein Dorn im Auge. Ein niederösterreichisches Gericht nahm dies zum Anlassfall, um die Rechtslage vor dem europäischen Gerichtshof endgültig klären zu lassen.

Klare Vorgaben der EU

Um einheitliche Wettbewerbsbedingungen EU-weit zu erreichen und das Recht zu harmonisieren, hat die Europäische Union Vorschriften über den Zugang zum Beruf des Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmer erlassen. Darin ist geregelt, dass Unternehmen Vorschriften zu erlassen haben, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmer das Transportgewerbe ausüben darf. In Österreich umgesetzt wurde dies im Güterbeförderungsgesetz und ist u.a. zwingend der Nachweis einer Zuverlässigkeit notwendig. Dies bedeutet, dass nur zuverlässige Personen das Güterbeförderungsgewerbe ausüben dürfen. Die Zuverlässigkeit ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn dem Unternehmer einzelne schwere oder eine Summe an milderen Übertretungen anzulasten sind. Ist der Unternehmer zwar zum Zeitpunkt der Konzessionserteilung zuverlässig, kommt es später jedoch zu derartigen Verstößen, so sind die Behörden auch nachträglich dazu verpflichtet, festzustellen, ob die Zuverlässigkeit noch gegeben ist oder aberkannt werden muss. Da die EU somit klare Vorgaben für die Berufsausübung festgelegt hat, warf ein niederösterreichisches Gericht im gegenständlichen Fall die Frage auf, ob die in Österreich speziell vorgesehene Möglichkeit der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nicht im Widerspruch zu diesen unionsrechtlichen Vorgaben steht. Insbesondere ging es daher um die Frage, ob der österreichische § 9 Abs. 2 VstG (verantwortlicher Beauftragter) mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Letzte Lücke geschlossen

Der europäische Gerichtshof hat nun klargestellt, dass ein Transportunternehmer die Vorschriften über die Zuverlässigkeit nicht dadurch umgehen kann, dass ein verantwortlicher Beauftragter bestellt wird. Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten ist zwar weiterhin zulässig, allerdings nur dann, wenn das nationale Recht die Möglichkeit vorsieht, die gegen den verantwortlichen Beauftragten verhängten Strafen bei der Zuverlässigkeit des Unternehmers mitzuberücksichtigen. Das bedeutet, dass ein Transportunternehmer auch bei Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten keine garantierte „weiße Weste“ mehr hat. Strafverfügungen können sich zwar weiterhin gegen den verantwortlichen Beauftragten richten und sind von diesem zu bezahlen; allerdings sind die Strafen bei der Zuverlässigkeitsprüfung und Risikoeinstufungen des Unternehmers auch zu berücksichtigen und zu berechnen, soweit das österreichische Recht dies vor[1]sieht. Ist dies nicht der Fall, ist die Strafe gegen den Unternehmer, also den oder die handelsrechtlichen Geschäftsführer zu verhängen.

In der Praxis?

Bereits im Jahr 2021 hat der österreichische Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in seiner Leitentscheidung (2020/11/0016) festgehalten, dass die Strafen eines verantwortlichen Beauftragten bei einem Konzessionsentzug gegen den Unternehmer mitzuberücksichtigen sind. Der EuGH hat daher in seiner aktuellen Entscheidung im Wesentlichen die bereits vorhandene Ansicht des VwGH bestätigt. Nichtsdestotrotz hat die Entscheidung des EuGH verheerende Folgen, da hierdurch viele Behörden und Gerichte erst wachgerüttelt wurden und diese Ansicht nun in die Praxis umsetzen. Obwohl Behörden ausgehend von der erwähnten Rechtsprechung des VwGH schon bisher die Möglichkeit hatten, die Strafen des verantwortlich Beauftragten bei der Überprüfung der Konzession zu berücksichtigen, wurde hiervon kaum Gebrauch gemacht. In der Praxis wurde die Zuverlässigkeit bisher ausschließlich anhand der Strafen des Geschäftsführers ermittelt. In Unternehmen, in denen ein verantwortlicher Beauftragter bestellt war, hatte der Geschäftsführer somit meistens eine „weiße Weste“ und galt somit als zuverlässig. Da das neue EuGH-Urteil jedoch bereits Wellen geschlagen hat, soll sich auch die Behördenpraxis ändern und mit neuen Mitteln schärfer bei Konzessionsentzug vorgegangen werden.

Strafen bekämpfen, überleben

Da es nun gleichgültig ist, ob die Strafe gegen den verantwortlichen Beauftragten oder den Unternehmer verhängt wird, bleibt als einziges Schutzmittel nur mehr die Bekämpfung und Beseitigung von Strafen. Aus unserer Praxis ist bekannt, dass viele Strafen zwar auf den ersten Blick berechtigt erscheinen, die Formulierung des Übertretungsvorwurfes bei genauem Hinsehen jedoch oft an formellen Fehlern leidet, die zu einer Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens führen können. Genau aus diesem Grund ist es besonders wichtig jede Strafe von einschlägigen Experten überprüfen zu lassen. Aufgrund der neuen Rechtslage haben wir eine spezielle Straf-Hotline (Tel. 01-3100246) eingerichtet, bei der wir eine kostenlose Erstberatung bzw. Prüfung von Strafen anbieten. Bevor daher im Zweifel eine Strafverfügung bezahlt wird, die unter Umständen mit formellen Fehlern belastet ist, empfehlen wir diese kostenlos überprüfen zu lassen. Um sich in weiterer Folge jedoch gegen ungerechtfertigte Strafen zur Wehr setzen zu können, ist eine spezielle Rechtsschutzversicherung unerlässlich. Denn anders als im Zivilverfahren bekommt man auch bei einer Aufhebung der Strafe die Vertretungskosten im Verwaltungsstrafverfahren nicht ersetzt. Um daher Strafen effektiv ohne Kostenrisiko bekämpfen zu können, benötigt ein Transportunternehmer einen maßgeschneiderten Transporteur-Rechtsschutz. Hierbei kommt es insbesondere auf den Deckungsumfang, niedrige Bagatellgrenzen und die professionelle Abwicklung durch einen Experten an. Gerne stehen wir bei der Auswahl eines geeigneten Versicherungsproduktes beratend zur Seite. Trotz der aktuellen Entscheidung wird die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten aus strategischen Gründen weiterhin empfohlen. Hierzu wollen wir jedoch nicht zu viel aus dem „Nähkästchen plaudern“. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass sich die gegenständliche Entscheidung des europäischen Gerichtshofs ausschließlich mit Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten befasst, diese Ansicht jedoch aller Voraussicht nach in Zukunft auch auf andere Strafen aus dem Verkehrsbereich angewendet wird.

TIPP:

Dr. Schärmer wird auf der Fachmesse „AutoZum“ in Salzburg am 20. Juni um 14.40 Uhr in Halle 7 in einem halbstündigen Vortrag das Thema „Muss ein Transportunternehmer auf die Freigabe des Versicherers bei der Lkw-Reparatur warten?“ beleuchten.

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