Transporteur 03/22 – A. Miskovez – Mobilitätspaket neu – Wenn gesetzmäßiges Handeln grob Fahrlässig sein kann

Was das neue EU-Mobilitätspaket mit der Haftung für Ladungsdiebstähle und Ihrer Verkehrshaftungsversicherung zu tun hat, haben wir für Sie auf einen Blick zusammengefasst:

Verbot der regulären Wochenruhe im Fahrzeug

Bereits seit längerer Zeit haben zahlreiche Länder in ihren nationalen Gesetzen ein Verbot zur Abhaltung der regulären wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug vorgesehen. Mit dem EU-Mobilitätspaket wurde dieses Verbot am 20. August 2020 EU-weit vereinheitlicht (Art. 8 Abs. 8 der VO Nr. 561/2006). Die reguläre wöchentliche Ruhezeit darf seitdem ausschließlich in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen verbracht werden. Als solche gelten etwa Hotels und entsprechend ausgerüstete Container.

Pattstellung

Aufgrund der oben angeführten gesetzlichen Änderung ist jeder Fahrer somit verpflichtet, die reguläre wöchentlichen Ruhezeit außerhalb des Fahrzeuges zu verbringen. Der Fahrer handelt somit gesetzmäßig, wenn dieser das Fahrzeug für die Abhaltung der wöchentlichen Ruhezeit verlässt. Kommt es während dieser Zeit zu einem Ladungsdiebstahl, ergibt sich hieraus folgender Paradox:

Der Frachtführer handelt möglicherweise grob fahrlässig, da er die Ware unbeaufsichtigt (ohne Fahrer im Fahrzeug) während der regulären Wochenruhe stehen lässt, gleichzeitig ist es dem Fahrer gar nicht möglich anders zu handeln, da dieser gesetzlich dazu verpflichtet, ist das Fahrzeug zu verlassen.

Lässt der Fahrer sein Fahrzeug unbeaufsichtigt an einem Parkplatz zurück und kommt es darauf hin zum Diebstahl der Ware, so ist meistens von einem Verschulden des Frachtführers auszugehen. Die Haftungsbefreiung aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR scheidet in solch einem Fall aus. In einigen Fällen ist zu erwarten, dass der Lkw Fahrer mit der Zugmaschine seine Unterkunft aufsuchen wird und dabei den Auflieger absattelt. Es sind somit mehrere praxisrelevante Sachverhaltskonstellationen denkbar, die eine unbeschränkte Haftung gemäß Art. 29 CMR auslösen und sogar den Versicherungsschutz gefährden könnten.

Versicherungsdeckung kann entfallen

Mit der oben aufgezeigten Problematik sind auch weitreichende Folgen im Zusammenhang mit der Verkehrshaftungsversicherung verbunden. In vielen Versicherungspolizzen sind Obliegenheiten oder Ausschlüsse vom Versicherungsschutz enthalten, wenn der Versicherungsnehmer nicht dafür Sorge trägt, dass das beladene Fahrzeug ordentlich (sicher) abgestellt wird. Weiters sind auch Ausschlussklauseln gängig, die vorsehen, dass Diebstähle aus abgesattelten Aufliegern vom Versicherungsschutz von vornherein ausgenommen sind.

Eine Verletzung von derartigen Obliegenheiten bzw. die Verwirklichung eines Ausschlusstatbestandes durch den Versicherungsnehmer kann dazu führen, dass der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit ist. Das Verschulden wird dem Transportunternehmer zugerechnet als Versicherungsnehmer, wenn dieser seinen Fahrern die Weisung erteilt, das Fahrzeug zu verlassen und die wöchentliche Ruhezeit außerhalb zu verbringen. Gleichzeitig kann der Transportunternehmer gar nicht anders handeln, da dieser gesetzlich dazu verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass seine Fahrer die wöchentliche Ruhezeit außerhalb des Fahrzeuges verbringen.

Ein Umdenken muss aufgrund des Mobilitätspaketes her:

Transporte besser planen

Der Weg aus diesem Dilemma führt nur über die sorgfältige Planung und Einteilung von Transporten und Fahrern. Werden diebstahlsgefährdete Güter transportiert, so sollte auf keinen Fall ein Lenker eingesetzt werden, der im Zuge des Transports eine reguläre wöchentliche Ruhezeit einlegen muss. In solchen Fällen sollten ausschließlich Fahrer eingesetzt werden, die noch einige Tage „in Reserve“ haben, bevor die reguläre wöchentlichen Ruhezeit eingelegt werden muss. Kommt es dennoch dazu, dass ein Fahrer die wöchentliche Ruhezeit konsumieren muss, obwohl er beladen ist, so sollte lediglich die verkürzte Wochenruhe eingelegt werden, da der Fahrer bei dieser im Fahrzeug bleiben darf. Wer die Möglichkeit hat, das Fahrzeug während der Wochenruhe am eigenen gesicherten und bewachten Betriebsareal abzustellen, sollte von dieser jedenfalls Gebrauch machen. Wenn alle Stricke reißen müssen einfache Sicherheitsmaßnahmen überlegt werden. Beispielsweise könnte ein anderer Fahrer oder Bewacher in den Lkw gesetzt werden, damit die Ware nicht vollständig alleingelassen wird.

Gespräch mit Versicherungsmakler

Grundsätzlich sollte die grobe Fahrlässigkeit in einem CMR-Versicherungsvertrag mitversichert sein. Problematisch ist in derartigen Fällen aber der Umstand, dass der Transportunternehmer weiß oder wissen muss, dass die Fahrzeuge teils unbesetzt sind. Er müsste daher entsprechende Organisationsmaßnahmen treffen, damit man nicht von einem innerbetrieblichen Organisationsverschulden sprechen kann, welches dem Versicherungsnehmer zuzurechnen ist. Ein Gespräch mit dem spezialisierten Versicherungsmakler zu dieser Thematik wäre empfehlenswert, insbesondere zur Frage, ob man dieses Risiko auch versicherungsvertraglich abfedern kann..

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