Transporteur 05/21, Dr. Schärmer – Fristen-Dschungel

Rüge- und Verjährungsfristen

Bevor auf die einzelnen Fristenregelungen eingegangen wird, ist festzuhalten, dass die CMR zwischen Verjährungs- und Rügefristen unterscheidet. Die Verjährungsfrist stellt jenen Zeitraum dar, in dem ein Anspruch mittels Klage gerichtlich geltend gemacht werden muss. Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann ein Anspruch nicht mehr eingeklagt werden und ist dieser somit nicht mehr durchsetzbar.

Bei den Rügefristen handelt es sich um jene Zeiträume, in denen ein Schaden vom Anspruchsteller gerügt werden muss, um den Eintritt nachteiliger Beweiswirkungen zu vermeiden. Die Rügefristen dienen daher insbesondere Beweiszwecken und verhindert eine fristgerechte Rüge zum Beispiel die Beweisvermutung über die schadensfreie Ablieferung des Gutes zulasten des Absenders.

Verjährung von Ansprüchen

Die Verjährungsfristen sind in der CMR im Art. 32 geregelt. Diese Bestimmungen beziehen sich auf alle Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung. Zu beachten ist jedoch, dass nicht nur die in der CMR selbst geregelten Ansprüche von Art. 32 mitumfasst sind, sondern alle im Zusammenhang mit dem Frachtvertrag stehende Ansprüche.
Somit unterliegen auch Ansprüche auf Standgeld, Aufwandsersatz, Rückforderung von Paletten, Schadenersatz gegen den Absender, Regressansprüche gegen Unterfrachtführer und deliktische Ansprüche gegen Erfüllungsgehilfen des Frachtführers den Vorschriften des Art. 32 CMR.

Die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich ein Jahr und müssen somit Ansprüche aus einem Transport innerhalb eines Jahres gerichtlich geltend gemacht werden. Lediglich beim Vorliegen von groben Verschuldens (Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit), beträgt die Verjährungsfrist 3 Jahre und steht in solch einem Fall ein längerer Zeitraum von 3 Jahren zur Geltendmachung von Ansprüchen zur Verfügung.

Wann beginnt die Frist?

Je nach Art des Anspruches, beginnt die Verjährungsfrist der CMR zu verschiedenen Zeitpunkten zu laufen:

Art des Anspruches                                                                                        Beginn der Verjährungsfrist
Ansprüche aus Beschädigung, teilweisem Verlust und Lieferverzug        Tag der Ablieferung
Ansprüche aus gänzlichem Verlust (bei vereinbarter Lieferfrist)              30 Tage nach Ablauf der Lieferfrist
Ansprüche aus gänzlichem Verlust (ohne vereinbarte Lieferfrist)            60 Tage nach Übernahme des
Gutes durch den Frachtführer
Alle anderen Ansprüche (z.B. Frachtforderungen, Standgeld etc.)           3 Monate nach Abschluss des
Beförderungsvertrages

Schließlich ist auch zu beachten, dass gemäß Art. 32 Abs. 1 letzter Satz CMR der Tag, an dem der Lauf der Verjährung beginnt, in die Berechnung der Frist nicht miteinzurechnen ist.

Hemmung der Verjährung

Weiters enthält die CMR auch gewisse Möglichkeiten, um die Hemmung der Verjährungsfrist zu bewirken. Das relevanteste Beispiel hierzu aus der Praxis ist die schriftliche Reklamation (Haftbarhaltung). Macht der Absender unmissverständlich Ansprüche schriftlich gegen den Frachtführer geltend, so ist der Fortlauf der Verjährungsfrist so lange gehemmt, bis der Frachtführer eine Haftung schriftlich zurückweist. Hierbei ist eine genaue Konkretisierung der Art und des Umfanges des Anspruches keine Voraussetzung, jedoch muss der Frachtführer aus der Haftbarhaltung ableiten können, dass er wegen eines bestimmten Anspruches in Anspruch genommen werden soll.

Darüber hinaus verhindern nach österreichischem Recht auch Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien sowie ein Haftungsanerkenntnis den Ablauf der Verjährung.

In der Praxis wird häufig auch von Verjährungsverzichtserklärungen Gebrauch gemacht. Die Abgabe einer Erklärung, dass auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet wird, führt ebenfalls dazu, dass die Verjährung nicht eintritt und ein Anspruch über einen längeren Zeitraum geltend gemacht werden kann.

Rügefristen

Neben der Verjährungsfrist sieht die CMR weiters Rügefristen in Bezug auf Schäden vor. Je nachdem, ob es sich um äußerlich erkennbare/nicht erkennbare Verluste oder Beschädigungen handelt, muss eine Rüge innerhalb einer bestimmten Frist erhoben werden.

Wird das Gut vom Empfänger vorbehaltlos übernommen, so wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass das Gut in ordnungsgemäßem Zustand abgeliefert wurde. Dies bedeutet für einen Gerichtsprozess, dass aufgrund des vorbehaltlosen Frachtbriefes eine Beweisvermutung dafür besteht, dass der Frachtführer das Gut in ordnungsgemäßem Zustand abgeliefert hat. In solch einer Konstellation würde es dem Anspruchsteller obliegen, das Gegenteil zu beweisen. Um eine solche Beweisschwierigkeit zu vermeiden, sollten Schäden binnen der in Art. 30 CMR vorgesehenen Fristen gerügt werden:

Äußerlich erkennbare Schäden müssen spätestens bei der Ablieferung des Gutes gerügt werden. Dies erfolgt in der Praxis meistens durch einen entsprechenden Eintrag im Frachtbrief.

Äußerlich nicht erkennbare Schäden müssen spätestens binnen 7 Tagen nach der Ablieferung gerügt werden, wobei Sonntage und gesetzliche Feiertage nicht miteingerechnet werden.

Wird eine solche Rüge innerhalb der oben beschriebenen Fristen getätigt, so wird der Eintritt der Beweisvermutung über die schadensfreie Ablieferung verhindert.

Achtung bei Schäden aus Lieferfristüberschreitung

Besondere Achtsamkeit ist bei der Reklamation von Schäden aufgrund von Lieferfristüberschreitungen gefragt. Solche Schadensersatzansprüche können nur dann wirksam gerichtlich geltend gemacht werden, wenn an den Frachtführer innerhalb von 21 Tagen nach dem Zeitpunkt, an dem das Gut dem Empfänger zur Verfügung gestellt worden ist, ein schriftlicher Vorbehalt gerichtet wird. Die Reklamation einer Lieferfristüberschreitung innerhalb von 21 Tagen ist somit eine Voraussetzung für die spätere Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches. Wird dieser Vorbehalt nicht rechtzeitig getätigt, so verliert der Anspruchsteller sein Recht auf gerichtliche Geltendmachung des Schadens.

Zusammenfassung, Praxistipps:

*Die CMR unterscheidet zwischen Verjährungs- und Rügefristen.

*Die Verjährungsfrist stellt jenen Zeitraum dar, in dem ein Anspruch mittels Klage gerichtlich geltend gemacht werden muss.

*Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann ein Anspruch nicht mehr eingeklagt werden und ist dieser somit nicht mehr erzwingbar.

*Bei den Rügefristen handelt es sich um jene Zeiträume, in denen ein Schaden vom Anspruchsteller gerügt werden muss, um den Eintritt nachteiliger Beweiswirkungen zu vermeiden.

*Die Verjährungsfrist der CMR beträgt grundsätzlich ein Jahr.

*Beim Vorliegen von grobem Verschulden beträgt die Verjährungsfrist 3 Jahre.

*Je nach Art des Anspruches, beginnt die Verjährungsfrist zu verschiedenen Zeitpunkten zu laufen.

*Haftbarhaltungen, Vergleichsverhandlungen, Haftungsanerkenntnisse und Verjährungsverzichtserklärungen können den Verjährungszeitraum verlängern.

*Um nachteilige Beweiswirkungen zu vermeiden, sollten Schäden innerhalb der Fristen des Art. 30 CMR gerügt werden. Dies erleichtert die Beweislage für spätere Prozesse.

*Bei Lieferfristüberschreitungen ist ein Vorbehalt innerhalb von 21 Tagen eine Voraussetzung für die spätere Geltendmachung des Anspruches.

*Um in der Praxis den Worst-Case, nämlich den Eintritt der Verjährung zu vermeiden, sollte stets ein Experte auf dem Gebiet Transportrecht beigezogen werden, damit Ansprüche rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht werden.

Transporteur 05/21 – PDF

Transporteur 05/21 – A. Miskovez – „beraten statt strafen“ – totes Recht?

Am Anfang war alles vielversprechend

Bereits vor dem Jahr 2019 eröffnete das VStG Behörden die Möglichkeit eine Ermahnung gemäß § 45 Abs. 2 VStG auszusprechen. Mit dieser wurde der Beschuldigte zwar rechtskräftig verurteilt, allerdings von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen. Von dieser Möglichkeit machten die Behörden in der Vergangenheit jedoch bei Transportunternehmern selten Gebrauch.

Aus diesem Grund kam auch große Freude auf, als 2019 der neue § 33a VStG eingeführt wurde. Diese neue Vorschrift ermöglicht der Behörde den Beschuldigten bei geringfügigen Verwaltungsübertretungen zu beraten und von der Verhängung einer Strafe abzusehen. Ziel dieser Vorschrift ist es somit, den Beschuldigten statt der sofortigen Verhängung einer Strafe zu beraten. Hierdurch soll bewirkt werden, dass der Beschuldigte in Zukunft von der Begehung gleichartiger Verwaltungsübertretungen abgehalten wird.

Tatsächlich wäre ein solches Vorgehen in der Praxis auch äußerst effektiv und würde meines Erachtens zum gewünschten Ergebnis führen. Gerade im Bereich des innerbetrieblichen Kontrollsystems, könnte die Behörde den Beschuldigten beraten, wie dieser zukünftig gewährleisten kann, dass vergleichbare Übertretungen hintangehalten werden und könnten Transportunternehmer Behörden darlegen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen ordnungsgemäß umgesetzt werden.

Voraussetzungen

Die neu eingeführte Vorschrift „Beraten statt strafen“ ist jedoch nur bei geringfügigen Verwaltungsübertretungen möglich. Geringfügig ist eine Verwaltungsübertretung, wenn

— die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und
— die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und
— das Verschulden des Beschuldigten gering sind und
— die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen.

„Totes Recht“ im Bereich Transport

Der Praxistest hat ergeben, dass von der Möglichkeit „Beraten statt strafen“ auf dem heimischen Transportsektor kein Gebrauch gemacht wird. Dies wird von den Behörden insbesondere dadurch begründet, dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes bei Verstößen gegen das KFG, ADR, die Lenk- und Ruhezeiten etc. hoch ist und § 33a VStG daher nicht zur Anwendung gelangt. In den vergangenen 2 Jahren haben wir bereits in hunderten Verwaltungsstrafverfahren ein Vorgehen nach § 33a VStG beantragt und hat sich bisher keine Behörde gewagt, dieses „Neuland“ zu betreten. Auch wenn es sich daher um noch so geringfügige Übertretungen mit Strafen von lediglich 50 € handelt, schied ein Vorgehen nach § 33a VStG für die Behörden bisher aus.

Zusammengefasst kann daher festgehalten werden, dass die Einführung des Grundsatzes „Beraten statt strafen“ vielleicht in anderen Branchen für Erleichterungen gesorgt hat, bei den heimischen Transportunternehmern jedoch als „totes Recht“ eingestuft werden kann und diese weiterhin mit äußerster Härte bestraft werden.

Transporteur 05/21 – A. Miskovez – „beraten statt strafen“ – totes Recht?