Transporteur 08/22 – Dr. Schärmer & A. Miskovez – Haftungsfalle Dispo

Transporteur 08/22 – Dr. Schärmer & A. Miskovez – Haftungsfalle Dispo

Die richtige Disposition beginnt bereits mit der sorgfältigen Auswahl des Subfrächters. Nicht selten kommt es vor, dass sich Betrüger als vermeintlich ordentliche Frachtführer ausgeben und sich eine Ladung erschleichen, die schlussendlich niemals beim Empfänger ankommt. Wer meint, dass Ladungsdiebstähle immer außerhalb der Sphäre des Auftraggebers liegen und dieser daher von jeglichem Verschulden befreit ist, liegt falsch. Es kommt nämlich darauf an, ob der Auftraggeber die in der Branche üblichen und nötigen Anweisungen und Überwachungsmaßnahmen für die Neuanlegung und Beauftragung eines neuen Frächters vorgegeben und auch eingehalten hat. Untersucht wird daher, ob die Disponenten genaue Handlungsvorgaben seitens der Unternehmensleitung bei der Überprüfung von neuen Subfrächtern haben und diese auch befolgen. Eine gut organisierte Dispo muss mindestens folgende Unterlagen einholen und überprüfen:

*** Güterverkehrslizenz (EU-Lizenz), ausgestellt auf den Bewerber gemäß Firmenidentifikation
*** Versicherungsbestätigung (CMR-Polizze), ausgestellt auf den Bewerber gemäß Firmenidentifikation
*** Briefbogen des Frachtführers (UID Nr.)
*** E-Mail-Adresse
*** Internetdomain (wenn vorhanden)

Auch wenn Fehler in der Disposition nicht generell ausgeschlossen werden können, so müssen zumindest nachweislich Management-Anweisungen bestehen, wonach der Disponent die oben angeführten Dokumente einholen und überprüfen muss. Fehlt eine solche Anweisung, kann das Qualitätsmanagement unter Umständen nicht als branchenüblich und geeignet qualifiziert werden.

Verlust der Versicherung
Dies führt im „worst-case“ zu einer Haftung des Transportunternehmens sowie zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers. Obwohl die Haftung für grobes Verschulden gemäß Art. 29 CMR in den marktüblichen österreichischen Verkehrshaftungsversicherungen mitversichert wird, kann in bestimmten Fällen grobes Verschulden auch zum Verlust des Versicherungsschutzes führen. Dies ist etwa der Fall, wenn der Versicherungsnehmer einen grob fahrlässigen Sorgfaltsverstoß bei der Betriebsführung (Organisationsmängel im Sinne eines groben Organisationsverschuldens) zu vertreten hat. Ein solcher grob fahrlässiger Sorgfaltsverstoß bei der Organisation kann beispielsweise die oben beschriebene fehlende Anweisung an die Dispo sein. Darüber hinaus ist bei Frachtenbörsen höchste Vorsicht gefragt, insbesondere dann, wenn der Vertragspartner plötzlich von einer firmenmäßigen E-Mail-Adresse auf einen kostenlosen Anbieter wie etwa „Gmail“ umsteigt. Die Kennzeichen des Fahrzeugs sowie die Identität des Fahrers, der die Ware schlussendlich abholt, sollten stets avisiert und vor Antritt der Fahrt, bei der Übergabe der Ware überprüft werden.

CMR: Ungenauigkeit kostet!
Es ist branchenüblich, sich vom Vertragspartner eine Bestätigung über dessen CMR-Versicherung einzuholen. Diese Bestätigung soll jedoch nicht einfach ungeprüft abgelegt werden, sondern muss gecheckt werden. Häufige Problemfelder sind nämlich, dass die Versicherung des Subfrächters nicht mehr gültig, räumlich beschränkt oder die Versicherungssumme nicht ausreichend ist. Darüber hinaus ist zu unterscheiden, ob die Versicherungssumme pro Schadenfall besteht oder pro Jahr. Schließlich ist die genaue Firmenbezeichnung und UID-Nummer des Vertragspartners mit jener in der Versicherungspolizze zu vergleichen und darauf zu achten, dass die Polizze auch firmenmäßig (Unterschrift + Stempel) unterfertigt ist.

Welche AGB gelten?

Sofern auf einen Transport die Vorschriften der CMR zur Anwendung gelangen, sind gemäß Art. 41 CMR alle Vereinbarungen nichtig, die der CMR zuwiderlaufen. Die CMR regelt aber nicht alle Problemfelder, wie beispielsweise die Verpflichtung zur Verladung und Ladungssicherung, Standgeld, Storno, Palettentausch, etc. Dies bedeutet, dass in diesen Themenbereichen Vereinbarungen zwischen den Parteien getroffen werden können. Dies erfolgt in der Praxis meistens durch die Übermittlung von allgemeinen Geschäftsbedingungen. Gerade hier muss der Disponent aufpassen, dass RECHT nicht die nachteiligen AGB des Vertragspartners akzeptiert, sondern die eigenen AGB vereinbart werden.

Strenger Maßstab
Allgemeine Geschäftsbedingungen können über einen entsprechenden Hinweis im Vertragstext (AGB werden dem Vertragspartner übermittelt und dieser widerspricht nicht) zum Vertragsinhalt gemacht werden. Hierbei ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen. Damit AGB wirksam vereinbart werden können, muss dem Vertragspartner deutlich erkennbar sein, dass der Transportunternehmer nur unter Einbeziehung seiner AGB abschließen will. Darüber hinaus können AGB auch dann schlüssig vereinbart werden, wenn zwischen den Vertragsparteien schon eine länger andauernde Geschäftsbeziehung besteht, in den Geschäftspapieren ständig auf die Geltung der AGB hingewiesen wird und der Vertragspartner nie widerspricht. Unser Tipp für die Praxis ist: jeder Unternehmer sollte über professionell vorgefertigte AGB und ein wirksam implementiertes AGB-System, bestehend aus
Transportaufträgen, E-Mail-Signaturen, Stammdatenblätter, Bedingungen etc. verfügen. Beruft sich der Vertragspartner hingegen ebenfalls auf eigene AGB, die etwa mit der Auftragsbestätigung mitgeschickt wurden, muss ein ausdrücklicher Widerspruch erfolgen (beispielsweise AGB durchstreichen und mit der Aufschrift „nicht akzeptiert“ retournieren). Das ist zwar nicht das Patentrezept, aber eine von vielen Maßnahmen, die man setzen sollte. Informationspflichten beachten Wird ein Auftrag von einem Frachtführer weitergegeben, so tritt dieser gegenüber seinem Subfrächter als Auftraggeber auf. Dies hat zur Folge, dass der Frachtführer im Verhältnis zu seinem Subfrächter als Absender im Sinne der CMR qualifiziert wird, denn nach der CMR ist Absender immer der Auftraggeber des Frachtführers, auch wenn er nicht das Gut (als Verlader) übergibt. Hierdurch eröffnet sich für den Frachtführer als Auftraggeber ein enormes Haftungspotenzial, denn gemäß Art. 7 CMR haftet dieser nun für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben im Frachtbrief sowie aller an den Subfrächter erteilten Informationen. Diese Haftung ist betragsmäßig unbegrenzt und verschuldensunabhängig. Letzteres bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, ob der Auftraggeber schuldhaft falsche oder unvollständige Informationen erteilt hat.

Verheerende Folgen …
Eine solche Haftung kann verheerende Folgen haben, wie beispielsweise die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Geschäftszahl 7 Ob 50/20h aufzeigt. In diesem Fall gab ein Disponent einen Transportauftrag zur Beförderung von Abfällen (loser Schrott) an einen Subfrächter weiter. Während der Fahrt entzündete sich der Elektroschrott von selbst und brannte den gesamten Auflieger ab. Schlussendlich musste der Frachtführer den abgebrannten Auflieger seines Subfrachtführers ersetzen, da er den Subfrachtführer nicht ausreichend über die Gefährlichkeit des Gutes aufgeklärt hatte. Zu beachten ist, dass der Frachtführer selbst von der Gefährlichkeit nichts wusste, da dieser wiederum von seinem Auftraggeber ebenfalls unzureichende Informationen hinsichtlich der Gefährlichkeit erhalten hatte. Der Disponent muss diese Informationspflichten kennen.  Ebenso trifft den Frachtführer, der sich eines Subfrachtführers bedient, die Haftung für Standgeld, wenn der Lkw des Subfrachtführers bei einer Polizeikontrolle beschlagnahmt wird, ohne dass der Subfrachtführer die Anhaltung verschuldet hat. Schließlich ist auch auf das enorme Prozesskostenrisiko in solchen Fällen hinzuweisen, da derartige Verfahren oftmalig nicht von der gewöhnlichen Verkehrshaftungsversicherung (CMR-Versicherung) gedeckt sind. Diese deckt meist nur Fälle, in denen der Versicherungsnehmer als Frachtführer und somit als Auftragnehmer tätig ist. In den vorhin beschriebenen Fällen wird der Versicherungsnehmer jedoch als Auftraggeber und somit als Absender tätig.

Dauerbrenner: Standgeld
Weiters sollten Disponenten in den Bereichen Standgeld, Storno und Aufrechnung geschult sein, da diese Probleme täglich auftreten und die gekonnte Durchsetzung/Abwehr von derartigen Ansprüchen dem Transportunternehmen viel Geld ersparen kann. Es ist wichtig, dass Disponenten wissen, in welchen Fällen Standgeld-Ansprüche zurecht bestehen und in welcher Höhe diese durchgesetzt werden können. Disponenten, die rund um die Stornierung von Aufträgen „sattelfest“ sind, können weitaus mehr rausholen, als gesetzlich zusteht.

„Communication is key“
Bei Ladungsdiebstählen spielen die Auswahl des richtigen Fahrzeugs und eine sorgfältige Aufklärung des Kunden eine wichtige Rolle. Kommt es zu einem Ladungsdiebstahl, kann der Frachtführer von der Haftung befreit oder seine Haftung zumindest begrenzt sein, wenn dieser alle zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um Ladungsdiebstähle zu verhindern. Hierzu gehört insbesondere die Wahl eines sicheren Fahrzeugs (Koffer statt Plane), die Benützung von sicheren Parkplätzen und die Verwendung von Diebstahlsicherungen sowie das Befahren von sicheren Routen. Aufklärung ist hierbei das Wichtigste: Zeigt der Frachtführer dem Auftraggeber nämlich das Gefahrenpotenzial genauestens auf und bietet diesem an, gegen einen Aufpreis ein sicheres Fahrzeug einzusetzen, bewachte Parkplätze zu verwenden, andere Routen zu befahren, zwei Fahrer einzusetzen oder andere Maßnahmen zur Diebstahlverhinderung vorzunehmen, so können diese Maßnahmen den Frachtführer entlasten.

AUF EINEN BLICK

*** Viele Schäden können verhindert werden, wenn die Disponenten richtig geschult sind und sorgfältig handeln
*** zahlreiche Sorgfaltspflichten treffen Disponenten bereits bei der Auftragsvergabe. Wichtig ist eine konkrete Handlungsanweisung an die Disponenten, welche Überprüfungsmaßnahmen beim Einsatz von neuen Subfrachtführern gesetzt werden sollen
*** Disponenten müssen sämtliche relevanten Unterlagen im Vorfeld der Vertragsbeziehung einholen und entsprechend überprüfen
*** ist ein Disponent im Umgang mit den eigenen AGB ausgebildet, kann dieser im Hinblick auf Standgeld, Storno und Aufrechnung, effektive Vorkehrungen treffen und Ansprüche durchsetzen
*** Vorsicht ist gefragt, wenn ein Disponent Aufträge von Kunden annimmt und diese an Subfrachtführer weitergibt. Hier tritt der Disponent als Auftraggeber auf und muss die Informationspflichten im Sinne der CMR beachten
*** In der Praxis kommt es bei Ladungsdiebstählen zu den größten Schäden. Maßnahmen zur Diebstahlsverhinderung könnten den Frachtführer entlasten.

Die Autoren Dominik Schärmer und Alexej Miskovez halten gemeinsam mit Christian Spendel (Cargo Experts) im Herbst „Bootcamps für Disponenten“ ab. Nähere Infos und die Anmeldemöglichkeit zu diesen Seminaren finden Sie unter www.schaermer-spendel.at.

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