Transporteur 07/23 – A. Miskovez – Empfänger lädt mehr aus, als vorgesehen

FALSCHABLIEFERUNG Gerade bei Teilladungen kommt es nicht selten zu Verwechslungen und falschen Entladungen. So kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass z.B. ein Frachtführer von zwei unterschiedlichen Kunden mit dem Transport von jeweils zwei Paletten beauftragt wird, bei dem zwei Paletten des Kunden A an den Empfänger A und zwei Paletten des Kunden B an den Empfänger B zu liefern sind. Bei der Entladung beim Kunden A werden versehentlich nicht nur die für diesen bestimmten, sondern auch die für den Kunden B vorgesehenen Paletten entladen. Wie so oft ist der Fahrer der Entladung nicht dabei und verlässt daher die Entladestelle, ohne den Vorfall zu bemerken. Als dem Fahrer beim Kunden B bewusst wird, dass dessen Ware versehentlich bei der vorherigen Entladestelle abgeladen wurde, ist es meistens zu spät. Die falsch ausgelieferte Ware wurde beim Kunden A umgeschlagen und befindet sich versehentlich schon auf dem Weitertransport.

Ware in Verlust?

Die erste Frage, die sich in derartigen Fällen stellt, ist, ob die Ware als in Verlust geraten gilt. Der klassische Verlust im Sinne der CMR liegt dann vor, wenn die Ware gestohlen wird und somit feststeht, dass weder der Frachtführer noch der Absender oder Empfänger wissen, wo die Ware verblieben und diese somit unauffindbar ist. In einem Fall wie dem gegenständlichen ist die Ware zwar nicht mehr beim Frachtführer, allerdings könnte diese noch auffindbar sein, da sie bei einem falschen Empfänger abgeliefert wurde. Für all diese Fälle legt Art. 20 CMR fest, dass die Ware als verloren betrachtet werden kann, wenn sie nicht binnen 30 Tagen nach Ablauf der vereinbarten Lieferfrist abgeliefert worden ist. Wurde keine fixe Lieferfrist vereinbart, so gelten 60 Tage ab Übernahme des Gutes. Die Falschablieferung an einen unberechtigten Empfänger führt somit jedenfalls zum Verlust, wenn die Ware nicht innerhalb von 30 Tagen gefunden und abgeliefert wird (sofern eine fixe Lieferfrist vereinbart wurde, ansonsten verlängert sich diese Frist auf 60 Tage ab der Übernahme).

Haftung des Frachtführers

Gemäß Art. 17 CMR haftet der Frachtführer für Verluste, die zwischen der Übernahme und der Ablieferung entstehen. In einem Fall wie dem gegenständlichen haftet der Frachtführer deshalb, weil keine wirksame Ablieferung erfolgte. Der Obhutszeitraum des Frachtführers ist nur dann beendet, wenn an den im Frachtbrief vorgesehenen Empfänger abgeliefert wurde. Wird die Ware daher versehentlich beim falschen Empfänger ausgeladen, gilt der Transport als nicht abgeschlossen und der Haftungszeitraum des Frachtführers als nicht beendet.

Mitverschulden Auftraggeber

Unter Umständen kann dem Auftraggeber dann ein Mitverschulden angelastet werden, wenn beide Transporte vom gleichen Auftraggeber beauftragt werden. Das Personal an beiden Entladestellen ist dann nämlich in aller Regel dem Auftraggeber zuzurechnen. Die Übernahme eines Gutes, dass nicht für den Empfänger bestimmt ist, stellt jedenfalls eine Sorgfaltswidrigkeit dar. Ist der Empfänger daher dem Auftraggeber zuzurechnen, kann dessen Fehlverhalten dem Auftraggeber gegenüber als Mitverschulden eingewandt werden. Festzuhalten ist jedoch, dass das Hauptverschulden stets beim Frachtführer bleibt, da schlussendlich dieser in erster Linie dafür verantwortlich ist, dass die richtigen Güter an den richtigen Empfänger übergeben werden.

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