Flüchtlingsangriff stellt unabwendbares Ereignis dar

Übergriffe auf LKWs auf den europäischen Straßen durch Flüchtlinge nehmen weiterhin zu. In einem brandaktuellen Fall ging es um die Frage ob der Frachtführer für den, durch Flüchtlinge verursachten, Schaden an der Transportware haftet, oder ob dies als unabwendbares Ereignis iSd Art 17 Abs 2 4. Fall CMR zu qualifizieren ist und den Frachtführer somit von der Haftung befreit.

Ausgangslage

Unser Mandant wurde mit einem Transport von Österreich nach Großbritannien beauftragt. Als Transportfahrzeug wurde ein Planensattelzug vereinbart. Als Transportroute wurde die gewöhnliche Route über den Grenzübergang Calais gewählt. Auf dem Autobahnabschnitt, der kurz vor Calais liegt, kam es dann zu Schwierigkeiten, weil die Fahrbahn mit brennenden Reifen und Holz blockiert wurde. Dies stellte augenscheinlich einen Versuch von Flüchtlingen dar, Transportfahrzeuge, welche diese Route am Weg nach Großbritannien befahren, zum Anhalten zu bewegen. Aufgrund der sich auf der Fahrbahn befindlichen Hindernisse konnte auch der LKW-Fahrer die Fahrt nicht mit gehabter Geschwindigkeit fortsetzen, sondern musste das Fahrzeug abbremsen bzw. kurz anhalten. Bei dem besagten Verlangsamen oder Anhalten des Fahrzeuges kam es dazu, dass Flüchtlinge gewaltsam den Laderaum des Fahrzeugs öffneten und bestiegen. Aufgrund der turbulenten, lärmenden, teils auch gefährlichen und jedenfalls sehr beängstigenden Situation fiel es dem Lenker zunächst nicht auf, dass Flüchtlinge auf die Ladefläche gelangt waren. Als kurz vor dem Eurotunnel bei einer Kontrolle bemerkt wurde, dass sich Flüchtlinge im Auflieger befanden, war die Ware bereits beschädigt und unbrauchbar.

Gegen den Schadenersatzanspruch des Auftraggebers, bezüglich des entstandenen Warenschadens, setzten wir uns zur Wehr und konnten diesen erfolgreich abwehren. 

Warenschaden durch einen Flüchtlingsangriff, stellt ein unabwendbares Ereignis dar

Gemäß Art 17 Abs 1 CMR haftet der Frachtführer unter anderem für die Beschädigung des Gutes, sofern diese zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Da die Beschädigung der Transportware im gegenständlichen Fall in diesem Zeitraum stattfand, kam grundsätzlich eine Haftung des Frachtführers in Frage.

Der Frachtführer ist jedoch von dieser Haftung befreit, wenn die Beschädigung durch Umstände verursacht worden ist, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte (Art 17 Abs 2 4. Fall CMR).

Der Frachtführer wird von der Haftung dann befreit, wenn die Beschädigung auf einem unabwendbaren Ereignis beruht, es also dem Frachtführer auch durch Anwendung äußerster, nach den Umständen des Falles möglicher und vernünftigerweise zumutbarer Sorgfalt nicht möglich war, den Schadenseintritt zu verhindern.

Eine Haftungsbefreiung ist nur dann denkbar, wenn der Frachtführer – unter Beachtung der frachtvertraglichen Vereinbarungen – alle gebotenen technisch und organisatorisch in Betracht kommenden Sicherheitsmaßnahmen getroffen hat, wie

–        Verwendung technischer Sicherungssysteme,

–        möglichste Vermeidung von Zwischenstopps, insbesondere bei erhöhter Diebstahlsgefahr,

–        sorgfältige Routenplanung und Ansteuern geeigneter Parkplätze

In diesem Sinne hat es sich im vorliegenden Fall um ein unabwendbares Ereignis für den Frachtführer gehandelt.

Der Frachtführer hat angesichts der bekannten Gefährlichkeit der Route sorgfältig die in Betracht kommenden und zumutbaren Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt.

Die LKWs durften nur auf gesicherten Parkplätzen halten. Darüber hinaus standen der Frachtführer und sein Auftraggeber bereits in längerer Geschäftsbeziehung, weshalb der Auftraggeber auch die übliche Vorgehensweise des Frachtführers kannte. Wenn der Frachtführer eine bestimmte Route wählen hätte sollen, hätte ihm dies der Auftraggeber ausdrücklich sagen müssen. Vom Frachtführer kann nicht verlangt werden, dass dieser ohne dahingehenden Auftrag eine teurere und langsamere Route wählt, da dies wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Zudem hätte dieser bei einer anderen Route die vereinbarten Lieferzeiten nicht einhalten können. Aus diesen Gründen stellte die gewählte Route eine angemessene Maßnahme dar.

Es kann dem Frachtführer auch nicht vorgeworfen werden, dass er nicht ein teureres Kofferfahrzeug verwendet hat, da im Transportvertrag ein Planenfahrzeug vereinbart war. Darüber hinaus hat der Frachtführer einen Hinweis in seiner Signatur und Auftragsbestätigung angeführt, um auf die Gefährlichkeit und die Möglichkeit eines Kofferfahrzeuges hinzuweisen. Durch diesen ausdrücklichen Hinweis und die Empfehlung der Verwendung eines Kofferfahrzeuges hat der Frachtführer seiner dahingehenden Verpflichtung genüge getan. Dem Frachtführer war die Fahrzeugwahl daher nicht vorzuwerfen.

Weiters hat der Frachtführer angesichts der durchgeführten Sicherheitsmaßnahmen auch für die Verwendung des Planenfahrzeuges die äußerst mögliche Sorgfalt aufgewendet. Darüber hinaus sicherte der Frachtführer das gewählte Fahrzeug durch schnittsichere Seitenwände, ein Schloss und eine Zollschnur ab. Eine mangelnde Sicherung kann dem Frachtführer daher ebenfalls nicht angelastet werden.

Es gab insgesamt neben den erfolgten Sicherungsmaßnahmen keine möglichen und zumutbaren weiteren Maßnahmen für den Frachtführer, um den eingetretenen Fall zu verhindern. Der Frachtführer hat somit auch in Bezug auf die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen die äußerst zumutbare Sorgfalt aufgewendet. Es lag daher ein unabwendbares Ereignis iSd Art 17 Abs 2 4. Fall CMR vor, das den Frachtführer von der Haftung befreit.

Zusammenfassung

–        dem Frachtführer ist die Fahrzeugwahl nicht anzulasten, da der Einsatz eines Planenfahrzeugs vereinbart war

–        Der LKW machte seine Pausen auf bewachten Parkplätzen

–        Die Routenwahl ist dem Frachtführer ebenfalls nicht anzulasten, da die Vertragsparteien in längerer Geschäftsbeziehung standen und deshalb nicht erwartet werden konnte, dass der Frachtführer ohne entsprechenden Auftrag eine teurere und längere route wählt

–        Das Fahrzeug wurde mit allen möglichen Mitteln gegen Übergriffe Dritter gesichert

–        Insgesamt hat der Frachtführer in Bezug auf die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen die äußerst zumutbare Sorgfalt aufgewendet und ist deshalb von der Haftung befreit

Praxistipps

–        Vertraglich vereinbaren welche Art von Fahrzeug eingesetzt wird

–        Die Route im Vorfeld mit dem Auftraggeber abstimmen

–        Den Auftraggeber über mögliche Gefahren aufklären

–        Dem Auftraggeber zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen gegen einen Aufpreis anbieten

–        Das Fahrzeug den Umständen der Vereinbarung entsprechend, möglichst gut sicher

Haben Sie Fragen dazu? Unsere Experten stehen Ihnen zur Verfügung:
RA Dr. Dominik Schärmer
Alexej Miskovez