Stragü 03/2017, Dr. Schärmer – Nicht mein Kaffee – Steuerbestimmungen

Eine aktuelle OGH-Entscheidung zeigt, dass die Unkenntnis von einschlägigen Steuerbestimmungen (in diesem Fall die deutsche „Kaffeesteuer“) kein schweres Verschulden des Frachtführers darstellt.

Im vorliegenden Fall (Rechtsinformationssystem 7 Ob 181/16t) ging es um einen Rechtsstreit zwischen einem Warenversender und einem Spediteur/ Frachtführer. Zwischen den Streitteilen bestand ein Rahmenvertrag über die Beförderung von Kaffee. Der beklagte Transportunternehmer übernahm die Beförderung von Kaffeesendungen von Österreich über Deutschland nach Belgien, Dänemark, Luxemburg und in die Niederlande. Der Frachtführer setzte zur tatsächlichen Durchführung Unterfrachtführer ein. Im Rahmen einer Verkehrskontrolle beanstandete das Hauptzollamt Erfurt einen der letzten Transporte und stellte den im Frachtraum vorgefundenen Kaffee sicher. Letztendlich wurde mit Bescheid des Hauptzollamtes Erfurt gegenüber der Klägerin als Steuerschuldnerin für die durchgeführten 19 Transporte die Kaffeesteuer mit 279.111,12 Euro festgesetzt. Die Klägerin begehrte vom Frachtführer die Zahlung von 279.111,12 Euro und
behauptete, dass nach den vereinbarten AÖSp die beklagte Frachtführerin auch die ordnungsgemäße Verzollung der Versendung zu übernehmen hat. Dadurch, dass die beklagte Partei die Anzeige der Kaffeedurchfuhren durch Deutschland beim Hauptzollamt Stuttgart unterlassen hat, habe sie grob fahrlässig gehandelt.

GESETZES-MELANGE

Kaffee sowie in das Steuergebiet beförderte kaffeehaltige Waren unterliegen der deutschen Kaffeesteuer. Steuergebiet ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Die Kaffeesteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung. Die Kaffeesteuer für Röstkaffee beträgt 2,19 Euro pro Kilogramm. Die Kaffeesteuer entsteht, wenn der Kaffee aus dem zollrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet gelangt, dadurch, dass der Kaffee im Steuergebiet im Besitz gehalten oder verwendet wird. Dies gilt nicht, wenn der im Besitz gehaltene Kaffee nicht für das Steuergebiet bestimmt ist und durch das Steuergebiet befördert wird.

Wer Kaffee beziehen, in Besitz halten oder verwenden will, muss dies dem Hauptzollamt vorher anzeigen und für die Steuer Sicherheit leisten. Wer Kaffee durch das Steuergebiet durchführen will, hat dies dem Hauptzollamt vorher anzuzeigen. Nach der deutschen Kaffeesteuerverordnung muss die gesetzlich vorgesehene Anzeige vom Beförderer vor der Durchfuhr beim Hauptzollamt Stuttgart abgegeben werden. Es stellt sich die Frage, ob ein österreichischer Spediteur oder Frachtführer Kenntnis von diesen deutschen Bestimmungen des Abgabenrechtes haben muss? Dies unter der Berücksichtigung, dass der Auftraggeber den Beförderer nicht gesondert auf diese Bestimmungen bzw. auf die Anzeigepflicht bei der Durchfuhr von Kaffee durch Deutschland hingewiesen hat.

AUFFASSUNG DES OGH

Da im vorliegenden Fall ein Speditionsvertrag zu festen Kosten abgeschlossen wurde (§ 413 UGB) ist zwingendes Frachtrecht anzuwenden. Aufgrund des Straßengütertransports sind die Bestimmungen der CMR anzuwenden. Zu den Nebenpflichten des Speditionsvertrags gehört auch die Verzollung. Erfordert die Ausführung des übernommenen Speditionsgeschäfts eine Verzollung, so hat der Spediteur für die ordnungsgemäße Verzollung zu sorgen. Die Verzollung zählt aber auch zu den Nebenpflichten des Frachtführers (7 Ob 181/16t). Die Unkenntnis verwaltungsrechtlicher Vorschriften löst dann eine Haftung des Frachtführers aus, wenn diese auf einen besonders schweren Sorgfaltsverstoß zurückzuführen ist. Nach der Auffassung des OGH stellt die Unkenntnis der Bestimmungen des deutschen Kaffeesteuergesetzes unter der deutschen Kaffeesteuerverordnung für sich alleine kein grobes Verschulden des Frachtführers dar. Dies wird damit begründet, dass von einer „Verzollung“ in der Regel nur bei die EU-Grenzen überschreitenden Beförderungen auszugehen ist. Es handelte sich hierbei daher nicht um eine typische Verzollungstätigkeit. Hier wurde der Kaffee nicht aus einem Drittland in die Europäische Union, sondern lediglich innerhalb der Europäischen Union verbracht. Es liegt daher kein typischer Verzollungsvorgang oder ein zollgleicher Vorgang vor. Nur für einen solchen hätte der beklagte Spediteur bzw. Frachtführer einzustehen gehabt. Die Beurteilung steuerrechtlicher Fragen gehört – nach Ansicht des OGH – nicht zu den von der beklagten Transportunternehmerin übernommenen Verpflichtungen.

RESÜMEE

Die Unkenntnis der hier einschlägigen Steuerbestimmungen (Kaffeesteuergesetz, Kaffeesteuerverordnung) stellt daher für sich allein kein grobes Verschulden des Frachtführers dar (7 Ob 181/16t). Da im vorliegenden Fall der Anspruch erst nach Ablauf eines Jahres eingeklagt wurde, hat der OGH auch eine Verjährung gemäß Art. 32 CMR festgestellt. Da der OGH kein schweres Verschulden des Transportunternehmers angenommen hat, war auch die dreijährige Verjährungsfrist nicht anzuwenden. Die Klage wurde daher abgewiesen. Diese Entscheidung zeigt, dass das Höchstgericht sehr praxisnah herausgearbeitet hat, dass es eine klare Aufgabenverteilung zwischen Frachtführer und Versender gibt. Der Spediteur bzw. Frachtführer ist nicht verpflichtet, alle erdenklichen steuerrechtlichen Bestimmungen zu kennen. Vorsicht: Die einschlägigen Zollbestimmungen und sonstigen üblicherweise mit den von einem Transportunternehmer übernommenen Transporten verbundenen Bestimmungen muss der Frachtführer allerdings kennen.

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