Transporteur 11/20, Dr. Schärmer – EUGH: Deutsche Maut überhöht!

Transporteur 11/20, Dr. Schärmer – EUGH: Deutsche Maut überhöht!

Ausgangslage

Auslöser des Rechtsstreits war die Ansicht eines polnischen Transportunternehmens, der zufolge die Maut für die Benutzung deutscher Bundesautobahnen zu hoch angesetzt sei. Das polnische Transportunternehmen war unter anderem im deutschen Güterkraftverkehr tätig. Für die Benutzung deutscher Bundesautobahnen zahlte dieses Unternehmen im Zeitraum vom 1. Jänner 2010 bis zum 18. Juli 2011 Mautgebühren in Höhe von insgesamt 12.420,53 Euro an die Bundesrepublik Deutschland. Da das polnische Unternehmen diesen Betrag als überhöht erachtete, erhob dieses beim Verwaltungsgericht Köln (Deutschland) Klage auf Rückzahlung. Der Rechtsstreit schaffte es bis zum europäischen Gerichtshof und wurde dieser ersucht unter anderem zu beurteilen, ob die Kostenkalkulation, auf deren Grundlage die Mautgebühren festgesetzt wurden, unter Verstoß gegen das Unionsrecht zu überhöhten Sätzen geführt habe. Insbesondere wurde geltend gemacht, dass bei der Festsetzung der Mautgebühren, die Kosten der Verkehrspolizei berücksichtigt worden sind.

Wegekostenrichtlinie

Vom europäischen Gesetzgeber wurde am 17. Juni 1999 die Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege, durch schwere Nutzfahrzeuge erlassen. Eine europäische Richtlinie entfaltet im Gegensatz zu einer Verordnung grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung für den Einzelnen, sondern stellt vielmehr eine Vorgabe an die Mitgliedstaaten dar, die getroffenen Regelungen ins nationale Recht umzusetzen. Aus diesem Grund sind die Vorschriften der Richtlinie 1999/62/EG für die Mitgliedstaaten bindend und muss die Berechnung der Mautgebühren gemäß dieser Richtlinie erfolgen. Art. 7 Abs. 9 der Richtlinie 1999/62/EG in der geänderten Fassung sieht vor, dass Mautgebühren auf dem Grundsatz der ausschließlichen Anlastung von Infrastrukturkosten beruhen. Weiters müssen sich die Mautgebühren an den Baukosten und den Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes orientieren. Demnach dürfen die Mitgliedstaaten Mautgebühren nur unter den Bedingungen dieser Richtlinie vorsehen.

Zusammengefasst bestehen somit Vorgaben der europäischen Union, wie Mautgebühren zu berechnen sind und welche Kosten bei dieser Berechnung zu berücksichtigen sind.

Deutsche Maut überhöht

im konkreten Fall wurden bei der Berechnung der deutschen Mautgebühren unter anderem die Kosten der Verkehrspolizei berücksichtigt.

Aus dem Wortlaut der Richtlinie 1999/62/EG in der geänderten Fassung ergibt sich, dass bei der Festsetzung der Mautgebühren ausschließlich die „Infrastrukturkosten“ im Sinne des Art. 7 Abs. 9 zu berücksichtigen sind. Als solche „Infrastrukturkosten“ sind die Baukosten und die Kosten für den Betrieb, die Instandhaltung und den Ausbau des betroffenen Verkehrswegenetzes anzusehen.

Im gegenständlichen Fall ging es somit um die Frage, ob Kosten der Verkehrspolizei unter dem Begriff „Kosten für den Betrieb“ fallen. Unter diesem Begriff sind grundsätzlich die durch den Betrieb der betreffenden Infrastruktur entstehenden Kosten anzusehen.

Im Hinblick auf diese Frage führte der europäische Gerichtshof aus, dass polizeiliche Tätigkeiten in die Verantwortung des Staates fallen, der dabei hoheitliche Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur handelt. Die Kosten der Verkehrspolizei können daher nicht als „Kosten für den Betrieb“ im Sinne von Art. 7 Abs. 9 angesehen werden. Aus diesem Grund wurden von der Bundesrepublik Deutschland bei der Berechnung der Mautgebühren unzulässigerweise die Kosten der Verkehrspolizei miteinberechnet.

Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass die Kosten der Verkehrspolizei nicht in die Berechnung der Mautgebühren einfließen hätten dürfen und die deutsche Maut somit als überhöht anzusehen ist. Dieser Umstand kann verheerende Folgen für die Bundesrepublik Deutschland haben, da nun der Weg zur Rückforderung von zu viel gezahlten Mautgebühren auch anderen betroffenen Transportunternehmen offenstehen könnte. Wie hoch der, durch die überhöhte Mautfestsetzung durch die Bundesrepublik Deutschland, entstandene Schaden tatsächlich ist, wird sich erst herausstellen.

Schließlich ist auch auf die, vor dem Europäischen Gerichtshof ebenfalls aufgeworfene Frage, ob sich ein Transportunternehmer unmittelbar auf die europäische Richtlinie berufen kann, einzugehen. Wie bereits oben ausgeführt, entfaltet eine Richtlinie im Vergleich zu einer Verordnung keine unmittelbare Wirkung für den Einzelnen. Dies bedeutet das sich eine Person nicht unmittelbar auf eine Richtlinie berufen kann, da Adressat solcher Richtlinien nicht der einzelne Bürger, sondern der Mitgliedstaat ist. Somit stellt eine Richtlinie eine Verpflichtung an einen Mitgliedstaat dar, die Regelungen in das nationale Recht umzusetzen. Anders ist es jedoch dann, wenn ein Mitgliedstaat der Verpflichtung zur Umsetzung nicht nachgekommen ist oder sie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. Da die Bundesrepublik Deutschland nicht ausschließlich die Infrastrukturkosten bei der Berechnung der Mautgebühren berücksichtigt hat, ist die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Umsetzung nicht nachgekommen. Dies bedeutet nun, dass Transportunternehmen sich bei Ansprüchen auf Rückzahlung der zu viel entrichteten Maut, unmittelbar auf die Richtlinie stützen können.

Auswirkungen auf Österreich

Die Grundlage der österreichischen Wegekostenrechnung, welche wiederum die Grundlage der Mauttarifrechnungen darstellt, ist eine Studie aus dem Jahr 2003. Aktualisierungen dieser Studie, so wie dies beispielsweise in Deutschland und in der Schweiz in regelmäßigen Abständen erfolgt, fanden seitdem in Österreich nicht statt. Darüber hinaus wurden die vorgeschriebenen Grundlagen der Studie aus dem Jahr 2003, somit die Mauttarifrechnungen für die Festlegung der Mauttarifsätze, in Österreich der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht.

In Österreich könnte somit ein ähnliches Problem wie in Deutschland bestehen und könnten auch die österreichischen Mautgebühren überhöht sein. Es ist jedoch aufgrund der Unzugänglichkeit der Berechnungsgrundlagen für die Mautgebühren, nicht einmal möglich zu überprüfen, ob auch in Österreich Kosten der Verkehrspolizei in die Mautberechnung miteinfließen. Diese Geheimhaltung stellt ein erhebliches Problem für die österreichische Transportwirtschaft dar und wäre es meines Erachtens überaus notwendig, diese Berechnungsgrundlagen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nur durch die Veröffentlichung dieser Berechnungsgrundlagen wäre es möglich nachzuvollziehen, ob in Österreich tätige Transportunternehmen die vergangenen Jahre zu viel gezahlt haben.

Verfahren in Österreich bereits anhängig

Die Rechtsanwaltskanzlei Schärmer hat bereits Anfang dieses Jahres im Auftrag eines Oberösterreichischen Transportunternehmers Klage gegen den österreichischen Autobahnbetreiber eingeleitet. Auch in diesem Verfahren geht es um die mangelnde Transparenz der Berechnungsgrundlagen sowie um die Thematik, ob die Lkw-Maut überhöht ist. Da sich das Verfahren erst in der Anfangsphase befindet, kann derzeit noch keine Verfahrensprognose erstellt werden.

Zusammenfassung, Praxistipps:

-->Vom europäischen Gesetzgeber wurde am 17. Juni 1999 die Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege, durch schwere Nutzfahrzeuge erlassen.

-->Die Berechnung der Mautgebühren muss gemäß dieser Richtlinie erfolgen.

-->Aus dem Wortlaut der Richtlinie 1999/62/EG in der geänderten Fassung ergibt sich, dass bei der Festsetzung der Mautgebühren ausschließlich die „Infrastrukturkosten“ im Sinne des Art. 7 Abs. 9 zu berücksichtigen sind.

-->Als solche „Infrastrukturkosten“ sind die Baukosten und die Kosten für den Betrieb, die Instandhaltung und den Ausbau des betroffenen Verkehrswegenetzes anzusehen.

-->Unter den Begriff „Kosten für den Betrieb“ fallen grundsätzlich, die durch den Betrieb der betreffenden Infrastruktur entstehenden Kosten

-->Polizeiliche Tätigkeiten fallen in die Verantwortung des Staates, der dabei hoheitliche Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur handelt.

-->Die Kosten der Verkehrspolizei können daher nicht als „Kosten für den Betrieb“ im Sinne von Art. 7 Abs. 9 angesehen werden.

-->Da die Bundesrepublik Deutschland nicht ausschließlich die Infrastrukturkosten bei der Berechnung der Mautgebühren berücksichtigt hat, ist die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie nicht nachgekommen.

-->Dies bedeutet nun, dass Transportunternehmen sich bei Ansprüchen auf Rückzahlung der zu viel entrichteten Maut, unmittelbar auf die Richtlinie berufen können.

-->Aufgrund der Unzugänglichkeit der Berechnungsgrundlagen für die Mautgebühren in Österreich, ist es nicht einmal möglich zu überprüfen, ob auch in Österreich Kosten der Verkehrspolizei in die Mautberechnung miteinfließen.

-->Transportanwalt Schärmer hat bereits Anfang des Jahres für einen Oberösterreichischen Transportunternehmer eine Klage gegen den österreichischen Autobahnbetreiber eingebracht. Das aktuelle EuGH Urteil stützt unsere Argumentation weitreichend.

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