Stragü 06/2019, Dr. Schärmer – Kranarbeiten – wer haftet, wofür?

Ausgangslage

Der von uns vertretene steirische Transportunternehmer erhielt von einem anderen Transportunternehmer einen schriftlichen Auftrag zur Durchführung von Transport-und Hebeleistungen auf einer Großbaustelle. Der Auftrag an unseren Klienten war mit der Überschrift Transportauftrag tituliert. Der Transportauftrag enthielt mehrere Bestimmungen im Kleingedruckten, unter anderem wurde darin auf die Geltung der Bestimmungen der CMR und der AÖSp verwiesen. Der auf die Baustelle entsendete Lkw war mit einem Kran ausgestattet. Der (gut geschulte und ausgebildete) Lkw-Kranfahrer unserer Mandantin bediente den Kran mit einer Fernbedienung und stand dabei auf dem Boden, um einen besseren Überblick über die Hebemanipulationen zu haben. Es wurden 24 Bürocontainer von einem Platz zum anderen Ort innerhalb der Großbaustelle mit dem LKW-Kran befördert. Es wurde ein ordnungsgemäßes und für die gegenständlichen Hebearbeiten ausreichend dimensioniertes Krangehänge verwendet. Das auf der Baustelle tätige Baupersonal der Baufirma hat das Kettengehänge auf Weisung des dort tätigen Poliers an den dafür vorgesehenen Hebevorrichtungen der Container angebracht und anschließend dem Fahrer das Zeichen zum Heben gegeben. Beim letzten Hebevorgang kam es zum Absturz des letzten Containers. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass die Absturzursache darin lag, dass der Mitarbeiter der Baufirma auf einer Seite das Krangehänge bzw. den Kettenhaken gegen die Zugrichtung eingehängt hat. Dies war für den Kranfahrer aber nicht erkennbar; vielmehr konnte er davon ausgehen, dass der Kettenhaken, wie bei den anderen Containern zuvor, richtig angebracht worden sei. Der Schaden am Spezialcontainer betrug rund € 10.000,-. Der von uns vertretene Transportunternehmer lehnte die Bezahlung des Schadens aufgrund unserer Empfehlung ab. Erst knapp 3 Jahre danach hat der Rechtsanwalt des Auftraggebers unseren Transportunternehmers beim zuständigen Bezirksgericht Graz-Ost auf Schadenersatz in Höhe von mehr als € 10.000,- geklagt.

Frachtvertrag, Werkvertrag oder Krangestellungsvertrag?

In derartigen Fällen stellt sich grundsätzlich immer die Frage welcher Vertragstypus konkret vorliegt. Die Einstufung zum jeweiligen Vertragstyp ist maßgeblich für das anzuwendende Haftungsrecht. Die unterschiedlichen Haftungsbestimmungen können zu bemerkenswert unterschiedlichen Ergebnissen führen, d.h. ob die Haftung des Transportunternehmers gänzlich ausgeschlossen oder beschränkt ist oder ob der Transportunternehmer sogar in voller Höhe zu haften hat. § 425 UGB legt fest, wer Frachtführer ist und definiert damit auch das Frachtgeschäft. Befördern wird als Verbringung von Gütern von einem Platz zu einem anderen verstanden. Nach der überwiegenden Rechtsauffassung in Österreich und Deutschland ist es gleichgültig, ob die Plätze weit auseinanderliegen oder nicht. Es genügt vielmehr auch die Ortsveränderung auf kürzester Distanz. Selbst die Platzveränderung in einem Haus zum Beispiel von Möbeln von Stockwerk zu Stockwerk ist bereits eine Beförderung gemäß  § 425 UGB. Zentrales Bestimmungselement des Frachtvertrages ist daher die Beförderung, also die Überwindung einer räumlichen Distanz (Helm, HGB-Kommentar, § 425 Anm. 33). Auch das Heben von Schwergut (hier: Container) erfüllt daher das Erfordernis der Güterbeförderung, denn im Sinne von § 425 UGB sind alle körperlichen Gegenstände, die überhaupt befördert werden können und somit insbesondere auch Schwergut. Die Platzveränderung von Containern, vorgenommen mit einem Kran-Lkw, ist daher als Frachtleistung im Sinne des §§ 425 UGB einzustufen (OLG Nürnberg, Urteil vom 21.1.94). Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei den Auftrag an unseren Klienten sogar selbst als Transportauftrag tituliert. Bei Unklarheiten muss eine Auslegung zulasten der klagenden Partei, die den Vertrag selbst erstellt hat, gehen. Wir haben daher die Auffassung vertreten, dass aus diesen Gründen die Bestimmungen des Frachtrechtes anzuwenden sind. Für den Fall, dass das Gericht unsere Auffassung nicht teilen sollte, haben wir vorsorglich weiters im Verfahren vorgebracht, dass allenfalls ein Gestellungsvertrag, vergleichbar mit einem Lohnfuhrvertrag vorliegen könnte. Ein solcher Vertrag wäre ein gemischter Vertrag aus Fahrzeugmiete und Arbeitnehmerüberlassung. Der Krangestellungsvertrag ist, wie der sogenannte Lohnfuhrvertrag, ein gemischter Vertrag, der aus Fahrzeugmiete und Arbeitnehmerüberlassung zusammengesetzt ist. Der Unternehmer, der das Kranfahrzeug gestellt, haftet dem Auftraggeber nur nach den Grundsätzen des Miet- und Überlassungs (Dienstverschaffungs-)vertrages. Er hat nur für die durchschnittliche berufliche oder fachliche Qualifikation und die Arbeitsbereitschaft des von ihm zur Verfügung gestellten Kranführers einzustehen, er haftet aber nicht für die von ihm erbrachte Arbeitsleistung.

Verjährungsfrist nach Frachtrecht, Speditionsrecht

Die klagende Partei ist offenbar davon ausgegangen, dass die normalen Schadenersatzbestimmungen des ABGB anzuwenden wären und hat die Möglichkeit der Anwendung von Frachtrecht gar nicht in Erwägung gezogen. Dort ist eine 3-jährige Verjährungsfrist vorgesehen. Im vorliegenden Fall ist das Vertragsverhältnis aber, aufgrund der oben aufgezeigten Rechtslage, nach Frachtrecht zu beurteilen. Nach den §§ 439 iVm 414 UGB verjähren die Ansprüche aus dem Frachtvertrag innerhalb 1 Jahres. Diese Verjährungsfrist kann weiters auf 6 Monate verkürzt werden. Auch diese Verkürzung wurde hier vorgenommen, und zwar durch die klagende Partei selbst. Diese hat nämlich im Transportauftrag an unseren Klienten auf die allgemeinen Österreich Spediteurbedingungen verwiesen. Gemäß § 64 AÖSp verjähren sämtliche Ansprüche innerhalb von 6 Monaten. Gemäß §§ 1 und 2 AÖSp gelten die Bestimmungen der AÖSp für sämtliche Verkehrsverträge, unabhängig davon, ob es sich um einen Frachtvertrag oder sonstige anderweitige Verrichtungen handelt. Der vorliegende Fall zeigt, dass Transportunternehmer oft gar nicht wissen, ob die von ihnen im Auftrag verwendeten Bestimmungen nützlich oder gar schädlich sind. Im vorliegenden Fall hat sich der Auftraggeber durch die im Auftrag enthaltenen Klauseln „keinen Gefallen getan“.

Schlussbemerkung

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bezirksgericht Graz-Ost wurde die komplexe Rechtslage mit der Richterin erörtert. Die zuständige Richterin hat sich von der von uns dargelegten Rechtsansicht, wonach Frachtrecht auf diese Kranarbeiten anzuwenden ist, überzeugen lassen. Die Richterin hat daher bereits in der Verhandlung das Urteil mündlich verkündet. Die Sache ist noch nicht rechtskräftig. Derzeit warten wir ab, ob die klagende Partei das Rechtsmittel der Berufung gegen das Urteil einlegen wird. Das vorliegende Verfahren zeigt wieder, dass selbst einfache Schadensfälle im Transportwesen aus rechtlicher Sicht komplex zu beurteilen sind. Dies kann auch Auswirkungen auf die Versicherungsdeckung haben, zumal derartige Kranarbeiten oft vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Es bedarf daher oft eines zusätzlichen Einschlusses in den Versicherungsvertrag des Transportunternehmers. Der vorliegende Fall zeigt aber auch, dass Unternehmer oft AGBs oder Bestimmungen in Transportaufträgen verwenden, ohne diese vorher von einem Spezialisten überprüfen zu lassen. Im konkreten Fall hat sich der Auftraggeber unseres Klienten mit den Bestimmungen im Transportauftrag selbst geschadet.

Zusammenfassung, Praxistipps:

  • Schadensfälle, Versicherungsfälle im Transportgeschäft sollten von Spezialisten bearbeitet werden (spezialisierte Rechtsanwälte, Versicherungsmakler, Versicherungsgesellschaften).
  • Im Transportgeschäft existieren spezielle Regelungen und befindet sich die komplexe Materie des Transportrechtes in einem ständigen Wandel. Nur täglich involvierte Spezialisten behalten den Überblick.
  • Verjährungsfristen können in bestimmten Fällen sogar wirksam auf 6 Monate verkürzt werden. Dies wird oft übersehen und führt zum Verlust von Schadenersatzansprüchen.
  • Bestimmte Tätigkeiten eines Transportunternehmers könnten bei herkömmlichen Versicherungsverträgen ausgeschlossen sein. Dies muss unbedingt überprüft werden, damit man im Schadensfall keine teuren Überraschungen erlebt.
  • Kranarbeiten können je nach Ausgestaltung des Vertrages als Frachtvertrag, Werkvertrag oder Krangestellungsvertrag eingestuft werden. Oft entscheidet die Formulierung der Geschäftsbedingungen bzw. des konkreten Auftrages über die Haftung. Aufträge und AGB sollten daher ausschließlich vom Spezialisten geprüft werden. Eine regelmäßige Überprüfung ist erforderlich, dass sich die Rechtslage in Transportrecht rasant entwickelt.
  • Wir stellen fest, dass Aufträge bzw. AGB oft Klauseln enthalten, die auf das konkrete Geschäft gar nicht passen und sich sogar negativ auswirken. Dies liegt oft daran, dass Unternehmer oft AGBs verwenden ohne diese vorher vom Spezialisten geprüft zu haben.

Stragü 06/19 – PDF