Kooperation mit der Fachzeitschrift „Der Österreichische Transporteur“

Die Kanzlei Schärmer liefert monatlich geballten Praxisinput aus dem Bereich Transportrecht durch Dominik Schärmer und Alexej Miskovez.

Gemeinsam mit Herausgeber Marco Dittrich starteten der Fachverband und die Fachgruppen des österreichischen Güterbeförderungsgewerbes in eine neue Ära: „Der Österreichische Transporteur“ ist die neue offizielle Fachzeitschrift!

„Umfangreicher, moderner, mit einer deutlicheren Bildersprache und mit zahlreichen neuen Formaten versehen“, verspricht Dittrich. „Der Österreichische Transporteur“ erscheint monatlich und wird den Mitgliedern von der Fachgruppe kostenlos zur Verfügung gestellt. „Unser erklärtes Ziel ist es, gemeinsam mit Marco Dittrich, dem Herausgeber des neuen Magazins, thematisch noch näher und aktueller bei der Branche zu sein und den interessenpolitischen Inhalten und Schwerpunkten seitens des Fachverbandes und der Fachgruppen entsprechend breiten Raum zur Mitgliederinformation zu geben“, erklärt Fachverbandsobmann Günther Reder.

Batteriesäure beschädigt neuen Auflieger: Absender haftet für fehlerhafte Verpackung.

Transportanwalt Schärmer wieder erfolgreich vor dem Obersten Gerichtshof für einen Osttiroler Frächter:

Nach Art 10 CMR haftet der Absender dem Frachtführer für die durch die mangelhafte Verpackung des Guts verursachten Schäden an Personen, am Betriebsmaterial und an anderen Gütern sowie für alle durch die mangelhafte Verpackung verursachten Kosten, es sei denn, dass der Mangel offensichtlich oder dem Frachtführer bei der Übernahme des Guts bekannt war und er diesbezüglich keine Vorbehalte gemacht hat.

Art 10 CMR erfasst alle Personen, die durch die mangelhafte Verpackung des Absenders geschädigt werden. Es ist also nicht nur die Person des Frachtführers gemeint. Geschützt sind auch alle anderen Personen, die mit den transportierten Gütern zusammenkommen.

Der Begriff Betriebsmaterial in Art 10 CMR umfasst das für den Transport notwendige Material. Keine Voraussetzung ist, dass es dem Betrieb des Hauptfrachtführers unmittelbar zugehörig sein muss. Vielmehr gehört auch das vom Unterfrachtführer für den Transport benutzte Material dazu.

Nach herrschender Rechtsansicht bedeutet schon die entstandene Verbindlichkeit einen Nachteil am Vermögen (RS0022568). Der Schaden ist daher schon durch das Entstehen der Verbindlichkeit auf Seite des Geschädigten und nicht erst durch die Erfüllung der Verbindlichkeit gegeben (RS0022568 [insb T15]).

Der Fahrer hat der ihm auferlegten Sichtprüfung entsprochen. Die Mängel an der Verpackung konnten nicht erkannt werden, sodass sie nicht offensichtlich waren. Ein Ausschluss der Haftung des Absenders nach Art 10 CMR kam daher nicht in Betracht.

Der Absender haftet daher für die Beschädigung des Aufliegers. Der Auflieger wurde durch die mangelhaften Verpackungen beschädigt, da aus den Verpackungen Batteriesäure ausgeronnen ist.

Lesen Sie alle Details zum Urteil im Entscheidungstext des Obersten Gerichtshofes.


Geschäftszahl: 7Ob178/19f
Entscheidungsdatum: 22.01.2020

Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Stolitzka & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 26.236,60 EUR sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischen- und Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Juli 2019, GZ 1 R 7/19k-25, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16. November 2018, GZ 41 Cg 82/17t-20, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Der Text der Entscheidung lautet vollständig:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Entscheidungsgründe
Die Beklagte steht aufgrund des Frachtführer- und Dienstleistungsvertrags vom 21. 10. 2013 in ständiger Geschäftsbeziehung zum Transportunternehmen S***** GmbH (in Hinkunft: Hauptfrachtführerin). Am 14. 3. 2017 beauftragte die Beklagte diese mit einem Transport von Autobatterien (Altbatterien) von I***** nach A*****. Die Hauptfrachtführerin beauftragte wiederum die Klägerin mit diesem Transport, den sie am 16./17. 3. 2017 durchführte.
Bei der Beladung in I***** waren die Batterien in dafür grundsätzlich geeigneten Paloxen (mit Deckeln verschlossene Plastikcontainer) verpackt. Drei dieser Paloxen waren jedoch beschädigt. Zwei Paloxen waren von einem Unbekannten in einer Vertiefung an der Seitenwand in der Nähe des Paloxenbodens angebohrt worden, die dritte wies einen Haarriss am Boden auf. Im Zuge der Beladung nahm der Fahrer der Klägerin eine (äußerliche) Sichtkontrolle der Paloxen vor, wobei er sie einmal umrundete. Die Schäden an den Paloxen konnten im Zuge einer äußerlichen Sichtkontrolle nicht erkannt werden. Durch austretende Batteriesäure wurde das Fahrzeug der Klägerin beschädigt.
Mit Schreiben vom 29. 9. 2017 wandte sich die Klägerin, vertreten durch den Klagevertreter, an die Hauptfrachtführerin. Sie führte aus:
„… Aufgrund der ständigen Geschäftsbeziehung mit Ihrem Unternehmen beabsichtigt meine Mandantschaft nun, nicht Ihr Unternehmen als Vertragspartnerin direkt gerichtlich in Anspruch zu nehmen – obwohl dies rechtlich einfacher wäre –, sondern die …, welche als Absenderin für die mangelhafte Verpackung verantwortlich ist. … Aus diesem Grund habe ich beiliegende Abtretungserklärung vorbereitet und ersuche … um anschließende firmenmäßige Unterfertigung dieser Erklärung sowie um Übermittlung im Original (per Post) an meine Kanzlei. Damit tritt Ihr Unternehmen die vertraglichen Ansprüche aus dem Frachtvertrag mit der … – lediglich eingeschränkt auf die Ansprüche gemäß Art 10 CMR, wonach der Absender dem Frachtführer für die Schäden aus mangelhafter Verpackung haftet – ab. Sonstige vertragliche Ansprüche können weiterhin von Ihrem Unternehmen gegen die … geltend gemacht werden. …“
Die Hauptfrachtführerin unterfertigte am 5. 10. 2017 die Abtretungserklärung, die am 18. 10. 2017 von der Klägerin angenommen wurde. Nach der Abtretungserklärung werden von der Hauptfrachtführerin sämtliche Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag vom 14. 3. 2017 resultierend aus der mangelhaften Verpackung der zur transportierenden Batterien gemäß Art 10 CMR gegen die Beklagte, unwiderruflich an die Klägerin abgetreten.
Mit der am 18. 10. 2017 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von 26.236,60 EUR netto an Reparaturkosten laut Kostenvoranschlag. Sie habe die Absicht, den Schaden reparieren zu lassen. Weiters begehrt sie die Feststellung der Haftung der Beklagten für nicht auszuschließende Folgeschäden. Nach Art 10 CMR hafte der Absender dem Frachtführer verschuldensunabhängig für Schäden aus der mangelhaften Verpackung des Guts. Die Klägerin sei zur Geltendmachung der Ansprüche aktivlegitimiert. Die Hauptfrachtführerin habe ihr den Anspruch aus Art 10 CMR abgetreten. Die Mangelhaftigkeit der Verpackung sei für den Fahrer bei der nach Art 8 CMR geforderten Überprüfung auf den äußeren Anschein nicht erkennbar gewesen. Die Klägerin habe keine Vorschriften nach dem GGBG (Gefahrengutbeförderungsgesetz) übertreten.

Die Beklagte bestreitet und beantragt die Klagsabweisung. Die Klägerin sei nicht ihre Vertragspartnerin, sondern nur Unterfrachtführerin gewesen. Sie könne sich daher der Beklagten gegenüber nicht auf die CMR berufen. Eine Abtretung von Ansprüchen aus Art 10 CMR durch die Hauptfrachtführerin sei nicht wirksam, weil diese aus dem Ereignis keinen Schaden erlitten habe. Außerdem sei die Klägerin ihrer Prüfpflicht nach Art 8 CMR nicht nachgekommen. Ihr sei bekannt gewesen, dass es sich bei der Ladung um säurehältige Bleibatterien und somit um Gefahrengut handle. Den Fahrer der Klägerin hätte daher eine besondere Prüfpflicht nach § 13 Abs 1 lit a Z 3 GGBG getroffen, die über die bei anderen Transporten bestehende hinausgehe. Gegen die Beklagte könnten daher nur deliktische Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Für ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten bestehe aber kein Anhaltspunkt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Hauptfrachtführerin wäre zwar berechtigt gewesen, die Ansprüche der Klägerin als Unterfrachtführerin im Sinn einer Drittschadensliquidation für die Klägerin gegen die Beklagte als Absenderin des Hauptfrachtvertrags geltend zu machen. Da sie aber keinen eigenen Schaden erlitten habe, könne sie der Klägerin auch keine Ansprüche gegen die Beklagte abtreten. Der Unterfrachtführer könne aus Art 10 CMR keine Ansprüche gegen den „Urversender“ (hier die Beklagte) ableiten bzw geltend machen. Für einen deliktischen Schadenersatzanspruch fehle es schon an einem ausreichenden Vorbringen der Klägerin zum Grund der Haftung der Beklagten.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin 26.236,60 EUR samt Unternehmenszinsen seit 17. 3. 2017 zu zahlen, dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannte und feststellte, dass die Beklagte der Klägerin für sämtliche Vermögensnachteile hafte, die dieser aus dem Transport von Autobatterien zwischen dem 16. 3. und 17. 3. 2017 und der dabei ausgetretenen Batteriesäure am Sattelauflieger der Klägerin erwachsen.
Art 10 CMR sehe eine verschuldensunabhängige betraglich unbegrenzte Haftung des Absenders vor. Die Ersatzpflicht des Absenders aus Art 10 CMR bestehe gegenüber dem Frachtführer. Trete der Schaden bei anderen Personen als dem Frachtführer ein, sei der Absender gemäß Art 10 CMR nur ersatzpflichtig, wenn der Frachtführer seinerseits gegenüber diesen geschädigten Personen ersatzpflichtig sei. Zumindest unter der letztgenannten Voraussetzung könne der Frachtführer Schäden Dritter aus der mangelhaften Verpackung im Wege der Drittschadensliquidation geltend machen und den Anspruch aus dem Beförderungsvertrag an den Geschädigten abtreten. Die Drittschadensliquidation durch den Frachtführer im Interesse des Unterfrachtführers sei bei Ansprüchen nach Art 10 CMR anzuwenden. Die Hauptfrachtführerin wäre daher im Wege der Drittschadensliquidation aktivlegitimiert gewesen, den vorliegenden Anspruch auf Ersatz des Schadens der Klägerin wegen mangelhafter Verpackung des Transportguts gegen die Beklagte geltend zu machen. Dieser Anspruch habe wirksam an die Klägerin abgetreten werden können. Aus der Abtretungserklärung sei auch ersichtlich, dass die Hauptfrachtführerin der Klägerin keine Interessenvertretung, sondern exakt umschriebene Ansprüche nach Art 10 CMR gegen die Beklagte abgetreten habe. Der aus der Drittschadensliquidation abgeleitete Anspruch der Hauptfrachtführerin sei daher von der Abtretungserklärung umfasst.
Gemäß Art 8 Abs 1 lit b CMR sei der Frachtführer ua verpflichtet, den äußeren Zustand der Ware und der Verpackung zu prüfen, [diese Bestimmung] stelle aber keine näheren Regeln zum Inhalt dieser Prüfungspflicht auf. Die Überprüfungsobliegenheit des Frachtführers nach Art 8 CMR ändere auch nichts an der ausdrücklichen Anordnung des Art 10 CMR, wonach die Haftung des Absenders für Schäden aufgrund mangelhafter Verpackung nur dann entfalle, wenn der Mangel offensichtlich oder dem Frachtführer bei Übergabe des Guts bekannt gewesen sei. Bei Gefahrenguttransporten werde nach § 7 GGBG dem Absender die Verantwortung für die Verpackung zugewiesen und in § 13 Abs 1a GGBG dem Beförderer insoweit nur die Pflicht zu einer Sichtprüfung auferlegt.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Drittschadensliquidation durch den Frachtführer in Fällen der Haftung des Absenders nach Art 10 CMR noch keine oberstgerichtliche Stellungnahme vorliege. Daher fehle es auch an Judikatur zur Frage, ob ein dem Frachtführer daraus allenfalls zustehender Anspruch trotz Fehlens eines von ihm selbst erlittenen Schadens der Abtretung an den Geschädigten zugänglich sei.
Gegen dieses Zwischen- und Teilurteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Der CMR unterliegen Verträge über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Guts und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist (Art 1 Abs 1 CMR). Weiters ist auf derartige entgeltliche Beförderungen – mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen – die CMR anzuwenden, sofern der vertragliche Ort der Übernahme und der vertragliche Ort der Ablieferung des Guts im Inland liegen (§ 439a UGB).

2.1 Nach Art 10 CMR haftet der Absender dem Frachtführer für die durch die mangelhafte Verpackung des Guts verursachten Schäden an Personen, am Betriebsmaterial und an anderen Gütern sowie für alle durch die mangelhafte Verpackung verursachten Kosten, es sei denn, dass der Mangel offensichtlich oder dem Frachtführer bei der Übernahme des Guts bekannt war und er diesbezüglich keine Vorbehalte gemacht hat.

2.2 Die Bestimmung normiert die Gewährhaftung des Absenders. Dieser haftet ohne Verschulden für jeden Schaden, der aufgrund mangelhafter Verpackung entstanden ist. Der Anspruch gemäß Art 10 CMR besteht nur zwischen den jeweiligen Vertragsparteien. Aktivlegitimiert ist also nur der Vertragspartner des Absenders sowie ein nachfolgender Beförderer im Sinn von Art 34 CMR, dagegen nicht ein Unterfrachtführer; dieser kann sich nur an den Hauptfrachtführer halten, der sein Absender ist. Auch passivlegitimiert ist nur der Vertragspartner des Frachtführers (vgl Csoklich in Artmann UGB3 Art 10 CMR Rz 6; Jesser-Huß in Münchener Kommentar zum HGB3 Art 10 CMR Rn 6, Reuschle in Staub HGB Großkommentar5 Art 10 CMR Rn 16, vgl auch Temme in Thume CMR3 Art 10 Rn 24). Wegen Art 41 CMR scheiden abweichende Vereinbarungen aus (Reuschle aaO Rn 17).

2.3 Art 10 CMR erfasst alle Personen, die durch die mangelhafte Verpackung des Absenders geschädigt werden. Es ist also nicht nur die Person des Frachtführers gemeint. Geschützt sind auch alle anderen Personen, die mit den transportierten Gütern zusammenkommen (vgl Temme aaO Rn 15; Thume in Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht [2000] Art 10 CMR Rn 12).

2.4.1 Zum hier interessierenden Begriff Betriebsmaterial nach Art 10 CMR besteht in der Lehre ein differenzierter Meinungsstand.

So verstehen Temme (aaO Rn 18 ff); Csoklich (aaO Rz 3); Thume (aaO Rn 14, 15) unter Betriebsmaterial Sachen des Frachtführers, die dieser zum Betrieb seines Transportunternehmens einsetzt. Das Betriebsmaterial des Frachtführers müsse aber nicht in dessen Eigentum stehen. Die Zugehörigkeit des Betriebsmaterials sei also aus wirtschaftlicher Sicht zu beurteilen. Schadenersatzansprüche des Frachtführers würden bestehen, wenn von ihm gemietetes Gerät, das also dem Vermieter gehört, aber als Betriebsmaterial einzuordnen sei, beschädigt werde. Ebenso bleibe der Frachtführer anspruchsberechtigt, wenn er Betriebsmaterial geleast oder sicherungsübereignet habe. Anspruchsberechtigt sei gemäß Art 10 allein der Frachtführer.

Nach Thume (aaO Rn 22) gelte dies nicht nur für die eigenen vom Frachtführer erlittenen Schäden, sondern auch für die Dritter. Insoweit liege ein gesetzlich geregelter Fall der Drittschadensliquidation vor.

Koller (Transportrecht9 Art 10 CMR Rn 3, 4) argumentiert, zu ersetzen seien Schäden, die der Frachtführer oder Dritte, die dem Frachtführer Gut übergeben hätten oder sonst am Transport beteiligt seien, erlitten hätten. Das Betriebsmaterial müsse nicht im Eigentum des Frachtführers stehen. Der Absender hafte für Schäden eines Dritten auch dort, wo der Dritte den Frachtführer nicht in Anspruch nehmen könne, der Frachtführer also keinen eigenen Vermögensschaden erleide, denn ein Schaden des Frachtführers im Sinn der Drittschadensliquidation müsse genügen.

Helm (Frachtrecht II CMR2 Art 10 Rn 17 f) und Reuschle (aaO Rn 19 f) meinen, dass die deutsche Übersetzung sprachlich die Bedeutung der Originaltexte durch die Einengung auf „Betriebsmaterial“ gegenüber den weiteren Begriffen des französischen, aber auch englischen Textes verenge. Die Wortfassung der CMR könne in keinem Fall dafür herangezogen werden, dass Drittschäden nicht zu ersetzen seien. Eine Drittschadensliquidation nach deutschem und österreichischem Recht sei auch sinnvoll, weil sie den Frachtführer von der sachlich unabweisbaren Notwendigkeit einer vollen Entschädigung Dritter entlaste. Nach diesen Grundsätzen seien insbesondere auch Schäden an gemietetem Betriebsmaterial und an Gütern dritter Absender zu behandeln. Danach sei es nicht erforderlich, dass der Frachtführer seinerseits dem Dritten gegenüber haftpflichtig ist. In den meisten Fällen könnten die Drittschäden auch als Kosten zu ersetzen sein. Speziell bei Materialschäden seien auch solche zu ersetzen, die nicht im Betrieb des Frachtführers, sondern etwa dem Absender oder Empfänger an von ihm benutzten Materialien entstünden. Zumindest die Haftpflicht des Frachtführers gegenüber Dritten sei auf jeden Fall Teil seines Vermögensschadens der nach Art 10 CMR zu ersetzen sei.

Jesser-Huß (aaO Rn 7) geht davon aus, dass die Haftpflicht sämtliche Personen- und Sachschäden erfasse, die der Frachtführer selbst erleide, darüber hinaus auch die Personen- und Sachschäden Dritter (zB anderer Ladungseigentümer, seiner Arbeitnehmer, des LKW-Vermieters, außenstehender Verkehrsteilnehmer), für die der Frachtführer einzustehen habe und für die er sich beim Absender gemäß Art 10 schadlos halten könne. Eine solche Haftpflicht gegenüber Drittgeschädigten sei jedoch keine notwendige Voraussetzung.

Otte (Ferrari/Kieninger/Mankowski ua Internationales Vertragsrecht3, Art 10 CMR Rn 15, 17) meint, zu ersetzen seien Personenschäden und Schäden die am Betriebsmaterial des Frachtführers entstanden seien. Außerdem seien solche Schäden zu ersetzen, die Dritte erleiden, weil sie dem Frachtführer das Beförderungsgut übergeben haben oder sonst am Transport beteiligt sind. Könne also der Dritte den Frachtführer in Anspruch nehmen, so stehe dem Frachtführer gegen den Absender ein Schadenersatzanspruch aus Art 10 CMR zu. Dem Wortlaut des Art 10 CMR zufolge hafte der Absender dem Frachtführer für Schäden eines Dritten auch dann, wenn der Dritte den Frachtführer nicht in Anspruch nehmen könne, also der Frachtführer insoweit keinen eigenen Schaden erleide. Art 10 CMR stelle einen gesetzlich geregelten Fall der Drittschadensliquidation dar.

Nach Csoklich (aaO Rn 5) besteht die Ersatzpflicht nur gegenüber dem Frachtführer. Treten die Schäden bei anderen Personen als dem Frachtführer ein (etwa an den Einrichtungen des Empfängers, Dienstnehmers des Frachtführers, bei Unterfrachtführern), sei der Absender gemäß Art 10 CMR nur ersatzpflichtig, wenn der Frachtführer seinerseits diesen geschädigten Personen gegenüber ersatzpflichtig sei. Unmittelbare Ansprüche Dritter gegen den Absender könnten allenfalls nach dem anwendbaren nationalen Recht bestehen.

Herber/Piper (CMR Internationales Straßentransportrecht [1996] Art 10 Rn 18) vertreten, dass der Absender für Schäden des Frachtführers hafte, nicht für Schäden Dritter. Deshalb komme für Schäden Dritter auch eine Drittschadensliquidation auf der Grundlage des Art 10 CMR nicht in Betracht. Allerdings seien dem Frachtführer außer den Schäden an seinem Betriebsmaterial auch alle Vermögensschäden zu ersetzen, also auch solche, die ihm durch Inanspruchnahme durch Dritte entstehen, dies setze aber voraus, dass er selbst dem Dritten hafte.

Boesche (in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn HGB3 Art 10 CMR Rn 3) geht davon aus, dass der Absender dem Frachtführer für Personenschäden und Schäden an Betriebsmitteln und anderen Waren hafte. Die Haftung erfasse Schäden, die dem Frachtführer unmittelbar entstehen und Schäden Dritter, für die der Frachtführer in Anspruch genommen werden könne, insoweit auch von Verkehrsteilnehmern außerhalb des Transportverhältnisses. Dafür, dass im Rahmen der vertraglichen Haftung des Art 10 CMR eine Haftung für Schäden Dritter geschaffen werden sollte, die keinen Rückgriffanspruch gegen den Frachtführer hätten, bestehe kein Anhaltspunkt.

2.4.2 Ausgehend davon hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

In der Lehre herrscht Übereinstimmung darüber, dass es sich beim Betriebsmaterial nach Art 10 CMR grundsätzlich um jenes Material handelt, das zur Durchführung des Transports eingesetzt wird, wobei dieses aber nicht im Eigentum des Frachtführers stehen muss. Der einschränkenden Auslegung eines Teils der Lehre, dass Art 10 CMR bloß Betriebsmaterial zu unterstellen ist, das wirtschaftlich – durch Miete, Leasing oder Sicherheitsübereignung – dem Betrieb des Frachtführers zugehörig sein muss, kann nicht geteilt werden. Ebenso wenig wie Personenschäden auf eine körperliche Schädigung des Frachtführers beschränkt sind, enthält der Wortlaut des Art 10 CMR weder in der deutschen, noch in der englischen oder französischen Übersetzung diese Einschränkung. Gerade im Transportwesen führt der Frachtführer die Beförderung oftmals nicht selbst durch, sondern beauftragt einen Unterfrachtführer. Damit sind es üblicherweise nicht die Sachen des Hauptfrachtführers, sondern die des Unterfrachtführers, die der Gefahr der Beschädigung durch eine mangelhafte Verpackung ausgesetzt sind. Im Verhältnis zum Absender macht es aber keinen Unterschied, ob der Hauptfrachtführer für den Transport seinem Unternehmen durch Miete zugehörige, aber im Eigentum Dritter stehende Betriebsmittel einsetzt oder ob er sich eines Unterfrachtführers bedient, dessen Betriebsmittel für den Transport verwendet werden, sodass hier eine Differenzierung auch nicht geboten ist. Da die von einem Teil der Lehre vertretene Einschränkung – wie ausgeführt – dem Art 10 CMR gerade nicht zu entnehmen ist, kann die Bestimmung auch nur dahin verstanden werden, dass es sich unabhängig von einer eigentlichen wirtschaftlichen Zuordnung zum Betrieb des Hauptfrachtführers auch bei dem für den Transport notwendigerweise eingesetzten Material des – vom Hauptfrachtführer beauftragten – Unterfrachtführers um Betriebsmaterial im Sinn des Art 10 CMR handelt. Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass der Begriff Betriebsmaterial in Art 10 CMR das für den Transport notwendige Material umfasst. Keine Voraussetzung ist, dass es dem Betrieb des Hauptfrachtführers unmittelbar zugehörig sein muss. Vielmehr gehört auch das vom Unterfrachtführer für den Transport benutzte Material dazu.

2.5.1 Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob Art 10 CMR – wie ebenfalls von einem Teil der Lehre vertreten – eine gesetzliche Drittschadensliquidation regelt und somit auch Schäden Dritter erfasst, für die der Frachtführer nicht in Anspruch genommen werden kann oder ob ein eigener Schaden Anspruchsvoraussetzung ist. Übereinstimmung besteht nämlich in der Lehre jedenfalls auch darüber, dass jedenfalls Schäden, für die der Frachtführer Dritten haftet, als Teil seines Vermögensschadens vom Absender nach Art 10 CMR zu ersetzen sind. Das heißt, treten Schäden am Betriebsmaterial anderer Personen (hier der Klägerin) als dem Frachtführer (hier der Hauptfrachtführerin) ein, ist der Absender (hier die Beklagte) gemäß Art 10 CMR dem Frachtführer gegenüber jedenfalls ersatzpflichtig, wenn dieser seinerseits gegenüber der geschädigten Person haftet.

2.5.2 Hier trat ein Schaden am Betriebsmaterial der Unterfrachtführerin (Klägerin) ein. Die Hauptfrachtführerin ist ihr gegenüber unzweifelhaft ersatzpflichtig nach Art 10 CMR.

2.5.3 Nach herrschender Rechtsansicht bedeutet schon die entstandene Verbindlichkeit einen Nachteil am Vermögen (RS0022568). Der Schaden ist daher schon durch das Entstehen der Verbindlichkeit auf Seite des Geschädigten und nicht erst durch die Erfüllung der Verbindlichkeit gegeben (RS0022568 [insb T15]). Die Klägerin machte mit Schreiben vom 27. 7. 2017 ihren Schaden der Hauptfrachtführerin gegenüber geltend, indem sie – zu dessen Liquidierung – von der Hauptfrachtführerin die Abtretung ihres Anspruchs nach Art 10 CMR verlangte. Die Verbindlichkeit der Hauptfrachtführerin gegenüber der Klägerin entstand somit spätestens mit dieser Aufforderung zur Abtretung.

2.5.4 Der wiederum daraus resultierende Ersatzanspruch der Hauptfrachtführerin gegenüber der Beklagten stellt ihren eigenen Vermögensschaden nach Art 10 CMR dar, der ohne weiteres der Klägerin wirksam abgetreten werden konnte. Eines Eingehens auf weitere Fragen zur Drittschadensliquidation bedarf es daher nicht.

3.1 Die Beklagte meint weiters, dass der Fahrer durch die bloße Umrundung der Container seiner Verpflichtung nach § 13 Abs 1a Z 3 Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBG) nicht nachgekommen sei. Bei einer „eingehenderen“ Sichtkontrolle wäre der Mangel an der Verpackung bemerkt worden. Aufgrund der damit vorliegenden Offensichtlichkeit scheide eine Haftung der Beklagten nach Art 10 CMR aus.

3.2 Nach Art 10 CMR haftet der Absender nicht, wenn der Mangel offensichtlich oder dem Frachtführer bei der Übernahme des Guts bekannt war und er diesbezüglich keine Vorbehalte gemacht hat. Diese Regelung steht im Zusammenhang mit Art 8 CMR, der dem Frachtführer eine Reihe von Überprüfungspflichten auferlegt. Dazu gehört gemäß Art 8 Abs 1 lit b CMR auch die Überprüfung des äußeren Zustands des Guts und seiner Verpackung (Temme aaO Rn 35, Teutsch in Thume Kommentar CMR3 Art 8 Rn 12, 15).

3.3 Die Haftung nach Art 10 CMR ist demnach ausgeschlossen, wenn der Mangel offensichtlich, also evident bzw bereits mit geringster Sorgfalt zu entdecken war (5 Ob 138/07sTemme aaO Rn 36 f) oder wenn der Verpackungsmangel dem Frachtführer bei Durchführung seiner ihm obliegenden Prüfung des äußeren Zustands der Verpackung hätte auffallen müssen (Thume aaO Rn 24). Offensichtlich ist ein Verpackungsmangel auch dann, wenn er bei oberflächlicher Besichtigung des Guts ohne Weiteres ins Auge fällt (Otte aaO Rn 11).

3.4 Das Gefahrgutbeförderungsgesetz ist auf die Beförderung gefährlicher Güter anzuwenden. Abgesehen davon, dass § 13 Abs 1a Z 3 GGBG ebenfalls eine Sichtprüfung – sohin eine optische Kontrolle – vorsieht, haben straßenpolizeiliche Vorschriften keinen Einfluss auf die Haftung nach dem Vertragsverhältnis und der CMR (vgl RS0129457).

3.5 Der Fahrer führte im Zuge der Beladung des Anhängers eine (äußerliche) Sichtkontrolle der Paloxen in der Weise durch, dass er jede Paloxe einmal umrundete, um den Zustand von außen einer Blickkontrolle zu unterziehen, wobei die Mängel der Paloxen aber nicht erkannt werden konnten. Bei welcher „eingehenderen“ Sichtkontrolle die Mängel aufgefallen wären, konkretisiert die Beklagte überdies selbst nicht.

Zutreffend gingen daher die Vorinstanzen davon aus, dass der Fahrer der ihm auferlegten Sichtprüfung entsprochen hat, dabei die Mängel aber nicht erkannt werden konnten, sodass sie nicht offensichtlich waren. Ein Ausschluss der Haftung des Absenders nach Art 10 CMR kommt daher nicht in Betracht.

4. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO.

 

Haben Sie Fragen dazu? Unsere Experten stehen Ihnen zur Verfügung:


RA Dr. Dominik Schärmer
Mag. Amra Bajraktarevic

 

 

Verbesserung der Regressquote gegen polnische Frachtführer!

Nach der aktuellen Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) ist eine Direktklage gegen den polnischen CMR-Versicherer eines polnischen Frachtführers zulässig. Oft ist der polnische Frachtführer zahlungsunfähig, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Mit der neuen Rechtslage kann dieses Problem dadurch entschärft werden, dass neben dem Frachtführer auch der CMR-Versicherer geklagt wird.

Der deutsche Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 29.5.2019 entschieden, dass Direktklagen gegen den Verkehrshaftungsversicherer eines Frachtführers vom Anwendungsbereich der CMR erfasst sind. Dementsprechend können derartige Direktklageansprüche – sofern solche nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht existieren (zum Beispiel nach polnischem Recht existiert eine derartige Möglichkeit) – mit dem Anspruch gegen den Frachtführer selbst verbunden und an den Gerichtsständen der CMR (Sitz des beklagten Frachtführers, Übernahme- und Ablieferort) eingeklagt werden. Hierdurch erhöht sich die Chance der Einbringlichmachung von Forderungen, dies bei gleichzeitig minimalem Mehraufwand an Kosten.

Transportanwalt Schärmer hat diese Möglichkeit kürzlich in mehreren Fällen schon eingeschlagen und Klagen gegen polnische Frachtführer und gleichzeitig gegen deren polnische CMR-Versicherer eingeleitet. Es ist davon auszugehen, dass auch die österreichischen Gerichte der deutschen Rechtsauffassung folgen werden. Lesen Sie mehr im Artikel auf wirtschaftsanwaelte.at.

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Mag. Lukas Blaschon
RA Dr. Dominik Schärmer

 

 

Transporteur 05/20, A. Miskovez – Frachtbrief wird wieder wichtiger!

Neue EU-Regelung stärkt Frachtbriefeinsatz

Der CMR-Frachtbrief bildet in der Praxis das wichtigste Begleitdokument für den Gütertransport auf der Straße, da die Übernahme und Ablieferung des Gutes, sowie allfällige Vorfälle während des Transports im CMR-Frachtbrief dokumentiert werden. Durch die neuen EU „Quick-Fixes“ wird der Frachtbrief wieder an Bedeutung gewinnen, da dieser ein Nachweisdokument für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung bildet. In der Praxis wird bereits diese Vorgabe umgesetzt und fordern die Parteien eines Kaufgeschäftes (Verkäufer, Käufer) immer mehr die Verwendung von Frachtbriefen. Die Ausfertigung und Unterzeichnung eines CMR-Frachtbriefes bringt somit viele Vorteile mit sich, jedoch muss beachtet werden, dass die CMR-Konvention zahlreiche Regelungen über die Beweisvermutung und die Beweislast hinsichtlich der Eintragungen im CMR-Frachtbrief vorsieht und dem CMR-Frachtbrief somit in einem Transportprozess enorme Bedeutung zukommt.

Übernahme der Ware durch den Frachtführer

Der Frachtbrief dient gemäß Art. 9 CMR, bis zum Beweis des Gegenteils als Nachweis für den Abschluss und Inhalt des Beförderungsvertrages sowie für die Übernahme des Gutes durch den Frachtführer. Dem CMR-Frachtbrief kommt somit eine erhöhte Beweiswirkung zu. D. h. ein ordnungsgemäß unterzeichneter Frachtbrief bildet kraft Gesetzes unter den im Frachtbrief als Absender, Empfänger und Frachtführer ausgewiesenen Personen eine widerlegbare Beweisurkunde, die zur vollen Umkehrung der Beweislast führt. Das bedeutet, dass jene Partei, die eine im Frachtbrief enthaltene Angabe bzw. einen Vorbehalt anzweifelt/bestreitet, einen Gegenbeweis erbringen muss und somit die Beweislast trägt. Gelingt ein solcher Gegenbeweis nicht, so tritt die Beweiskraft des Art. 9 CMR ein und wird vermutet, dass die Angaben bzw. Vorbehalte den Tatsachen entsprechen.

Übernimmt der Frachtführer somit vorbehaltlos eine mangelhafte Ware, so wird aufgrund des reingezeichneten CMR-Frachtbriefes in erster Linie vermutet, dass die Ware mangelfrei übernommen wurde. Es obliegt sodann dem Frachtführer zu beweisen, dass zum Zeitpunkt der Übernahme allfällige Mängel vorlagen.

Übernahme der Ware durch den Empfänger

Die Beweiskraft des Art. 9 CMR findet jedoch auf die Übernahme des Gutes durch den Empfänger, bei der Ablieferung, keine Anwendung. Grundsätzlich sieht das Regelwerk der CMR keine Verpflichtung des Empfängers zur Unterzeichnung des Frachtbriefes vor.

Auf die Übernahme des Gutes durch den Empfänger und allfällige Vorbehalte sind die Regeln des Art. 30 CMR anzuwenden. Nimmt der Empfänger das Gut an, ohne an den Frachtführer Vorbehalte zu richten, so wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Empfänger das Gut in ordnungsgemäßem Zustand erhalten hat. Wird der Frachtbrief somit vom Empfänger vorbehaltlos gegengezeichnet, so entsteht eine Beweisvermutung über die ordnungsgemäße Ablieferung des Gutes und trifft den Empfänger die Beweislast für das Vorhandensein allfälliger, äußerlich erkennbarer Mängel. Art. 30 CMR sieht somit eine Beweiswirkung des „reingezeichneten Frachtbriefes“ zugunsten des Frachtführers vor.

Umgekehrt entfaltet ein wirksam getätigter Vorbehalt des Empfängers im CMR-Frachtbrief nicht die Beweisvermutung für das Vorliegen eines Mangels. Vielmehr ist die Beweislage hierdurch offen und muss der Empfänger beweisen, dass der Schaden im Obhutszeitraum des Frachtführers eingetreten ist.

Regelung im Güterbeförderungsgesetz

Im Rahmen des Güterbeförderungsgesetzes wird zwar nicht mehr explizit die Verwendung eines Frachtbriefes vorgeschrieben, zumindest ein Begleitpapier muss aber mitgeführt werden. Aufgrund der EU-Vorgaben und der damit verbundenen neuen Rechtslage wird sich in der Praxis der Frachtbrief wieder durchsetzen. Die Umsetzung des elektronischen Frachtbriefes ist international noch nicht vereinheitlicht, weshalb es hier in naher Zukunft noch weitere Neuigkeiten geben wird.

Fazit

Hinsichtlich des Abschlusses und des Inhaltes des Beförderungsvertrages sowie der ordnungsgemäßen Übernahme des Gutes durch den Frachtführer, entfaltet der CMR-Frachtbrief eine erhöhte Beweiswirkung zwischen den Parteien. Hinsichtlich der Übernahme des Gutes durch den Empfänger, bildet der „reingezeichnete“ CMR-Frachtbrief eine Beweisvermutung zugunsten des Frachtführers. Ein wirksamer Vorbehalt des Empfängers führt hingegen nicht zu einer Beweisvermutung über das Vorliegen von Mängeln, sondern verhindert bloß den Eintritt einer Beweisvermutung zugunsten des Frachtführers.

Transporteur 05/20, A. Miskovez – Frachtbrief wird wieder wichtiger!

Transporteur 05/20, Dr. Schärmer – Fehlerhafte Verpackung: Batteriesäure zerstört neuen Auflieger!

Batteriesäure zerstört neuen Auflieger!

  • Absender haftet in voller Höhe!
  • Kontrollpflichten des Transportunternehmers dürfen nicht überspannt werden!

In einem konkreten Fall mussten wir wieder den Obersten Gerichtshof anrufen. Dieser hat schlussendlich dem von uns vertretenen Osttiroler Transportunternehmer Recht gegeben und den Absender in voller Höhe für den Fahrzeugschaden verurteilt. Pikantes Detail am Rande: der aus den Medien bekannte „Wut-Trucker“ war der Chauffeur des verfahrensgegenständlichen Sattelzuges.

Verfahrensablauf:

Im gegenständlichen Fall beauftragte der Urabsender den Hauptfrachtführer mit einem Transport von Altbatterien. Der Hauptfrachtführer beauftragte wiederum einen Subfrachtführer, der den Transport tatsächlich durchführte. Die Batterien waren grundsätzlich in geeigneten Paloxen (mit Decken verschlossene Plastikcontainer) verpackt, drei dieser Paloxen waren jedoch beschädigt. Während dem Transport trat Batteriesäure aus den Paloxen aus. Die Batteriesäure verteilte sich über den neuen Auflieger und beschädigte das Fahrzeug massiv. Wir vertraten in dieser Sache den Subfrachtführer und begehrten vor dem Handelsgericht Wien Schadenersatz vom Urabsender. Dieser Rechtsstreit dauerte über 3 Jahre und ging durch alle Instanzen. Das Handelsgericht Wien hat zuerst die Klage abgewiesen. Daraufhin haben wir Berufung an das Oberlandesgericht Wien erhoben. Das Berufungsgericht hat unsere Auffassung geteilt und das Urteil des Handelsgerichtes Wien aufgehoben. Letztendlich hat der Oberste Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass der Absender für die mangelnde Verpackung, die den Schaden am Fahrzeug verursacht hat, haftet. Die Kontrollpflichten des Transportunternehmers bei der Verladung und Kontrolle der Verpackung auf Transporttauglichkeit dürften nach Ansicht des OGH nicht überspannt werden!

Beiß nicht die Hand, die dich füttert

Grundsätzlich regelt die CMR-Konvention nur das Verhältnis zwischen Absender, Frachtführer und Empfänger. Sämtliche Ansprüche aus der Beförderung sind daher gegen den jeweiligen Vertragspartner zu stellen. Unter Umständen ist jedoch eine Durchbrechung dieser Haftungskette möglich und kann der Subfrachtführer somit direkt gegen den Urabsender vorgehen. Eine Voraussetzung hierfür, ist in erster Linie, eine Abtretungserklärung des Hauptfrachtführers an den Subfrachtführer, in der die relevanten Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag abgetreten werden. In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Unterfrachtführer seinen Auftraggeber (Hauptfrachtführer, Spediteur) und nicht direkt klagen will, damit die Geschäftsbeziehung nicht gefährdet wird. In derartigen Fällen wäre es ratsam, die Ansprüche abzutreten, sodass der Unterfrachtführer direkt gegen den Verlader vorgehen kann. Diese Strategie wurde auch im vorliegenden Fall gewählt.

Strenge Haftung des Verladers ohne Verschulden

Art. 10 CMR normiert die Gewährhaftung des Absenders. Dieser haftet ohne Verschulden für jeden Schaden, der aufgrund mangelhafter Verpackung entstanden ist. Der Anspruch gemäß Art. 10 CMR besteht nur zwischen den jeweiligen Vertragsparteien. Aktivlegitimiert ist also nur der Vertragspartner des Absenders, dagegen nicht ein Unterfrachtführer; dieser kann sich nur an den Hauptfrachtführer halten, der sein Absender ist. Hinsichtlich des Schadens ist festzuhalten, dass dieser nicht unmittelbar am Betriebsmaterial des Hauptfrachtführers eintreten muss. Art. 10 CMR erfasst alle Personen, die durch die mangelhafte Verpackung des Absenders geschädigt werden. Es ist also nicht nur die Person des Frachtführers gemeint. Geschützt sind auch alle anderen Personen, die mit den transportierten Gütern zusammenkommen. Das in Art. 10 CMR genannte Betriebsmaterial muss nicht im Eigentum des Hauptfrachtführers stehen.

Beim Betriebsmaterial nach Art. 10 CMR handelt es sich grundsätzlich um jenes Material, das zur Durchführung des Transportes eingesetzt wird, wobei dieses aber nicht im Eigentum des Hauptfrachtführers stehen muss. Gerade im Transportwesen führt der Hauptfrachtführer die Beförderung oftmals nicht selbst durch, sondern beauftragt einen Unterfrachtführer. Damit sind es üblicherweise nicht die Sachen des Hauptfrachtführers, sondern die des Unterfrachtführers, die der Gefahr der Beschädigung durch eine mangelhafte Verpackung ausgesetzt sind, womit es Sinn macht, dass auch das Betriebsmaterial des Unterfrachtführers von der Bestimmung des Art. 10 CMR mitumfasst ist. Hieraus folgt, dass die wirtschaftliche Zuordnung des Betriebsmaterials zum Betrieb des Hauptfrachtführers bzw. Subfrachtführers irrelevant ist.

Somit sind nicht bloß sämtliche Personen- und Sachschäden, die der Hauptfrachtführer selbst erleidet, sondern darüber hinaus auch die Personen- und Sachschäden Dritter, wie insbesondere Schäden am Fahrzeug des Subfrachtführers, für die der Hauptfrachtführer einzustehen hat vom Art. 10 CMR umfasst. Aus der Wortfassung der CMR-Konvention ist daher nicht zu entnehmen, dass Drittschäden nicht zu ersetzen seien. Dies bedeutet, dass sofern Schäden am Betriebsmaterial anderer Personen als dem Hauptfrachtführer eintreten, der Urabsender gemäß Art. 10 CMR dem Hauptfrachtführer gegenüber jedenfalls ersatzpflichtig ist, wenn dieser seinerseits gegenüber der geschädigten Person haftet.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Urabsender auch Dritten für Schäden infolge einer mangelhaften Verpackung haftet. Tritt der Hauptfrachtführer, wie im gegenständlichen Fall, seine Schadensersatzansprüche aufgrund mangelhafter Verpackung, seinem Unterfrachtführer ab, so kann dieser den eingetretenen Schaden gegenüber dem Urabsender direkt geltend machen und muss nicht seinen eigenen Auftraggeber vor Gericht klagen.

Kontrollpflichten des Transportunternehmers dürfen nicht überspannt werden!

Im gegenständlichen Fall wurde vom Absender der Einwand erhoben, dass der Lkw-Fahrer des ausführenden Frachtführers seinen Überprüfungspflichten hinsichtlich der Verpackung nach Art. 8 CMR nicht nachgekommen ist, da er die Ware bei der Übernahme nicht überprüft hätte und keine Vorbehalte über die Mangelhaftigkeit der Verpackung tätigte. Der Urabsender behauptete, dass bei einer „eingehenderen“ Sichtkontrolle, der Mangel an der Verpackung aufgefallen wäre und somit aufgrund der Offensichtlichkeit des Mangels eine Haftung seinerseits ausscheiden würde. Dies konnten wir ebenfalls ausräumen. Der lang erfahrene und sehr sorgfältige LKW-Fahrer (hier: „Wut-Trucker“) hat natürlich die Ware vor der Übernahme überprüft. Der Verpackungsmangel konnte dem Fahrer aber nicht auffallen, da der Mangel an der Unterseite vorhanden und somit bei der Beladung nicht sichtbar war.

Hierzu führte der Oberste Gerichtshof klarstellend aus, dass der Fahrer im Zuge der Beladung, seinen Überprüfungspflichten nachkam, da er eine äußerliche Sichtkontrolle der Paloxen durchführte, um den Zustand von außen einer Blickkontrolle zu unterziehen. Bei dieser Sichtkontrolle waren keine Beschädigungen der Paloxen ersichtlich.

Zusammenfassung/Praxistipps:

*Nach dem Motto „beiß nicht die Hand, die dich füttert“ kann es in Einzelfällen Sinn machen, einen Anspruch abzutreten, damit man nicht direkt den Vertragspartner klagen muss. Diese Vorgehensweise ist auch zulässig. Dies wurde vom OGH nun auch bestätigt: siehe Oberster Gerichtshof: 7Ob178/19f

*hierfür ist jedoch eine Abtretungserklärung zwischen Hauptfrachtführer und Subfrachtführer notwendig

*der Absender haftet ohne Verschulden für jeden Schaden, der aufgrund mangelhafter Verpackung entstanden ist.

*der Schaden muss nicht unmittelbar am Betriebsmaterial des Hauptfrachtführers eintreten. Auch Schäden am Fahrzeug des Unterfrachtführers zählen dazu.

*auch das Betriebsmaterial Dritter ist von der Regelung des Art. 10 CMR umfasst. Eine wirtschaftliche Zuordnung des beschädigten Betriebsmaterials zum Betrieb des Hauptfrachtführers ist keine Voraussetzung

*die Überprüfungspflichten des Transportunternehmers bei der Übernahme der Ware dürfen keinesfalls überspannt werden, was die Qualität der Verpackung angeht!

*durch eine äußere Blickkontrolle, bei der Schäden an den Paloxen nicht erkennbar sind, kommt der Unterfrachtführer seinen Kontrollpflichten gemäß Art. 8 CMR ordnungsgemäß nach

Transporteur 05/20 – PDF