Stragü 09/2019, Dr. Schärmer – Nichts als heiße Luft

Ausgangslage

In einer Strafverfügung vom Mai 2019, wurde unserem Mandanten vorgeworfen, er habe sein Tankfahrzeug, in dem zuletzt der gefährliche Stoff Bitumen transportiert wurde nicht richtig gekennzeichnet und darüber hinaus war der Domdeckel nicht verschlossen, was ebenfalls einen Verstoß gegen das GGBG darstelle. Gegen diese ungerechtfertigte Strafverfügung setzten wir uns zur Wehr und konnten die Einstellung des Verfahrens bereits in erster Instanz erreichen. Unser Mandant führt regelmäßig Transporte von erwärmten flüssigen Stoffen (Bitumen) mit der UN Nummer 3257 durch. Das gefährliche Gut wird hierbei mir einer Temperatur von über 100°C transportiert. Nach dem Entladen wird das Tankfahrzeug üblicherweise durchgeblasen und der Domdeckel für die Rückfahrt geöffnet. Die Kontrolle ereignete sich beim Rückweg, als das gefährliche Gut bereits entladen war und das Fahrzeug leer und ungereinigt retour fuhr. Bei der Kontrolle wurde festgestellt, dass folgende Kennzeichnungen gefehlt haben:

*orangefarbene Tafeln – mit Zahl – am Heck und an den Vorderseiten

*Großzettel (Placards) Nr. 9 am Heck und an den beiden Längsseiten

*Kennzeichen für erwärmte Stoffe (Thermometersymbol) am Heck und an beiden Längsseiten.

Darüber hinaus wurde bemängelt, dass der ungereinigte leere Tank nicht so verschlossen und dicht gewesen sei, wie im gefüllten Zustand, da der Domdeckel des Tanksattelanhängers nicht dicht verschlossen gewesen sei.

Keine Anwendbarkeit des ADR

Bei der UN Nummer 3257 ist in der Tabelle A, Kapitel 3.2 ADR, in der Spalte 13 die Sondervorschrift TU 35 angeführt. Diese Sondervorschrift ist im Kapitel 4.3.5 geregelt und besagt, dass ungereinigte leere fest verbundene Tanks (Tankfahrzeuge), Aufsetztanks und Tankcontainer, die unter diese Sondervorschrift fallende Stoffe enthalten haben, nicht den Vorschriften des ADR unterliegen, wenn geeignete Maßnahmen ergriffen wurden, um mögliche Gefährdungen auszuschließen.

Diese Sondervorschrift war auch auf den gegenständlichen Transport anzuwenden. Die Behörde war der Meinung, dass der Transport jedenfalls als Gefahrguttransport einzustufen war, da die Innentemperatur des Tanks über 100°C betrug.

Die Sondervorschrift TU 35 bezieht sich jedoch nicht auf eine gewisse Temperatur des Tanks, wie die Behörden es oft fälschlich annehmen, sondern legt lediglich fest, dass geeignete Maßnahmen zu ergreifen sind, um mögliche Gefährdungen auszuschließen. Ob die Innentemperatur des Tanks hierbei über 100°C liegt, ist für die Anwendbarkeit der Sondervorschrift TU 35 irrelevant. Bei einer Innentemperatur des Tanks von unter 100°C, handelt es sich ohnehin lediglich um warme Luft, von welcher jedenfalls keine Gefahr ausgeht und das ADR somit nicht anwendbar wäre. Somit sind die Vorschriften des ADR dann nicht anzuwenden, wenn ergriffene Maßnahmen dazu führen, dass keine Gefährlichkeit mehr gegeben ist. Die Gefährlichkeit bei leeren ungereinigten Tanks mit einer Temperatur von über 100 °C besteht darin, dass der Tank beim Abkühlen implodieren könnte. Ein solches Szenario war im gegenständlichen Fall jedoch dadurch auszuschließen, weil unter anderem der Domdeckel geöffnet war.

Das Öffnen des Domdeckels sorgt für einen schnelleren Abkühlprozess und bewirkt einen Druckausgleich zwischen dem Inneren und dem Äußeren des Tanks. Das Öffnen des Domdeckels stellt die alltägliche Praxis im Transport von leeren ungereinigten Tanks, die zuvor erhitzte Flüssigkeiten transportiert haben, dar und wird von nahezu allen Beförderern so ausgeübt. Dies bestätigte auch der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit seinem Erkenntnis vom 26.7.2007, VwSen-161975/8/Zo/Se, in dem er ausführte, dass das Öffnen des Domdeckels eine geeignete Maßnahme darstellt, um Gefährdungen bei der Beförderung eines ungereinigten leeren Tanks zu verhindern. Durch das Öffnen des Domdeckels hat der Beschuldigte sohin eine geeignete Maßnahme getroffen, um Gefährdungen zu verhindern.

Das Öffnen des Domdeckels ist darüber hinaus auch dann zulässig und auch notwendig, wenn ein Vakuumventil vorhanden ist. Ein solches Vakuumventil stellt einerseits ebenfalls eine geeignete Maßnahme dar um eine Gefährdung zu vermeiden, da es für einen Druckluftausgleich sorgt und ein Importieren des Tanks verhindert. Bei der Beförderung von Bitumen, kann es jedoch sein, dass dieses Ventil aufgrund der Eigenschaften des Stoffes verklebt wird und daher nicht ordnungsgemäß funktioniert. Hier sorgt das Öffnen des Domdeckels für eine Absicherung.

Weiters hat der Fahrer gleich nach dem Entladen des Gefahrguts das Tankfahrzeug dem sogenannten Behandlungsprozess des „Durchblasens“ unterzogen. Hierbei werden Reste des gefährlichen Stoffes aus dem Tankfahrzeug entfernt. Dieser Prozess kommt einer Reinigung nahezu gleich, da im Inneren des Fahrzeuges großteils nur noch warme Luft verbleibt, die jedenfalls kein Gefahrgut im Sinne des ADR darstellt. Auch besteht durch die Öffnung des Domdeckels, aufgrund es Durchblasen keine Gefahr des Austritts von gefährlichen Gütern, da diese Zuvor entfernt wurden und somit lediglich heiße Luft austreten kann, die keine Gefahr darstellt.

Zusammenfassung

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der gegenständliche Transport nach der Sondervorschrift TU 35 zu beurteilen war und der Beschuldigte die darin normierten geeigneten Maßnahmen, um Gefährdungen bei der Beförderung zu verhindern, ergriffen hat.

*Öffnung des Domdeckels sorgt für Druckausgleich und verhindert ein Implodieren des Tanks

*Das Durchblasen des Tanks entfernte Gefahrgutreste und kühlt das Innere des Tanks ab

*Das Vakuumventil sorgt ebenfalls für einen Druckausgleich

Zusammenfassend war daher eine Kennzeichnung des gegenständlichen Transportes nicht notwendig, da der Transport aufgrund der Sondervorschrift TU 35 von der Anwendbarkeit des ADR befreit ist.

Die Öffnung des Domdeckels stellt ebenfalls keinen Verstoß dar, da dieses Vorgehen die gängige Praxis darstellt und als Sicherheitsmaßnahme dem Druckausgleich dient. Der gegenständliche Fall zeigt wieder mal, dass die Strafbehörden mit allen Mitteln versuchen eine Verurteilung herbeizuführen. Es wird daher empfohlen, die Strafverfügungen genauestens vom Spezialisten überprüfen zu lassen, auch wenn der Inhalt der Strafverfügungen noch so detailliert und fachlich abgefasst sein sollte. Bei genauerem Hinschauen entpuppt sich eine Strafverfolgung oft als „Luftblase“. Da das Gesetz nach wie vor keine Kostenersatzpflicht der Behörde vorsieht, die das Verfahren zu Unrecht eingeleitet hat, wird zusätzlich empfohlen, eine für derartige Verwaltungsstrafverfahren zugeschneiderte Rechtsschutzversicherung einzudecken.

Stragü 09/19 – PDF