Transporteur 10/22 – Dr. Schärmer – Betrüger frachtrechtlich Empfänger

In einer aktuellen Entscheidung (7Ob126/22p) beschäftigt sich der Oberste Gerichtshof eingehend mit der Haftung des Frachtführers bei einem Eingehungsbetrug. Ein solcher Betrug liegt vor, wenn kriminelle Täter beispielsweise bei einem Produzenten Waren einkaufen und von vornherein nicht beabsichtigt, diese Waren zu bezahlen. Der betrügerische Käufer bestellt Waren und vereinbart mit dem Produzenten, dass dieser zusätzlich den Transport organisieren muss. Der Produzent wiederum beauftragt einen Frachtführer, der die Waren dem (vermeintlichen) Käufer liefert. Sobald die Waren übergeben sind, macht sich der Betrüger aus dem Staub, der Produzent bleibt auf dem Kaufpreis sitzen. Da der Produzent den Betrüger nicht mehr auffinden und in Anspruch nehmen kann, wird oftmals der Frachtführer geklagt und dadurch versucht, den Schaden auf den Frachtführer abzuwälzen. Dies mit der Begründung, dass schlussendlich der Frachtführer die Ware an den Betrüger übergeben hat.

Wird dem Frachtführer im Transportauftrag ein Empfänger und eine Entladestelle genannt, muss dieser dort abliefern.

Ausgangslage
Im vom Obersten Gerichtshof zu entscheidenden Fall gab sich der vermeintliche Käufer als ordentlicher Handelsunternehmer aus, der im großen Ausmaß Hygienepapier bei einem österreichischen Produzenten für Hygieneartikel kaufen wollte. Nach Abschluss des Kaufvertrags beauftragte der Produzent eine Spedition mit der Durchführung von insgesamt 12 Transporten der bestellten Hygieneartikel von Österreich nach Frankreich und Großbritannien. Die Spedition gab den Auftrag wiederum an 11 Subfrächter weiter. Nachdem sämtliche Transporte vereinbarungsgemäß durchgeführt und die Waren an den jeweiligen Entladestellen entladen wurden, erhielt der Produzent vom vermeintlichen Käufer nicht den vereinbarten Kaufpreis. Wie sich später herausstellte, handelte es sich bei diesem um einen Betrüger. Aus diesem Grund klagte der Produzent den Spediteur auf Schadenersatz der in Verlust geratenen Ware, da diese vom Frachtführer an die falsche Person (Betrüger) geliefert worden sei.

Viele „red flags“
Die gesamte Abwicklung der Transporte verlief nicht einwandfrei. Bei zahlreichen Transporten wurde vom Betrüger zuerst eine Entladestelle bekannt gegeben und diese im Zuge des Transports kurzfristig geändert. Bei anderen Transporten traf der Frachtführer an der vorgesehenen Entladestelle ein und wurde von den dortigen Mitarbeitern wiederum an eine andere Entladestelle verwiesen. Schließlich wurde auch eine Entladestelle bekannt gegeben, an der sich ein Stadion befand und eine Entladung nicht möglich war …

KEINE SELTENHEIT
Betrugsdelikte halten die Transportbranche weiter auf Trab.

Frachtführer handelte richtig
Absolut richtig handelte der Frachtführer, als er bei Unstimmigkeiten stets mit seinem Auftraggeber (Produzenten) Kontakt aufnahm, um sich entsprechende Weisungen einzuholen. Beispielsweise, wohin die Ware nun zu verbringen sei, wenn die Entlade-Adresse nicht stimmte. Auch wurden die Kennzeichen stets avisiert und holte sich der Frachtführer den Namen und die Telefonnummer der Kontaktperson an der vorgesehenen Entladestelle ein.

Frachtrechtlicher Empfänger?
Wer ist eigentlich ein frachtrechtlicher Empfänger? Der frachtrechtliche Empfänger ist jene Person oder Firma, an die der Auftraggeber liefern will und dem Frachtführer bekannt gegeben wird. Weist der Auftraggeber den Frachtführer daher beispielsweise im Transportauftrag oder per E-Mail an, an einen bestimmten Empfänger zu liefern und wird dieser sogar im Frachtbrief als vorgesehener Empfänger eingetragen, so muss der Frachtführer an diesen Empfänger abliefern. Der Obhut- und somit Haftungszeitraums des Frachtführers endet nur dann, wenn an den vorgesehenen Empfänger abgeliefert wird. Handelt es sich bei diesem Empfänger nun um einen Betrüger, so ändert dies nichts daran, dass der Frachtführer – mangels anderslautender Weisung – dennoch an den Betrüger abliefern muss, da dieser eben als Empfänger vom Auftraggeber bekannt gegeben wurde. Eine gegenteilige Ansicht würde nämlich zu einem unvertretbaren Ergebnis führen. Würde der Frachtführer nämlich nicht an den vorgesehenen Empfänger (Betrüger) abliefern, sondern die Entladung verweigern, wäre der Obhutszeitraum des Frachtführers nicht beendet und haftet dieser weiterhin für Verluste und Beschädigungen am Gut. Darüber hinaus hätte der Frachtführer auch keinen Anspruch auf Bezahlung der Fracht, da der geschuldete Erfolg (die Ablieferung an den Empfänger) noch nicht stattgefunden hat. Anders ist die Situation natürlich, wenn der Frachtführer weiß, dass es sich beim Empfänger um einen Betrüger handelt oder für den Frachtführer jedenfalls erkennbar sein musste, dass ein Betrug vorliegt.

Keine Haftung des Frachtführers
Der OGH entschied im gegenständlichen Fall, dass den Frachtführer keine Haftung trifft. Der Frachtführer musste an die vom Auftraggeber bekannt gegebene Empfängerin abliefern. Den Frachtführer trifft keine besondere Pflicht, den Absender vor wirtschaftlichen Risiken, die aus dem Kaufgeschäft entspringen, zu schützen. Es gehört nicht zu den Pflichten des Frachtführers, betrügerische Handlungen des Vertragspartners des Auftraggebers aufzudecken. Der Auftraggeber trägt allein das Risiko der Zahlungsunwilligkeit und Zahlungsunfähigkeit des vermeintlichen Käufers. Der Auftraggeber ist berechtigt die Entladestelle im Zuge des Transports zu ändern und ist der Frachtführer auch verpflichtet, diese Weisung zu befolgen.

VOREILIG
Der Produzent klagte den Spediteur auf Schadenersatz der in Verlust geratenen Ware, da diese vom Frachtführer an die „falsche Person“ (Betrüger) geliefert wurde. Es gehört nicht zu den Pflichten des Frachtführers, betrügerische Handlungen des Vertragspartners des Auftraggebers aufzudecken.

AUF EINEN BLICK

  • – Der Obhutszeitraum des Frachtführers beginnt mit der Übernahme des Gutes und endet mit der Ablieferung an den vorgesehenen Empfänger.
  • – Als rechtmäßiger Empfänger ist derjenige anzusehen, an dem nach dem Willen des Auftraggebers das Gut abgeliefert werden soll.
  • – Wird dem Frachtführer im Transportauftrag ein Empfänger und eine Entladestelle bekannt gegeben, muss der Frachtführer an diesen abliefern.
  • – Auch wenn es sich hierbei um einen Betrüger handelt, kann der Frachtführer nur an diesen Betrüger schuldbefreiend abliefern.
  • – Der Auftraggeber trägt allein das Risiko der Zahlungsunwilligkeit und Zahlungsunfähigkeit des vermeintlichen Käufers.

Lesen Sie hier weiter…

Transporteur 10/2022 – PDF

OGH aktuell: Betrüger als frachtrechtlicher Empfänger?

Bei einem Eingehungsbetrug bestellt ein vermeintlicher Käufer Waren und hat niemals vor diese zu bezahlen.

Der Verkäufer beauftragt einen Frachtführer mit dem Transport.

Nachdem die Waren abgeliefert werden, macht sich der Empfänger (Betrüger) aus dem Staub.

Oftmals wird in solch einer Situation der Frachtführer vom Verkäufer in die Haftung genommen, da dieser schlussendlich an den Betrüger ablieferte.

Der OGH stellt klar (7 Ob 126/22p): den Frachtführer trifft keine Haftung, wenn er an den bekannt gegebenen und im Frachtbrief eingetragenen Empfänger abliefert. Somit ist auch ein Betrüger frachtrechtlicher Empfänger, wenn dieser bekannt gegeben und im Frachtbrief eingetragen wurde.

Den Frachtführer trifft keine Pflicht, den Absender vor wirtschaftliche Risiken aus dem Kaufgeschäft zu schützen. -> keine Haftung des Frachtführers.

 

 

Transporteur 10/22 – A. Miskovez – Wenn Behörden schlafen

In Verwaltungsverfahren müssen Transportunternehmer zahlreiche Fristen beachten. Insbesondere die zweiwöchige Einspruchsfrist, die aufgetragenen Fristen zur Rechtfertigung oder etwa die 48-stündige Frist zur Übermittlung von Lohnunterlagen (LSD-BG) zwingen den Transportunternehmer zum schnellen Handeln. Doch nicht nur der Beschuldigte ist in einem Verwaltungsstrafverfahren an Fristen gebunden. Auch die Behörde muss innerhalb gewisser Fristen handeln.

Verfolgung innerhalb eines Jahres

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung gesetzt wurde. Diese Verfolgungshandlung kann in Form einer Strafverfügung, Ladung, Aufforderung zur Rechtfertigung etc. erfolgen. Langt eine Strafe im Haus ein, muss der erste Blick daher gleich auf das Tat Datum geworfen werden. Liegt das Datum länger als ein Jahr zurück, sollte die Strafe
jedenfalls beeinsprucht werden, da das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen ist. Hinzu kommt, dass die Strafverfügung von der Behörde fristgerecht abgesendet (der Post übergeben) werden muss. Im August konnten wir so eine Strafe gegen einen Transportunternehmer zur Aufhebung bringen, da die Behörde nicht belegen konnte, dass die Strafverfügung tatsächlich innerhalb eines Jahres abgesendet wurde. Dies, obwohl das auf der Strafverfügung angeführte Datum der Ausstellung innerhalb des Jahres lag.

Nach drei Jahren …

Wurde von der Behörde zwar eine Strafverfügung innerhalb eines Jahres erlassen, ist diese dennoch nicht von jeglichem Zeitdruck entbunden. Die Strafbarkeit einer Person erlischt nämlich nach § 31 Abs. 2 VStG per Gesetz automatisch nach dem Ablauf von drei Jahren. Wird daher beispielsweise eine rechtzeitige Strafe beeinsprucht, so muss das Verfahren innerhalb von drei Jahren ab dem Tatzeitpunkt rechtskräftig beendet werden, da die Strafe sonst automatisch außer Kraft tritt. Aufzupassen ist, dass diese dreijährige Frist aufgrund des Covid-19-Begleitgesetzes im Frühling 2020 gehemmt war und somit 40 Tage nicht in die Frist mit einzurechnen sind. Die Frist ist in solchen Fällen um 40 Tage länger.

Erfolg

Im Sommer 2019 wurde einer unserer Mandanten in insgesamt fünf Verfahren wegen zahlreicher KFG-Vorwürfe vom März 2019 belangt. In allen Verfahren gaben wir eine ausführliche Stellungnahme ab und wehrten uns gegen alle Vorwürfe. Die Behörde hatte unserer Argumentation letztlich nichts entgegenzusetzen und ließ – anstelle einer Einstellung der Verwaltungsstrafverfahrens oder Erlass eines Straferkenntnisses – mehr als 3 Jahre + 40 Tage verstreichen. Aus diesem Grund traten die Strafen per Gesetz außer Kraft und konnten schwerwiegende Vorwürfe abgewehrt werden.

Weitere Artikel unter www.schaermer.com!

Transporteur 10/22 – A. Miskovez – Wenn Behörden schlafen

Tiefgefrorenes (schmackhaftes) Ladegut!

Tiefgefrorene Lebensmittel werden vom Endverbraucher im Einzelhandel einfach aus der Tiefkühltruhe genommen und verspeist. Den wenigsten Käufern ist dabei bewusst, welchen massiven logistischen Aufwand derartige Produkte bis zu diesem Zeitpunkt verursachen.

Insbesondere der Transport von tiefgefrorenen Lebensmitteln stellt die Mandanten der Schärmer + Partner Rechtsanwälte GmbH regelmäßig vor besondere Herausforderungen.

Allgemein regelt das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz „LMSVG“ die Anforderungen an Lebensmittel. Auf der Grundlage des LMSVG wurden eine Vielzahl von präzisierenden Verordnungen erlassen, darunter die Verordnung für tiefgefrorene Lebensmittel. Aus dieser ergibt sich, dass die Temperatur von tiefgefrorenen Lebensmitteln gleichbleibend sein und an allen Punkten des Erzeugnisses auf -18 °C oder niedriger gehalten werden muss. Lediglich beim Versand sowie beim örtlichen Vertrieb und in den Tiefkühltruhen des Einzelhandels ist ein kurzfristiger Anstieg der Temperatur um 3 °C (bis höchstens -15 °C) zulässig.

Transportunternehmen haben entsprechend den gesetzlichen Grundlagen zu gewährleisten, dass an jedem Punkt der Transportkette (Beladung, Transport, allenfalls Umladung und Entladung) die Temperatur von -15 °C nicht überschritten wird. Insbesondere in den Sommermonaten, in welchen tiefgefrorene Lebensmittel besonders gerne verzehrt werden, kann es leicht zu Temperaturüberschreitungen kommen.

Aber was bedeutet eine solche Temperaturüberschreitung für das Lebensmittel?

Das LMSVG beantwortet diese Frage eindeutig.

Von Temperaturüberschreitungen betroffene, tiefgefrorene Lebensmittel dürfen nicht in Verkehr gebracht werden, was vor dem Hintergrund des Verbraucherschutzes nachvollziehbar ist. In der Regel liegt bei Temperaturüberschreitungen ein Totalschaden der Ware vor, da nie mit 100-prozentiger Sicherheit festgestellt werden kann, welche Lebensmittel nicht von der Temperaturüberschreitung betroffen waren. Die Temperaturüberschreitung sollte vor der Vernichtung der Ware aber in jedem Fall von einem Sachverständigen dokumentiert werden, damit eine ausreichende Grundlage für allenfalls nachfolgende Streitigkeiten im Rahmen der Schadenabwicklung besteht.

Schadenfälle im Zusammenhang mit Lebensmitteln und Temperaturüberschreitungen werfen mitunter diffizile rechtliche Fragestellungen auf, sodass sich die Einschaltung eines auf derartige Schadenfälle spezialisierten Rechtsanwaltes lohnt.