Stragü 01/2020, Dr. Schärmer – Kontrollsystem 2019 – Trotz Gesetzesnovelle keine Änderungen in Sicht

Die Ausgangslage im gegenständlichen Fall war ein Straferkenntnis, in dem mehrere Strafen aufgrund von Verstößen gegen die Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten verhängt wurden. Konkret wurde hier der handelsrechtliche Geschäftsführer eines niederösterreichischen Frächters belangt, da er zu verantworten habe, dass die Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten mangels eines tauglichen innerbetrieblichen Kontrollsystems nicht eingehalten wurden. Gegen dieses Straferkenntnis setzten wir uns zur Wehr, da der Beschuldigte über ein sehr ausgereiftes innerbetriebliches Kontrollsystem verfügt. Der Rechtsstreit gelangte bis zum Verwaltungsgerichtshof. Ziel war es einen Präzedenzfall für ein taugliches und den Erfordernissen der Rechtsprechung entsprechendes innerbetriebliches Kontrollsystem zu schaffen und insbesondere die Frage zu klären, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um ein innerbetriebliches Kontrollsystem als tauglich einstufen zu können. Bis heute fehlt es an einer derartigen Rechtsprechung. Der gegenständliche Fall zeigt, dass es momentan – trotz Gesetzesnovelle – in den meisten Fällen nicht möglich ist, ein Kontrollsystem zu implementieren, dass von den Gerichten anerkannt wird. Teilweise wird in Praxis fremder Weise jedes noch so ausgereifte Kontrollsystem als unzureichend eingestuft.

Zum konkreten Kontrollsystem des betroffenen Transportunternehmers

Im konkreten Fall: Die Fahrer werden vom Beschuldigten regelmäßig unterwiesen und auch überprüft. Es gab die strikte Anweisung, dass die Arbeitszeiten von den Fahrern ausnahmslos einzuhalten sind. In der Fahrerunterweisung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Arbeitsbeginn und das Arbeitsende mit der Disposition abzusprechen sind. Im Falle einer Lenkzeit- oder Ruhezeitüberschreitung ist die Disposition umgehend vorab darüber zu informieren, um eventuelle gesetzliche Übertretungen zu vermeiden. Das Fahrpersonal wird regelmäßig geschult. In diesen Gesprächen werden die Fahrer, insbesondere auch über die Einhaltung sämtlicher Arbeitszeitvorschriften sowie der Bestimmungen der EG-VO 561/2006 belehrt bzw. angewiesen. Der Beschuldigte übte alle ihm zumutbaren Kontrollmaßnahmen aus, um derartige Übertretungen hintanzuhalten.

Um die Einhaltung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zu gewährleisten, sind im Unternehmen des Beschuldigten etliche Kontrollmaßnahmen vorgesehen:

>> Die Fahrer verfügen über notwendige Schulungen und Qualifikationen.

>> Entsprechende Kenntnisse der einzuhaltenden gesetzlichen Vorschriften werden vom handelsrechtlichen Geschäftsführer vor Einstellung jedes Lenkers eigens überprüft und in weiterer Folge beobachtet.

>> Die Fahrer erhalten in regelmäßigen Abständen Weisungen in Bezug auf die Einhaltung der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten.

>> Die Firma führt für neu eingetretene Mitarbeiter, sowie in laufenden Intervallen, regelmäßige Schulungen für das gesamte Personal durch. Die Einteilung der Fahrten erfolgt so, dass den Lenkern die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten möglich ist.

>> Die Lenker werden ausführlich und regelmäßig bezüglich Einhaltung der Lenk- und Ruhezeitenverordnung geschult. Fragen, welche die Mitarbeiter stellen, werden gesammelt und danach von internen oder externen Experten besprochen. Außerdem werden die Lenker bei den regelmäßigen Schulungen bezüglich der richtigen Tachographenbedienung instruiert.

>> Die Lenk- und Ruhezeiten werden regelmäßig durch Auswertung der Tachoscheiben oder der heruntergeladenen Daten aus den digitalen Kontrollgeräten kontrolliert. Dabei werden Lenker bei Fehlern nachweislich auf diese Fehler hingewiesen, bei groben Fehlern verwarnt.

>> Die Durchführung der gegebenen Weisungen an die Lenker, wie auch die Abklärung der Einhaltung der einschlägigen Vorschriften wird durch den Beschuldigten bzw. durch dessen zuständiges Personal überwacht.

>> Bei Einstellung der Lenker wird zudem auf eine einschlägige Berufserfahrung geachtet.

>> Die Kontrollmaßnahmen des Beschuldigten werden laufend angepasst und auf dem aktuellsten Stand gehalten.

Des Weiteren sind die Fahrer mit einem eigenen Handbuch zu den Lenk- und Ruhezeiten ausgestattet. Dieses Handbuch stellt eine Arbeitsanweisung für Lenker von Kraftfahrzeugen zur Güterbeförderung dar. In jedem LKW liegt ein derartiges Praxishandbuch, in dem bei Zweifelsfragen nachgeschlagen werden kann.

Der Beschuldigte selbst trägt dafür Sorge, dass allen eingesetzten Kraftfahrern im Rahmen ihrer Ausbildung die Verkehrsvorschriften, insbesondere die Vorschriften zur Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten bekannt sind. Neben den gesetzlichen Vorschriften hat der handelsrechtliche Geschäftsführer Betriebsanweisungen erlassen.

Trotz effektivem Betriebs- und Kontrollsystems, ist es nicht gänzlich unvermeidbar, eine Übertretung auszuschließen, da der Fahrer nicht jede Minute seiner Tätigkeit überwacht werden kann.

Nach der ständigen Judikatur darf bei der Annahme der Verantwortung für die im Zusammenhang mit dem Betrieb stehenden Verwaltungsübertretungen nicht übersehen werden, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer bzw. der Verantwortliche aller Belange und Angelegenheiten selbst persönlich annimmt. Dies wäre im Güterbeförderungsgeschäft offensichtlich lebensfremd. Aus der Natur des täglichen Frachtgeschäftes ergibt sich, dass der handelsrechtliche Geschäftsführer nicht in der Lage ist, die erforderlichen Kontrollen im Hinblick darauf, ob bei jedem einzelnen Transport der Fahrer die Lenk- und Ruhezeiten entsprechend einhält und das Kontrollgerät bzw. die Tachoscheiben richtig benützt, selbst persönlich durchzuführen. Den handelsrechtlichen Geschäftsführer trifft in derartigen Konstellationen die Verpflichtung, sich tauglicher Personen zu bedienen und die weitere Verpflichtung, diese ausgewählten Personen in Ihrer Tätigkeit zu überwachen. Im vorliegenden Fall wurden sämtliche Fahrer, insbesondere der hier zum Einsatz kommende Fahrer, mehrmals eingeschult, ständig überprüft und überwacht.

Eigenmächtiges Handeln des Fahrers gegen die Anweisungen des Arbeitgebers

Die jeweiligen Fahrer werden regelmäßig unter anderem dahingehend angewiesen, dass diese verpflichtet sind, die gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten, das Kontrollgerät (digital und analog) richtig zu verwenden, die Fahrerkarte zu benützen bzw. die Schaublätter (nur ein Schaublatt an einem Tag) einzulegen. Bereits im Voraus werden Konsequenzen angedroht, wenn dieser Weisung nicht nachgekommen wird, wie insbesondere eine Abmahnung und in weiterer Folge beim nochmaligen Verstoß eine Kündigung oder Entlassung.

Der Fahrer hat sich im gegenständlichen Fall den ausdrücklichen Weisungen seines Arbeitgebers widersetzt. Der Beschuldigte hat durch die regelmäßigen Weisungen alles Erdenkliche getan, um die Übertretung der Arbeitszeitvorschriften hintanzuhalten.

Dass es zu den gegenständlichen Übertretungen gekommen ist, ist nicht auf ein mangelndes Kontrollsystem, sondern auf eine Hinwegsetzung über die Anweisungen durch den Fahrer zurückzuführen. Der eingesetzte Fahrer wusste um die einzuhaltenden Bestimmungen bzw. war darüber so informiert, dass er diese jedenfalls kennen musste, und hat sich dieser – im Wissen um das Bestehen dieser Vorschriften – entgegen den unternehmensinternen ausdrücklichen Anweisungen darüber hinweggesetzt. Es war daher dem handelsrechtlichen Geschäftsführer im Zeitpunkt der Übertretung nicht möglich, eine Verwaltungsübertretung zu verhindern oder aber eine solche gar festzustellen. Dennoch wurde gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer entschieden:

Kritik an der derzeitigen Rechtslage

Trotz ausführlicher Darlegung eines funktionierenden Kontrollsystems beurteilte der Verwaltungsgerichtshof (VwGH vom 18.09.2019 Gz.: Ra 2019/11/0083) dieses wiederum als ungeeignet, um derartige Übertretungen hintanzuhalten. Dies zeigt einmal mehr, dass trotz aller erdenklichen Maßnahmen seitens des Unternehmers, die Behörden leider nicht zufriedenzustellen sind. Über die behördlichen Erfordernisse hinsichtlich eines wirksamen Kontrollsystems besteht weiterhin Unklarheit. Es fehlt bis heute an konkreten Kriterien, anhand welcher die Behörde von einem wirksamen und tauglichen innerbetrieblichen Kontrollsystem ausgeht. Leider ist die Beurteilung der Behörden zum Kontrollsystem im Regelfall praxisfremd. Das oben dargelegte Kontrollsystem zeigt, dass der Unternehmer alles erdenkliche Unternehmen unternommen hat. Dennoch war es für die Behörden unzureichend. Für mich ist dieses Ergebnis insofern unbefriedigend, als der Fahrer im konkreten Fall gegen ausdrückliche Arbeitsanweisungen verstoßen hat und dies nach „Feierabend“. Der Unternehmer konnte mit einem derartigen Verstoß auch gar nicht rechnen, zumal der gegenständliche Fahrer in den letzten Jahren völlig unauffällig war, d. h. seinen Vorgaben immer entsprochen hat. Im konkreten Fall hat der Fahrer aus rein eigennützigen privaten Gründen das Fahrzeug nach Feierabend in Betrieb genommen.

Änderung der Gesetzeslage 2019 bringt keine wirkliche Änderung mit sich

Am 01.01.2019 traten umfassende Änderungen des Verwaltungsstrafgesetzes in Kraft. Darunter auch die neue Bestimmung des § 5 Abs 1a VStG. Demnach gilt eine Unschuldsvermutung, wenn die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über EUR 50.000 bedroht ist.

Konkret bedeutet dies, dass bei Verwaltungsübertretungen mit Strafdrohung bis zu EUR 50.000 der Täter selbst seine Unschuld nachzuweisen hat, während bei EUR 50.000 übersteigender Strafdrohung die Unschuldsvermutung gilt und die Verwaltungsbehörde ein Verschulden des Täters zu beweisen hat.

Diese Gesetzesänderung ist für die Praxis in der Transportbranche jedoch von geringer Relevanz, da die seltensten im Transportgewerbe auftretenden Verwaltungsübertretungen eine Strafdrohung von über EUR 50.000 beinhalten.

Zusammenfassung:

>> die Rechtslage zum Kontrollsystem ist für ein Transportunternehmen nach wie vor unbefriedigend.

>> Sogar eigenmächtiges Zuwiderhandeln des LKW-Fahrers gegen Dienstanweisungen werden als unzureichendes Kontrollsystem ausgelegt.

>> trotz der engmaschigen aufgezeigten Maßnahmen des konkreten Transportunternehmers da das Kontrollsystem für die Gerichte als nicht ausreichend einzustufen.

>> Die Änderung des Verwaltungsstrafgesetzes (die Novelle ist am 1.1.2019 in Kraft getreten) hat keine merkbaren positiven Veränderungen für den Transportunternehmer gebracht.

Transporteur 01/20 – PDF