Transporteur 06/20, Dr. Schärmer – Verkehrsleiter im Fadenkreuz?

Transporteur 06/20, Dr. Schärmer – Verkehrsleiter im Fadenkreuz?

Unrichtige Rechtsansicht mit fatalen Folgen

Die Reichweite der Haftung eines Verkehrsleiters wurde in letzter Zeit immer wieder diskutiert. In mehreren Verwaltungsstrafverfahren stellte ein Richter des Landesverwaltungsgerichtes NÖ (LVwG NÖ) den Verkehrsleiter ins Fadenkreuz. Nach Auffassung des Richters sei der Verkehrsleiter für die Verkehrsstrafen verantwortlich und wären demnach sämtliche Bestellungen von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG unwirksam. Diese (unrichtige) Rechtsansicht hätte fatale Folgen. Wird nämlich der handelsrechtliche Geschäftsführer, der meist auch Verkehrsleiter ist, zu oft bestraft, steht die Zuverlässigkeit des Unternehmers auf dem Spiel. Gerade das Land Niederösterreich ist sehr „fleißig“, wenn es um Verfahren zur Entziehung der Güterbeförderungskonzession geht. Das Risiko der Einziehung der Gewerbeberechtigung wird durch die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG minimiert und wird dies in der Praxis mittlerweile sehr häufig als Risikominimierung auch tatsächlich in Anspruch genommen. Diese Möglichkeit soll jedoch laut Ansicht des LVwG NÖ nicht zulässig sein (LVwG-S-344/001-2019).

Besonders bemerkenswert ist, dass das LVwG NÖ diese (unrichtige) Ansicht auch weiterhin in einer aktuellen Entscheidung vertritt, obwohl zwischenzeitlich der Verwaltungsgerichtshof als Höchstgericht klargestellt hat, dass der Verkehrsleiter für die Verwaltungsstrafen eben nicht einzustehen hat (VwGH Ra 2019/11/0073).

Zum besseren Verständnis werden die unterschiedlichen Positionen im Folgenden näher beschrieben:

Handelsrechtlicher Geschäftsführer

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist, sofern kein verantwortlicher Beauftragter bestellt ist. Bei dieser, zur Vertretung nach außen berufenen Person, handelt es sich um den handelsrechtlichen Geschäftsführer. Wurde somit keine Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vorgenommen, so haftet der handelsrechtliche Geschäftsführer für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften. Eine solche Konstellation ist mit dem Risiko verbunden, da sich jede Verwaltungsübertretung negativ auf die Zuverlässigkeit des Geschäftsführers auswirken und in besonders schwerwiegenden Fällen bereits ein einziger Verstoß zum Entzug der Konzession führen kann.

Verantwortlicher Beauftragter

Das Verwaltungsstrafgesetz (VStG) räumt einem Unternehmer in § 9 Abs. 2 die Möglichkeit ein, die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung auf einen sogenannten verantwortlichen Beauftragten zu verlagern. So ist der Geschäftsführer berechtigt eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Durch die Ernennung einer solchen Person, haftet diese alleinig für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften und wirken sich Verstöße nicht mehr negativ auf die Zuverlässigkeit des handelsrechtlichen Geschäftsführers bzw. Konzessionsinhabers aus, sondern ausschließlich auf den verantwortlichen Beauftragten. Der verantwortliche Beauftragte kann in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden, damit eine nach § 9 bestellte Person nicht übermäßig mit Verwaltungsstrafen belastet wird. Eine Person, die zum verantwortlichen Beauftragten bestellt wird, darf nämlich keine große Anzahl an Vorstrafen im Verwaltungsstrafregister aufweisen. Darüber hinaus kann ein verantwortlicher Beauftragter für einen räumlich abgegrenzten Bereich bestellt werden, wie etwa eine Filiale, oder für einen sachlich abgegrenzten Bereich wie etwa die Einhaltung der Vorschriften des AZG. Zu beachten ist, dass für die wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für gewisse Bereiche eine Anzeige an die zuständige Behörde notwendig ist (AZG, LSD-BG). Ohne vorherige Meldung an die Behörde wäre in diesen Fällen die Bestellung nicht wirksam.

Verkehrsleiter

Der Verkehrsleiter ist eine vom Unternehmer beschäftigte natürliche Person, die tatsächlich und dauerhaft die Verkehrstätigkeiten dieses Unternehmens leitet und ist von Kraftverkehrsunternehmen zwingend zu bestellen. Der Begriff des Verkehrsleiters ist in der EU-Verordnung 1071/2009 definiert und nicht im nationalen Recht geregelt. Die Verordnung stellt zahlreiche Anforderungen hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Verkehrsleiters und definiert seine Aufgaben, wie insbesondere die Leitung der Verkehrstätigkeit des Unternehmens. Es bestehen jedoch keine Vorschriften über die Haftung des Verkehrsleiters und so ist der Verkehrsleiter einem handelsrechtlichen Geschäftsführer bzw. einem verantwortlichen Beauftragten nicht gleichzusetzen, da diesen, mangels einer Strafnorm, keine Haftung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften in einem Unternehmen trifft.

LVwG NÖ beharrt auf Haftung des Verkehrsleiters

Trotz Klarstellung des VwGH (siehe VwGH Ra 2019/11/0073) vertritt das LVwG NÖ in einer aktuellen Entscheidung die unrichtige Rechtsauffassung (LVwG-S-344/001-2019), dass das „Vorschieben“ eines verantwortlichen Beauftragten mit dem Ziel der Vermeidung einer Haftung des handelsrechtlichen Geschäftsführers unwirksam sei und soll der Verkehrsleiter ebenfalls für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften haften. Diese „Ausreißer-Entscheidung“ des LVwG NÖ sorgt aktuell erneut für Aufsehen, insbesondere zumal sie der Rechtsprechung des Höchstgerichtes widerspricht.

Das LVwG NÖ begründet die Entscheidung damit, dass die (europäische Verordnung) VO 1071/2009 selbst keine Sanktionsmaßnahmen enthält, jedoch den Mitgliedstaaten vorgibt, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Regelungen unter anderem über den Entzug der Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers wirksam, verhältnismäßig und abschreckend vorgesehen werden. Zu diesen Maßnahmen gehöre unter anderem der Konzessionsentzug. Die EU würde somit ihren Mitgliedstaaten vorgeben, Regelungen über den Entzug der Konzession selbst zu treffen. Als Anknüpfungspunkt eines solchen Konzessionsentzuges nennt die Verordnung unter anderem die zweifelhafte Zuverlässigkeit einer „bestimmten maßgeblichen Person“ im Unternehmen. In anderen Worten bedeutet dies, dass zwar vorgegeben wird, dass ein Konzessionsentzug durchzuführen sei, wenn die Zuverlässigkeit einer „bestimmten maßgeblichen Person“ im Unternehmen zweifelhaft sei, die Definition der „bestimmten maßgeblichen Person“ jedoch dem nationalen Gesetzgeber überlassen wird.

Das LVwG NÖ knüpft hinsichtlich der Definition der „bestimmten maßgeblichen Person“ an § 5 Güterbeförderungsgesetz an und betrachtet somit den Gewerbeberechtigten und den Verkehrsleiter als solche „maßgeblichen Personen“ im Sinne der EU-Verordnung. Da der verantwortliche Beauftragte in der entsprechenden Vorschrift des Güterbeförderungsgesetzes nicht angeführt wird, vertritt das LVwG NÖ die Meinung, dass der verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs. 2 VStG nicht als „bestimmte maßgebliche Person“ im Sinne der Verordnung anzusehen sei.

Zusammenfassend kommt das LVwG NÖ daher zum Ergebnis, dass die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten zur Überwachung und Haftung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten unzulässig sei und anstelle des verantwortlichen Beauftragten der Verkehrsleiter und der handelsrechtliche Geschäftsführer haften würden. Dies würde bedeuten, dass die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten den Konzessionsinhaber nicht mehr vor Bestrafungen und letztendlich vor dem Entzug der Gewerbeberechtigung schützen würde.

Der Verwaltungsgerichtshof als Höchstgericht hat diese Rechtsansicht des LVwG NÖ in einer aktuellen Entscheidung als unrichtig und nicht nachvollziehbar beurteilt (siehe VwGH Ra 2019/11/0073):

VwGH: Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten weiterhin möglich!

Der VwGH stellte klar, dass dem Verkehrsleiter in der EU-Verordnung keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit zugewiesen wird und diesen mangels Sanktionsnorm im nationalen Recht, keine verwaltungsstrafrechtliche Haftung trifft. Der VwGH vertritt somit die Ansicht, dass weiterhin der verantwortliche Beauftragte für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften haftet und bei wirksamer Bestellung, den handelsrechtlichen Geschäftsführer keine Haftung trifft. Das „Theater“ um den Verkehrsleiter bleibt weiterhin spannend, da das LVwG NÖ auch nach der ergangenen Höchstgerichts-Entscheidung offenbar weiterhin die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten in bestimmten Fällen für unwirksam hält.

Zusammenfassung, Praxistipps

*Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist, sofern kein verantwortlicher Beauftragter bestellt ist. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um den handelsrechtlichen Geschäftsführer des Unternehmens.

*Das VStG räumt einem Unternehmer in § 9 Abs. 2 jedoch die Möglichkeit ein, die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung auf einen sogenannten verantwortlichen Beauftragten zu verlagern.

*Die Ernennung eines verantwortlichen Beauftragten bewirkt einen Übergang der Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften auf diesen und ist die Konzession weniger gefährdet.

*Der Verkehrsleiter ist eine vom Unternehmer beschäftigte natürliche Person, die tatsächlich und dauerhaft die Verkehrstätigkeiten dieses Unternehmens leitet und ist von Kraftverkehrsunternehmen zwingend zu bestellen.

*Den Verkehrsleiter trifft zwar eine funktionelle Rolle als „Überwacher“ jedoch bestehen keine Sanktionsnormen, die die Haftung des Verkehrsleiters vorsehen. Der Verkehrsleiter haftet daher nicht für die Verwaltungsübertretungen.

*Der Verwaltungsgerichtshof hat daher klargestellt, dass der Verkehrsleiter nicht für die Verwaltungsstrafen haftet. Daraus ergibt sich, dass – entgegen der Ansicht des LVwG NÖ - weiterhin ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG wirksam bestellt werden kann (siehe dazu: VwGH Ra 2019/11/0073).

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