Transporteur 01/24 – Dr. Schärmer – Nicht nachvollziehbare Nächte – Digitaler Tachograph

Transporteur 01/24 – Dr. Schärmer – Nicht nachvollziehbare Nächte – Digitaler Tachograph

Nicht nachvollziehbare Nächte

Eine der häufigsten Übertretungen, mit welcher unsere Mandanten konfrontiert werden, ist der fehlende Nachtrag der täglichen Ruhezeit. Entnimmt der Lenker nach seiner täglichen Einsatzzeit seine Fahrkarte aus dem Kontrollgerät, werden bis zur nächsten Verwendung der Fahrkarte auf dieser keine Tätigkeiten aufgezeichnet. Deshalb muss der Fahrer vor Antritt der Fahrt nach dem Stecken der Fahrkarte einen sogenannten Nachtrag vornehmen. Meistens wird die Karte am Ende des Arbeitstages entnommen und am Beginn des nächsten Arbeitstages gesteckt. Obwohl naheliegt, dass der Fahrer in dieser Zeit seine tägliche Ruhezeit konsumiert hat, sind auf der Fahrkarte keine entsprechenden Nachweise eingetragen. Da Kontrollbeamte hierdurch nicht nachvollziehen können, welcher Tätigkeit der Lenker im Zeitraum seit der Entnahme nachgegangen ist, wird dies als fehlender manueller Nachtrag angezeigt. Wie so oft muss aber auch hier bei der Gestaltung des Spruchs besonderes Augenmerk auf formelle Mängel gelegt werden.

Ausgangslage

Unser Mandant, Lenker eines burgenländischen Transportunternehmens, musste sich am 13. Dezember 2021 einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle in der Steiermark unterziehen. Dabei wurde auch die Fahrkarte ausgewertet und festgestellt, dass an manchen Tagen offenbar kein manueller Nachtrag getätigt wurde und somit Lücken in der Aufzeichnung bestanden. Über den Lenker wurde in weiterer Folge eine Strafe mit folgendem Vorwurf erlassen:

Sie haben als Lenker des angeführten Kraftfahrzeuges mit dem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 t folgende Übertretung begangen. Sie haben am 13.12.2021 auf Verlangen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht diesen die erforderlichen Unterlagen nicht ausgefolgt, obwohl der Lenker/die Lenkerin auf Verlangen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder Straßenaufsicht diesen das Schaublatt des Fahrtenschreibers oder des Kontrollgeräts gemäß der Verordnung (EU) 165/2014 sowie die mitgeführten Schaublätter, handschriftlichen Aufzeichnungen, die in der Verordnung (EU) 165/2014 vorgesehenen Ausdrucke aus dem digitalen Kontrollgerät für Zeiträume, in denen ein Fahrzeug mit digitalem Kontrollgerät gelenkt worden ist, und die Fahrkarte sowie allfällige Bestätigungen über Lenkfreitage auszuhändigen hat.

Gegen die Strafverfügung haben wir Einspruch erhoben und konnten nach einem 2-jährigen Verfahren vergangene Woche die Aufhebung des Straferkenntnisses sowie Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens erreichen.

Bitte genauer

Auch hier lag der Teufel, oder aus unserer Sicht besser gesagt der Engel wieder im Detail. Gemäß § 44a VStG hat die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat so präzise zu sein, dass der Beschwerdeführer seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt wird. Das bedeutet, dass die Tat so konkret umschrieben werden muss, dass kein Zweifel daran besteht, wofür der Täter bestraft worden ist.

Obwohl uns aus der Auswertung der Daten der Fahrkarte zwar klar war, dass keine manuellen Nachträge der Ruhezeiten vorgenommen wurden, ergibt sich dies aus dem oben zitierten Spruch nicht. Ganz im Gegenteil wird hier schlichtweg vorgeworfen, dass der Lenker Unterlagen nicht ausgehändigt hat. Zum einen ergibt sich keineswegs, welche Unterlagen genau gefehlt hätten (Fahrkarte, Schaublätter, Ausdrucke, Bestätigungen über lenkfreie Tage, etc.). Zum anderen ist auch nicht mal ansatzweise konkretisiert, für welche Zeiträume genau entsprechende Nachweise/Unterlagen gefehlt hätten. Schließlich haben im gegenständlichen Fall nicht schlichtweg sämtliche Aufzeichnungen der vorangegangenen 28 Tage gefehlt, sondern lediglich bestimmte Zeiträume. Die Behörde hätte daher konkretisieren müssen, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten genau ein Nachtrag fehlte.

Weiters liegt das Fehlverhalten auch nicht darin, dass Unterlagen nicht mitgeführt wurden, sondern darin, dass manuelle Nachträge zu bestimmten Zeiten nicht gemacht wurden. Es besteht auch keine Verpflichtung zur Verwendung eines EU-Formblattes, sondern stellt dies lediglich eine Option dar um auf der Fahrkarte fehlende Zeiträume nachzuweisen.

Da zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht bereits mehr als ein Jahr seit dem Tag der Übertretung vergangen war, trat die Verfolgungsverjährung ein und war und der Vorwurf nicht mehr sanierbar. Das bedeutet, dass das Landesverwaltungsgericht dazu verpflichtet war den gesamten Spruch aufzuheben und diesen nicht mehr korrigieren durfte.

Auch das Land ist ausschlaggebend

Der Europäische Gerichtshof hat in seiner aktuellen Judikatur zur „Digitacho-Verordnung“ (EU-VO 165/2014) ausgesprochen, dass Übertretungen wegen falscher Bedienung des digitalen Tachografen nur dann bestraft werden können, wenn diese im Inland begangen wurden. Anders als bei beispielsweise der Überschreitung der Lenkzeit oder Unterschreitung der Ruhezeit, können fehlende Ländersymbole oder unterlassene Nachträge nur dann von österreichischen Behörden bestraft werden, wenn diese mangelhafte Bedienung des Tachografen tatsächlich in Österreich erfolgte. Hieraus folgt, dass die Behörde zwingend feststellen muss, dass die unrichtige Bedienung des Tachografen in Österreich stattfand. Selbst wenn die Behörde daher im gegenständlichen Fall richtig vorgeworfen hätte, dass manuelle Nachträge zu bestimmten Zeiten gefehlt haben, wäre der Spruch dennoch mangelhaft, da keine Feststellungen darüber getroffen wurden, in welchem Land diese mangelhafte Bedienung des Tachografen erfolgte. Das Erkenntnis wäre daher auch aus diesem Grund aufzuheben gewesen.

Fazit, Zusammenfassung

  • Behörden haben Übertretungen so konkret vorzuwerfen, dass keine Zweifel darüber bestehen, wofür der Beschuldigte genau belangt wird
  • bei fehlenden manuellen Nachträgen ist zu konkretisieren, an welchen Tagen und zu welchen Zeiträumen die Nachträge fehlen
  • das Fehlverhalten liegt in der mangelhaften Bedienung des Tachografen und nicht in der fehlenden Mitführung von Unterlagen
  • bei Verstößen gegen die Verordnung 165/2014 „Digitacho-Verordnung“ hat die Behörde zudem festzustellen, in welchem Land die mangelhafte Bedienung des Tachografen erfolgte
  • Verstöße gegen die genannte Verordnung dürfen nur dann geahndet werden, wenn sie im Inland begangen wurden
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