Transporteur 08/23 – Dr. Schärmer – Originalpapiere – Augenmerk auf AGB

Transporteur 08/23 – Dr. Schärmer –  Originalpapiere – Augenmerk auf AGB

Originalpapiere – Augenmerk auf AGB

In einem aktuellen Fall aus unserer Kanzlei befasste sich das Bezirksgericht Neunkirchen mit der Zurückbehaltung des Frachtlohns aufgrund fehlender Originalpapiere und den Regelungen darüber in allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Ausgangslage

 Unsere Mandantschaft, ein österreichisches Transportunternehmen, wurde von einer Spedition mit der Durchführung eines Transports von Österreich nach Belgien beauftragt. Als Frachtlohn wurde eine Pauschale in Höhe von EUR 1.300,- vereinbart. Nachdem die Ware in Belgien abgeliefert wurde, verrechnete unsere Mandantschaft die Frachtkosten ordnungsgemäß an den Auftraggeber. Der Spediteur verweigerte jedoch die Bezahlung und begründete dies damit, dass er wiederum für dessen Kunden den originalen Frachtbrief benötige. Auch die Übermittlung eines Scans war für den Auftraggeber nicht ausreichend. Da unsere Mandantschaft den Spediteur auch über ein Inkasso mehrmals erfolglos mahnte, wurde schlussendlichen Klage auf Frachtzahlung gegen den Spediteur eingebracht.

 Spediteur berief sich auf AGB

 Der Spediteur verwies auf seine allgemeinen Geschäftsbedingungen im Transportauftrag, worin geregelt war, dass die Fracht erst 45 Tage ab Übermittlung des originalen Frachtbriefes fällig sei. Der Spediteur war somit der Meinung, dass auch die Übermittlung bzw. Übergabe des originalen Frachtbriefes als Bestandteil des Vertrages anzusehen sei und die Leistung des Frachtführers somit erst dann vollständig erbracht ist, wenn der originale Frachtbrief übermittelt wird. Deshalb vertrat der Spediteur die Meinung, dass die Fracht nach wie vor nicht fällig war.

 Unsere Mandantschaft verwies wiederum während der gesamten Korrespondenz mit dem Spediteur auf deren eigene AGB, welche jederzeit auf der Webseite zum Download verfügbar waren. Gemäß den AGB unserer Mandantschaft entsteht der Anspruch auf Zahlung des Frachtlohns mit Ablieferung des Frachtgutes. Weiters brachten wir vor, dass die Nichtbezahlung des Frachtlohns trotz ordnungsgemäßer Durchführung des Transports rechtsmissbräuchlich ist und § 32 AÖSp (Aufrechnungsverbot) widerspricht.

 Wessen AGB gelten?

 Eine häufige Problematik bei einer Konstellation wie der gegenständlichen, in der beide Parteien auf ihre eigenen AGB verweisen, ist die Frage, wessen AGB schlussendlich gelten. Sowohl der Spediteur als auch unsere Mandantschaft schreiben in ihren AGB nämlich, dass ausschließlich die eigenen AGB gelten und den jeweils anderen AGB widersprochen wird. Wie bereits zuvor ausgeführt, sahen die jeweiligen AGB auch gegenteilige Regelungen hinsichtlich der Übermittlung von Originalen Frachtpapieren und der Fälligkeit des Frachtlohns vor.

 Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten regelmäßig nur kraft ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung als vereinbart. Dabei genügt es, wenn der Unternehmer vor dem Abschluss des Vertrages erklärt, nur zu seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen kontrahieren zu wollen und sich der Geschäftspartner daraufhin mit ihm einlässt. Zur wirksamen Vereinbarung von AGB ist es somit nicht zwingend notwendig, dass den AGB ausdrücklich zugestimmt wird, sondern kann auch das Unterlassen eines Widerspruches zur Vereinbarung der AGB führen.

 Im gegenständlichen Fall haben jedoch beide Unternehmer erklärt, zu den eigenen Geschäftsbedingungen kontrahieren zu wollen und haben in den eigenen AGB den fremden AGB widersprochen.

 Im gegenständlichen Fall kam das Gericht somit zwangsläufig zu dem Schluss, dass beide AGB schlichtweg nicht gelten. Der Transportvertrag war somit teilungültig. Wirksam abgeschlossen und vereinbart wurden lediglich die Hauptpunkte des Vertrages, nämlich wo die Ware verladen wird, wohin diese zu transportieren und wie hoch der Frachtlohn ist. Dieser Teil ist somit wirksam zustande gekommen, da hier Konsens (übereinstimmende Willenserklärungen) zwischen den Parteien besteht. Hinsichtlich der AGB und insbesondere der Frage, ob Originalpapiere übermittelt werden müssen und wann die Fracht fällig ist, bestand hingegen Dissens (keine Einigung der Parteien), weshalb die entsprechenden Bestimmungen in den AGB unbeachtlich waren.

In solch einer Situation (keine vertragliche Regelung) ist daher nach den gesetzlichen Vorschriften vorzugehen.

Gesetzliche Fälligkeit des Frachtlohns

 Mangels Zustandekommen einer vertraglichen Vereinbarung hat das Gericht die Fälligkeit der Fracht nach § 1170 ABGB beurteilt. Bei einem Transportauftrag handelt es sich um einen Werkvertrag, bei dem ein Erfolg geschuldet ist. Der Erfolg des Frachtvertrages liegt in der schadenfreien Ablieferung des Ladegutes beim Empfänger. Diese bildet die Hauptleistungspflicht des Frachtführers. Kommt der Frachtführer dieser Hauptleistungspflicht nach, entsteht der Anspruch auf Bezahlung des Frachtlohns. Die Fälligkeit tritt somit mit Leistungserbringung ein.

 Selbst wenn die AGB des Spediteurs wirksam vereinbart worden wären, hätte dies noch nicht automatisch dazu geführt, dass der Frachtlohn zurückbehalten werden darf. Die Vereinbarung zwischen Spediteur und Frachtführer, dass dieser Ablieferbelege im Original zu übermitteln hat, kann allenfalls eine Nebenleistungspflicht des Frachtführers aus dem Transportvertrag begründen, jedoch keine Hauptleistungspflicht. Die Hauptleistung besteht stets in der schadenfreien Ablieferung. Die Nichterfüllung einer Nebenleistung berechtigt den Spediteur jedoch nicht zur Zurückbehaltung des Frachtlohns, wenn die Hauptleistung erbracht wurde. Der Frachtführer hat somit bei schadenfreier Ablieferung der Güter grundsätzlich Anspruch auf die Fracht.

Achtung Ausnahmen!

Ausnahmen bestehen nur bei Transporten von besonders sensiblen Gütern, wie beispielsweise Medikamenten oder Lebensmitteln. Bei Arzneimitteln muss nämlich nachgewiesen werden, dass die Kühlkette durchgehend eingehalten wurde, um die schadenfreie Ablieferung nachzuweisen. In solch einer Konstellation kann der Spediteur daher vor Bezahlung der Fracht die Übermittlung von Temperaturprotokollen verlangen. Grund hierfür ist, dass bis zur Übermittlung der Temperaturprotokolle nicht überprüfbar ist, ob die Kühlkette eingehalten wurde und somit kein Beweis dafür vorliegt, dass die Ware schadfrei angeliefert wurde.

Fazit, Praxistipps:

  • AGB können entweder ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart werden
  • verweisen im Vorfeld des Vertrages beide Parteien auf die eigenen AGB und widersprechen den jeweils anderen AGB, gibt es augenscheinlich keine Einigung über diese Nebenpunkte
  • sofern über Nebenpunkte, wie die Übermittlung von Originalpapieren oder die Fälligkeit der Fracht, keine Vereinbarung besteht, sind die gesetzlichen Regelungen heranzuziehen
  • da es sich bei dem Frachtvertrag um einen Werkvertrag handelt, entsteht die Leistungspflicht des Auftraggebers mit Vollendung des Werkes (Eintritt des Erfolgs)
  • der werkvertragliche Erfolg bei einem Transportvertrag ist die schadenfreie Ablieferung
  • sobald die Ware schadfrei abgeliefert wurde, entsteht der Anspruch auf Bezahlung der Fracht
  • bei sensiblen Gütern wie beispielsweise Medikamenten oder Lebensmitteln sind unter Umständen entsprechende Nachweise, wie Temperaturzeichnungen, verpflichtend zur Verfügung zu stellen, da ansonsten kein Beweis für die schadfreie Ablieferung besteht.

 

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