Transporteur 12/21 – Dr. Schärmer – Fahrerflucht – Wenn man vom Schaden nichts bemerkt

Eine Handlung, 3 Delikte

Wer eine sogenannte „Fahrerflucht“ begeht, verwirklicht nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) meistens gleich 3 Delikte. Auch wenn der Lenker gar nichts von einem Unfall bzw. Sachschaden gemerkt hat, flattert wenige Zeit später eine Strafverfügung mit folgenden 3 Vorwürfen ins Haus:

  1. Sie haben das Fahrzeug beim Verkehrsunfall nicht sofort angehalten, obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist (§ 4 Abs 1 lit a, § 99 Abs 2 lit a StVO);
  2. Sie haben bei einem Verkehrsunfall an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt, obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist, da Sie die Unfallstelle einfach verlassen haben (§ 4 Abs 1 lit c, § 99 Abs 2 lit a StVO);
  3. Sie haben nicht die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub verständigt, obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift nicht erfolgt ist (§ 4 Abs 5, § 99 Abs 3 lit b StVO).

Steht der Lenker somit in einem ursächlichen Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, so hat dieser sofort anzuhalten, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken und sofern der gegenseitige Nachweis von Name und Anschrift nicht erfolgt ist, die nächste Polizeistelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

Was ist, wenn man nichts bemerkt hat?

Gerade bei Fahrzeugen wie LKWs, die um ein Vielfaches länger sind als PKWs und über größere tote Winkel verfügen, kommt es oft vor, dass ein Lenker beim Abbiegen mit dem Heck ein anderes Fahrzeug touchiert bzw. Verkehrsschilder beschädigt und dies nicht merkt. Aufgrund der vom Lkw ausgehenden lauten Motorgeräusche und der Konzentration des Lenkers auf das Verkehrsgeschehen vor ihm, ist dies auch nicht ungewöhnlich. Hält ein Lenker nach solch einem Vorfall nicht an, da ihm auch kein Schaden aufgefallen ist bzw. er dies nicht wahrgenommen hat, so begeht dieser grundsätzlich auch keine Fahrerflucht. Gemäß der höchstgerichtlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.05.2002 (2001/03/0417) ist Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht in subjektiver Hinsicht, das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens.

Nur weil man nichts merkt, ist man nicht straffrei

Obwohl der Lenker somit von einem Unfall wissen muss, um die Fahrerflucht zu begehen, bedeutet Unwissenheit nicht gleich Straffreiheit. Der Verwaltungsgerichtshof knüpft nämlich in seiner Rechtsprechung auch an die Sorgfaltspflichten des Lenkers an.

Der Tatbestand des § 4 Abs. 1 lit. a StVO und des § 4 Abs. 5 leg. cit. ist nämlich auch dann verwirklicht, wenn dem Lenker objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (VwGH 2001/03/0417). Dies bedeutet, dass nicht lediglich darauf abgestellt wird, ob der Lenker Wissen von einem Unfall hatte, sondern darauf, ob dem Lenker aufgrund besonderer Umstände, bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte auffallen müssen, dass es zu solch einem Unfall gekommen sein könnte. Dies ist besonders dann gegeben, wenn der Lenker zum Beispiel durch Blicke in die Spiegel, durch genaues Hinhören oder durch Reaktionen bzw. Deutungen anderer Verkehrsteilnehmer darauf hätte schließen können, dass sich ein Unfall ereignet hat.

Zusätzlich führt der VwGH aus, dass der Lenker auch bei riskanten Fahrmanövern, bei welchen die dringende Gefahr besteht, dass es zu einer Kollision mit anderen Verkehrsteilnehmern kommen kann, den Geschehnissen um sein Fahrzeug volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich erforderlichenfalls durch Nachschau nach dem Anhalten seines Fahrzeuges zu vergewissern hat, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist. Unterlässt er dies, so führt auch das Nichtwissen von einem Unfall zu einer Strafbarkeit.

Riskante Fahrmanöver liegen beispielsweise vor, wenn eine besonders enge Straße befahren wird, das Fahrzeug reversieren muss oder teilweise Grünflächen abseits der Straße befahren werden müssen. Bei solchen Fahrmanövern hat der Fahrer daher, auch wenn dieser keinen Unfall wahrgenommen hat, beispielsweise auszusteigen und sich durch die Umrundung des Fahrzeuges und Betrachtung des Umfeldes davon zu überzeugen, dass es tatsächlich zu keinem Unfall gekommen ist.

Ist bei einem Reversier-Manöver ein Einweiser vorhanden, so hilft dies zwar bei der Vermeidung von Unfällen, allerdings reicht es hierbei nicht aus, sich lediglich auf den Einweiser zu verlassen. Aus diesem Grund wird Lenkern stets empfohlen, sofern möglich, aus dem Fahrzeug auszusteigen und sich nach dem Fahrmanöver selbst davon zu überzeugen, dass es zu keinem Schaden gekommen ist.

Kostenfalle vermeiden

Wird über einen Lenker eine Strafe wegen Fahrerflucht verhängt, die gemäß unserer Erfahrung nicht niedrig ausfällt, so muss diese jedenfalls beeinsprucht werden. Das häufige Problem hierbei ist jedoch, dass Verfahren, in denen ein Lenker der Fahrerflucht verdächtigt wird, in den meisten Rechtsschutz-Polizzen nicht gedeckt sind. Daraus ergibt sich das Risiko, dass man als Lenker auf den Anwaltskosten, die deutlich höher als die verhängte Strafe sind, „sitzen bleibt“. Genau aus diesem Grund haben wir zusammen mit Versicherungen und Maklern aus der Transport-Branche spezielle „Transporteur-Rechtsschutz-Produkte“ entwickelt, um auch in solchen Fällen eine Kostendeckung zu gewährleisten. Gerne stehen wir Ihnen daher jederzeit beratend beim Abschluss eines maßgeschneiderten Rechtsschutzproduktes zur Verfügung, damit auch Sie sich ohne Kostenrisiko gegen jede ungerechtfertigte Strafe zur Wehr setzen können.

Fazit, Praxistipps:

– Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht des Lenkers ist das Wissen vom Eintritt eines Unfalls bzw. Sachschadens

– Die Fahrerflucht ist jedoch bereits auch dann verwirklicht, wenn dem Lenker objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles erkennen kann

– Besonders bei riskanten Fahrmanövern hat sich der Lenker durch Nachschau, Anhalten und besondere Aufmerksamkeit davon zu vergewissern, dass kein Unfall passiert ist

– Da es LKW-Lenkern jedoch in vielen Fällen tatsächlich nicht auffällt und auch nicht auffallen kann, dass diese in einen Unfall verwickelt waren, sollten ungerechtfertigte Verwaltungsstrafen jedenfalls angefochten werden

– Viele Rechtsschutzversicherungen sehen für solche Verfahren jedoch keine Kostendeckung vor

– Aus diesem Grund sollte ein, auf die Transportbranche speziell zugeschnittenes Rechtsschutzprodukt abgeschlossen werden, um jedes Verfahren ohne Kostenrisiko führen zu können.

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